Geopolitik trifft Geldpolitik: Wenn die Welt aus den Fugen gerät

Liebe Leserinnen und Leser,

während sich Europa gerade erst an die neue Trump-Ära gewöhnt, spielen sich weltweit Dramen ab, die unsere Wirtschaftswelt nachhaltig prägen könnten. Von Washington über Tokio bis nach Kiew – die geopolitischen Verwerfungen dieser Tage haben das Zeug, die Finanzmärkte ordentlich durchzuschütteln.

Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick auf die Ereignisse werfen, die in den kommenden Wochen Ihre Investments, Ihre Energierechnung und vielleicht sogar Ihren nächsten Japan-Urlaub beeinflussen könnten.

Trumps Militär-Poker: Wenn Innenpolitik zur Verfassungskrise wird

Es klingt wie aus einem Hollywood-Drehbuch, ist aber bittere Realität: Donald Trump wollte 200 Nationalgardisten nach Portland schicken – gegen den Willen der lokalen Behörden. Eine Bundesrichterin, ironischerweise von Trump selbst während seiner ersten Amtszeit ernannt, hat dem Präsidenten nun einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Karin Immergut blockierte die Truppenentsendung mit einer bemerkenswerten Begründung: Die von Trump beschriebene "kriegsähnliche" Situation existiere schlicht nicht. In den letzten dreieinhalb Monaten gab es in Portland ganze 25 Festnahmen bei Protesten – das ist weniger als in mancher deutschen Großstadt an einem Bundesliga-Spieltag.

Was hier passiert, ist mehr als nur ein innenpolitisches Scharmützel. Trump testet die Grenzen präsidialer Macht aus, und die Märkte schauen nervös zu. Schon jetzt hat er Truppen nach Los Angeles, Washington D.C. und Chicago entsandt – allesamt Städte mit demokratischer Führung. Die Botschaft ist klar: Der Präsident nutzt das Militär als innenpolitisches Druckmittel.

Für europäische Investoren mag das wie fernes Donnergrollen wirken. Doch Vorsicht: Ein Amerika, das mit sich selbst beschäftigt ist, ist ein unberechenbarer Handelspartner. Und wenn der "Government Shutdown" – bereits im fünften Tag – sich noch Wochen hinzieht, könnte das die US-Wirtschaft empfindlich treffen. Besonders brisant: Im Wahlkreis Virginia Beach, wo massive Militärbasen und Zivilbehörden angesiedelt sind, arbeiten bereits Zehntausende ohne Gehalt oder sind beurlaubt.

Japans neue Eiserne Lady: Was Sanae Takaichi für die Märkte bedeutet

Während Trump mit Richtern kämpft, hat Japan still und leise Geschichte geschrieben. Sanae Takaichi wird als erste Frau das Amt des Premierministers übernehmen – und sie bringt ein wirtschaftspolitisches Programm mit, das es in sich hat.

Die konservative Nationalistin ist eine glühende Verfechterin der "Abenomics", jener ultralockeren Geldpolitik, die Japan jahrzehntelang am Leben hielt. Ihre erste Botschaft nach dem Wahlsieg? Die Regierung, nicht die Notenbank, bestimme die Wirtschaftspolitik. Das ist ein kaum verhohlener Warnschuss an die Bank of Japan, die gerade dabei war, vorsichtig die Zinsen anzuheben.

Die Märkte hatten noch vor einer Woche mit über 60% Wahrscheinlichkeit auf eine Zinserhöhung Ende Oktober gewettet. Diese Wette können sie nun vermutlich abschreiben. Takaichi hat in der Vergangenheit die Zinserhöhung der BoJ als "dumm" bezeichnet – diplomatisches Feingefühl sieht anders aus.

Doch hier wird es spannend: Der Yen ist bereits auf 147 zum Dollar gefallen. Sollte Takaichis Politik den Yen weiter schwächen, könnte er die psychologisch wichtige Marke von 150 durchbrechen. Das Problem? Trump und sein Finanzminister Scott Bessent haben bereits deutlich gemacht, dass sie einen schwachen Yen als unfairen Handelsvorteil betrachten. Ein Währungskonflikt zwischen zwei der wichtigsten Wirtschaftsnationen? Das hatten wir lange nicht mehr.

Für deutsche Unternehmen mit Japan-Geschäft könnte das zum Vabanquespiel werden. Ein schwacher Yen macht japanische Konkurrenten auf dem Weltmarkt noch wettbewerbsfähiger – von Toyota bis Sony. Gleichzeitig verteuern sich deutsche Exporte nach Japan.

Anzeige: Apropos wirtschaftspolitische Machtspiele – der globale Wettlauf um technologische Vorherrschaft ist mindestens ebenso brisant wie die Währungspolitik. Während Amerika und China um geopolitischen Einfluss ringen, entscheidet sich im Halbleiter-Sektor die Zukunft der Weltwirtschaft. Ich habe mir in einem aktuellen Webinar angesehen, wie Anleger von diesem neuen „Chip-Krieg“ profitieren könnten – insbesondere durch ein europäisches Unternehmen, das von Experten bereits als „neue Nvidia“ bezeichnet wird. Hier können Sie die Analyse nachlesen.

