Der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt erlebt eine historische Spaltung. Während moderne, energieeffiziente Gebäude Rekordmieten erzielen, drohen veralteten Immobilien massive Wertverluste bis hin zur kompletten Entwertung.

Diese Entwicklung hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch beschleunigt und zwingt die gesamte Branche zum Handeln. Experten sprechen bereits von "Stranded Assets" – Immobilien, die vorzeitig unrentabel werden und ihre Besitzer vor existenzielle Herausforderungen stellen.

EU-Vorgaben treiben die Transformation voran

Der entscheidende Treiber dieser Revolution kommt aus Brüssel. Die EU-Taxonomie-Verordnung und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) definieren verbindlich, was als nachhaltige Wirtschaftstätigkeit gilt. Banken und institutionelle Investoren bewerten ESG-konforme Immobilien als risikoärmer – der Zugang zu Finanzierungen für nicht-konforme Objekte wird drastisch schwieriger.

Die europäische Gebäuderichtlinie erhöht den Druck zusätzlich: Bis 2030 müssen die 16 Prozent der Nichtwohngebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz saniert werden. Bis 2033 kommen weitere 10 Prozent hinzu. Das deutsche Gebäudeenergiegesetz setzt diese Vorgaben um und macht Aussitzen unmöglich.

Extreme Kluft zwischen "grün" und "braun"

Der Markt reagiert mit einer deutlichen "Flucht in Qualität". Eine CBRE-Umfrage zeigt: 67 Prozent der deutschen Immobilieninvestoren wollen 2025 mehr investieren als 2024 – fast ausschließlich in ESG-konforme Gebäude.

Gleichzeitig suchen Unternehmen im "War for Talents" nach hochwertigen, nachhaltigen Büroflächen und zahlen dafür Spitzenmieten. Das Ergebnis ist eine extreme Polarisierung:

  • A-Lagen mit ESG-Zertifikat: Spitzenmieten steigen weiter, Nachfrage übersteigt das Angebot
  • B-Lagen mit Sanierungsstau: Sinkende Nachfrage, drohender Leerstand, fallende Mieten

Bereits jede zweite Immobilie in Deutschland gilt als potenzielles Stranded Asset. Bei Büroimmobilien in den Top-7-Städten könnten es sogar 69 Prozent sein.

Wenn Kosten den Ertrag übersteigen

Ein Stranded Asset entsteht, wenn eine Immobilie unerwartet an Wert verliert – bis die Modernisierungskosten den Marktwert übersteigen. Der Hauptgrund: mangelnde Energieeffizienz führt zu hohen CO2-Emissionen.

Die Zahlen sind alarmierend: Gebäude verursachen in der EU 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen. In Deutschland entfallen rund 30 Prozent der CO2-Emissionen auf den Gebäudesektor. Die CO2-Bilanz wird zum entscheidenden Kostenfaktor bei Immobilienbewertungen.

Sanieren oder untergehen

Die kommenden Jahre werden für Gewerbeimmobilien-Eigentümer entscheidend. Der politische Wille für Klimaschutz ist in Gesetze gegossen: Bis 2030 müssen signifikante Emissionsreduktionen im Gebäudesektor erzielt werden, Klimaneutralität bis 2045 steht fest.

Eine aktuelle Transaktion in München zeigt die Chancen: Ein ESG-fokussierter Investor erwarb gezielt Grundstücke für zukunftsweisende Nutzungskonzepte wie E-Mobilität und Last-Mile-Logistik.

Wer jetzt nicht in die Nachhaltigkeit seiner Immobilien investiert, riskiert binnen weniger Jahre unverkäufliche oder unvermietbare Objekte. Die grüne Wende ist der größte Werttreiber – oder das größte Wertrisiko – für Gewerbeimmobilien in diesem Jahrzehnt.