Der deutsche und österreichische Gewerbeimmobilienmarkt erlebt eine dramatische Spaltung. Moderne, nachhaltige Objekte erzielen Rekordmieten, während veraltete Gebäude ohne ESG-Zertifikate massiv an Wert verlieren.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Quote notleidender Kredite bei Gewerbeimmobilienfinanzierungen ist in Österreich auf alarmierende 5,4 Prozent gestiegen – gegenüber rund 3 Prozent Ende 2023.

Green Premium macht den Unterschied

Nachhaltigkeitskriterien sind zur neuen Währung geworden. Gebäude mit ESG-Zertifikaten wie DGNB, BREEAM oder LEED erzielen Mietaufschläge von bis zu 10 Prozent. Die Bewertungen liegen sogar 14 bis 16 Prozent höher als bei herkömmlichen Objekten.

Während zertifizierte Immobilien einen "Green Premium" kassieren, droht den anderen ein schmerzhafter "Brown Discount". Investoren lenken ihre Kapitalströme gezielt in nachhaltige Projekte – die EU-Taxonomie-Verordnung macht ohnehin klare Vorgaben.

75 Prozent des Bestands sind gefährdet

Die Gefahr sogenannter "Stranded Assets" wächst rasant. Bis zu 75 Prozent des aktuellen Gebäudebestands gelten als nicht ESG-konform. Diese Immobilien verlieren vorzeitig an Wert, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind.

Die EU-Gebäuderichtlinie verschärft den Druck zusätzlich:
* Neubauten müssen ab 2030 CO₂-neutral sein
* Gesamter Gebäudebestand muss bis 2050 klimaneutral werden

Ohne umfassende Sanierungen drohen Leerstand, sinkende Mieteinnahmen und massive Wertverluste.

Banken schlagen Alarm

Die Finanzaufsicht reagiert bereits: ESG-Risiken fließen verstärkt in die Kreditvergabe ein. Die österreichische FMA warnt eindringlich vor anhaltenden Risiken im Gewerbeimmobiliensektor.

"Die Zahlen lassen noch keine Entwarnung zu", betonte FMA-Vorstand Helmut Ettl. Der Anstieg notleidender Kredite zeigt: Gestiegene Zinsen und die Neubewertung von Objekten kommen bereits in den Bankbilanzen an.

Kein Trend – ein struktureller Wandel

Experten sind sich einig: Diese Transformation ist dauerhaft. Die klassische Formel "Lage, Lage, Lage" wird um eine entscheidende Komponente erweitert: zertifizierte Nachhaltigkeit.

Projektentwickler müssen ESG-Kriterien von Anfang an mitdenken. Bestandshalter stehen vor milliardenschweren Sanierungsinvestitionen, um ihre Portfolios zukunftsfähig zu machen.

Chancen in der Krise

Der steigende Sanierungsdruck eröffnet neue Geschäftsfelder. Die Revitalisierung alter Industriebrachen rückt als nachhaltige Alternative zum Neubau in den Fokus. Auch die Umnutzung leerstehender Büros gewinnt an Bedeutung.

Banken werden Finanzierungen für nicht-sanierte Objekte restriktiver handhaben oder höhere Risikoaufschläge verlangen. Wer nicht in Nachhaltigkeit investiert, riskiert seine Marktposition.

Die Botschaft ist klar: ESG-Konformität entscheidet künftig über Wert und Zukunftsfähigkeit von Gewerbeimmobilien.