Ukraine unter Beschuss: Die vergessene Krise mit gewaltigen Folgen

Während die Welt auf Trumps Innenpolitik und Japans neue Führung schaut, eskaliert die Lage in der Ukraine dramatisch. Russland hat in der Nacht zum Sonntag massive Drohnen- und Raketenangriffe auf die Region Lwiw geflogen – nur 70 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt.

Polen, NATO-Mitglied und direkter EU-Nachbar, hat seine Kampfjets in die Luft geschickt und die Luftverteidigung in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Das ist keine Routine mehr, das ist eine gefährliche Eskalation. Kommerzielle Flüge mussten bereits umgeleitet werden, die Flughäfen Lublin und Rzeszow nahe der ukrainischen Grenze waren zeitweise für den zivilen Verkehr gesperrt.

Die wirtschaftlichen Implikationen? Gewaltig. Die Energiepreise in Europa dürften bei einer weiteren Eskalation nach oben schnellen. Schon jetzt ist das Atomkraftwerk Saporischschja seit dem 23. September von der externen Stromversorgung abgeschnitten – Europas größtes AKW operiert im Notfallmodus.

Aber es geht um mehr als nur Energiepreise. Wenn russische Drohnen oder Raketen – versehentlich oder absichtlich – NATO-Territorium treffen, stehen wir vor einer völlig neuen Situation. Die Märkte preisen dieses Risiko bisher kaum ein. Das könnte sich als gefährlicher Fehler erweisen.

Shutdown-Drama: Wenn Politik zur Wirtschaftsbremse wird

Der US-Government Shutdown verdient einen genaueren Blick, denn er zeigt exemplarisch, wie politische Grabenkämpfe reale wirtschaftliche Schäden verursachen. Tag fünf, und kein Ende in Sicht. Die Demokraten blockieren im Senat einen Übergangshaushalt, weil sie ihre Gesundheitssubventionen verteidigen wollen – Hilfen, von denen 24 Millionen Amerikaner profitieren.

Die Republikaner kontern mit dem Vorwurf, die Demokraten würden illegal Eingewanderten Gesundheitsversorgung verschaffen wollen – eine glatte Lüge, die aber verfängt. In Umfragen machen 38% die Republikaner für den Shutdown verantwortlich, 27% die Demokraten, und 31% sehen beide Seiten in der Pflicht.

Das Problem: Je länger der Shutdown dauert, desto mehr richtet sich der Zorn gegen den Präsidenten. Und Trump, der sich gerne als "Dealmaker" inszeniert, steht zunehmend als der Mann da, der nicht mal seinen eigenen Laden im Griff hat.

Für die Wirtschaft sind die Folgen bereits spürbar: Wissenschaftliche Forschung liegt brach, Finanzaufsicht funktioniert nur eingeschränkt, wichtige Wirtschaftsdaten werden nicht veröffentlicht. Allein im Großraum Hampton Roads in Virginia könnten bei einem längeren Shutdown monatlich eine Milliarde Dollar an Wirtschaftsleistung verloren gehen.

Was bedeutet das alles für uns?

Die Welt wird gerade neu sortiert, und Europa sitzt zwischen den Stühlen. Ein schwächelndes Amerika, das mit sich selbst kämpft. Ein Japan, das zur ultralockeren Geldpolitik zurückkehrt. Eine Ukraine-Krise, die jederzeit überspringen könnte. Und mittendrin: eine EZB, die nicht weiß, ob sie die Zinsen senken soll, während überall sonst das Geld wieder lockerer sitzt.

Für Anleger heißt das: Diversifikation ist wichtiger denn je. Wer nur auf US-Aktien setzt, könnte vom Shutdown-Drama kalt erwischt werden. Wer den Yen unterschätzt, verpasst möglicherweise die nächste große Währungsbewegung. Und wer die Ukraine-Krise ignoriert, könnte bei den Energiepreisen böse Überraschungen erleben.

Die kommende Woche wird spannend: Am 15. Oktober soll das japanische Parlament Takaichi zur Premierministerin wählen – falls ihre Koalition das übersteht. Trump könnte noch vor seinem geplanten Japan-Besuch Ende Oktober vor dem Berufungsgericht eine Niederlage kassieren. Und in der Ukraine? Da kann jede Nacht die Lage eskalieren.

Es sind turbulente Zeiten, keine Frage. Aber genau in solchen Momenten trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer jetzt kühlen Kopf bewahrt und die richtigen Schlüsse zieht, kann gestärkt aus dieser Phase hervorgehen.

Die Frage ist nur: Sind Sie bereit für das, was da kommt?

Ich wünsche Ihnen einen ruhigen Sonntagabend und einen klaren Blick für die Woche, die vor uns liegt. Bleiben Sie wachsam.

Ihr Eduard Altmann

P.S.: Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet eine Trump-ernannte Richterin dem Präsidenten die rote Karte zeigt? Manchmal schreibt das Leben die besten Geschichten. Mal sehen, was die neue Woche für Überraschungen bereithält.