Gold auf Rekordhoch, ASML überrascht positiv & Krypto atmet auf: Märkte zwischen Zinshoffnung und Handelsängsten

Gold auf Rekordhoch, ASML überrascht positiv & Krypto atmet auf: Märkte zwischen Zinshoffnung und Handelsängsten
Liebe Leserinnen und Leser,
während Gold bei über 4.200 Dollar neue historische Höchststände erklimmt, erleben wir gerade ein faszinierendes Paradoxon: Die klassischen Sicherheitshäfen verschieben sich dramatisch, und ausgerechnet der US-Dollar – jahrzehntelang der Fels in der Brandung – verliert an Vertrauen. Fed-Chef Powell hat gestern mit überraschend deutlichen Worten die Tür für weitere Zinssenkungen weit aufgestoßen, was nicht nur den Kryptomärkten neues Leben einhaucht, sondern auch an den Aktienmärkten für selektive Euphorie sorgt. Besonders eindrucksvoll: ASML meldet Rekordaufträge und LVMH überrascht mit einer Trendwende in China.
Gold durchbricht magische Marken – der Dollar wankt
Der Goldpreis hat sich in eine Region vorgewagt, die noch vor zwei Jahren wie Science-Fiction klang: 4.218 Dollar je Unze markierte das Edelmetall im frühen Handel, bevor es sich bei gut 4.180 Dollar einpendelte. Seit Jahresbeginn bedeutet das ein Plus von über 50 Prozent – die stärkste Rally seit 1980.
Was treibt diese historische Bewegung? Es ist nicht die übliche Krisenangst allein. Vielmehr erleben wir gerade einen fundamentalen Vertrauensverlust in Papierwährungen, allen voran den US-Dollar. Powell signalisierte gestern überraschend klar zwei weitere Zinssenkungen noch in diesem Jahr. Seine Worte zur „starken Verlangsamung" der Lohnzuwächse und den gestiegenen Abwärtsrisiken für den Arbeitsmarkt klangen fast schon alarmiert.
Die Parallelen zu den 1970er Jahren werden unübersehbar: Damals wie heute attackiert ein US-Präsident die Notenbank-Unabhängigkeit, damals wie heute explodiert die Staatsverschuldung, damals wie heute suchen Anleger verzweifelt nach Schutz vor Währungsentwertung. Trump droht bereits mit 100-Prozent-Zöllen auf chinesische Exporte – ein Handelskrieg, der die Inflation weiter anheizen könnte.
Für deutsche Anleger ist diese Entwicklung zweischneidig: Einerseits profitieren Gold-Investments massiv, andererseits deutet die Dollar-Schwäche auf tiefere Verwerfungen im globalen Finanzsystem hin. Notenbanken weltweit stocken ihre Goldreserven auf – ein klares Misstrauensvotum gegen die bisherige Dollar-Dominanz.
Tech-Rallye 2.0? ASML überrascht mit Auftragsflut
Während viele noch über die KI-Blase diskutieren, liefert ASML handfeste Fakten: 5,4 Milliarden Euro Neuaufträge im dritten Quartal übertrafen die Analystenerwartungen deutlich. Die Aktie des niederländischen Halbleiterausrüsters sprang daraufhin um über 3 Prozent auf 875 Euro – seit September ein Plus von satten 40 Prozent.
„Wir sehen eine anhaltend positive Dynamik bei KI-Investitionen", erklärte CEO Christophe Fouquet. Besonders bemerkenswert: Trotz der Exportbeschränkungen nach China bleibt der Konzern optimistisch für 2026. Das China-Geschäft werde zwar „deutlich geringer" ausfallen, doch die KI-getriebene Nachfrage aus anderen Regionen kompensiere dies mehr als ausreichend.
Die Zahlen sind ein Befreiungsschlag für den gesamten europäischen Tech-Sektor. ASML ist schließlich Monopolist bei den kritischen EUV-Lithografie-Maschinen, ohne die moderne Chips unmöglich wären. Jeder KI-Boom, jedes neue Rechenzentrum, jeder autonome Fahrzeug-Chip führt letztlich zu ASML. Mit einer Marktkapitalisierung von 340 Milliarden Euro thront das Unternehmen wieder an der Spitze Europas.
Spannend für deutsche Anleger: Auch heimische Zulieferer wie Aixtron könnten profitieren. Die Herzogenrather melden am 30. Oktober Quartalszahlen – die Aktie schwankt aktuell um die 15-Euro-Marke, während Analysten zwischen 13 und 20 Euro Kursziel auseinanderdriften.
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Luxus-Comeback: LVMH beweist China-Erholung
Die totgesagte Luxusbranche meldet sich eindrucksvoll zurück. LVMH überraschte mit einem Umsatzplus von einem Prozent im dritten Quartal – nach zwei Quartalen mit Rückgängen ein wichtiges Signal. Die Aktie explodierte förmlich: Plus 12 Prozent an einem Tag, Mitreißer für Kering (+7%) und Hermès (+8%).
„Mainland China turned positive", verkündete Finanzchefin Cecile Cabanis knapp. Was unspektakulär klingt, ist für die Branche eine Sensation. China ist für Luxusmarken überlebenswichtig – und nach Monaten der Kaufzurückhaltung scheinen wohlhabende Chinesen wieder ihre Geldbörsen zu öffnen.
Der Kernbereich Mode und Lederwaren schrumpfte zwar noch um 2 Prozent, doch das war besser als die befürchteten minus 4 Prozent. Alle anderen Sparten – von Parfüm über Schmuck bis zu Champagner – legten zu. Die Message ist klar: Die Talsohle scheint durchschritten.
Für europäische Anleger ist das doppelt relevant: LVMH ist mit knapp 300 Milliarden Euro Börsenwert Frankreichs wertvollstes Unternehmen und Stimmungsbarometer für die Konsumlaune weltweit. Wenn Luxus wieder läuft, folgen oft auch andere diskretionäre Konsumbereiche.
Krypto-Renaissance: Ethereum führt Erholung an
Powell's Zinssignale wirken wie Doping für den Kryptomarkt. Ethereum kletterte um 2,4 Prozent auf 4.116 Dollar, XRP und andere Altcoins folgten. Die Erleichterung ist spürbar nach wochenlanger Unsicherheit über Trumps Krypto-Politik und mögliche Regulierungsverschärfungen.
Besonders interessant: Die Korrelation zwischen traditionellen Märkten und Krypto verstärkt sich. Als „digitales Gold" positioniert sich Bitcoin zunehmend als Inflationsschutz – parallel zum physischen Gold. Ethereum profitiert hingegen von der anhaltenden KI- und DeFi-Entwicklung.
Die Volatilität bleibt hoch, doch die Richtung stimmt wieder. Institutionelle Investoren kehren zurück, die Stablecoin-Volumina steigen. Nach dem Schock der FTX-Pleite und diversen Regulierungsängsten scheint der Markt langsam zu alter Stärke zurückzufinden.
Der Blick nach vorn
Die Märkte stehen an einem Wendepunkt. Gold signalisiert massives Misstrauen in Fiat-Währungen, Tech-Aktien zeigen sich resilient trotz Bewertungssorgen, Luxus erholt sich überraschend stark. Morgen richtet sich der Fokus auf TSMC – deren Quartalszahlen könnten das ASML-Signal bestätigen oder konterkarieren. Nestlé meldet ebenfalls, was Einblicke in die globale Konsumstimmung verspricht.
Die große Frage bleibt: Erleben wir gerade nur eine technische Gegenbewegung oder den Beginn eines neuen Aufwärtstrends? Powell hat die Weichen gestellt, doch Trump's Handelspolitik bleibt der Elefant im Raum. Eines scheint klar: Die traditionellen Sicherheiten bröckeln, neue Gewissheiten müssen erst noch gefunden werden. In solchen Phasen entstehen die größten Chancen – und Risiken.
Mit besten Grüßen und erfolgreichem Handel,
Andreas Sommer