BÖRSE EXPRESS: Per Ende Oktober lag der österreichische Zertifkatemarkt bei einem Volumen von 14,7 Milliarden Euro. Gegenüber dem Jahresstart ein Plus von 7,3 Prozent – wie zufrieden sind Sie mit dieser Entwicklung?

FRANK WEINGARTS: Sehr zufrieden, da sie zeigt, dass die Akzeptanz von Zertifikaten in Portfolios als Anlagemedium steigt. Und dass der Mehrwert von Zertifikaten, vor allem im aktuellen Niedrigzinsumfeld, erkannt wird. Umso mehr, da oft die Alternative für Anleger nicht da ist – nicht jeder möchte ein direktes Aktieninvestment.

 

BÖRSE EXPRESS: Woran machen Sie den erwähnten Mehrwert fest?

FRANK WEINGARTS: Mit Zertifikaten können Privatanleger nicht nur in Segmente investieren, die ihnen normalerweise verschlossen sind – je nach eigenem Ziel kann auch das ganz individuelle Produkt gefunden werden. Und ganz allgemein: Zertifikate aus dem Bereich Anlageprodukte stellen Chancen an Märkten zur Verfügung, wenn gewollt mit einem Absicherungsmechanismus, die trotzdem überdurchschnittliche Ertrags-Chancen bieten.

 

BÖRSE EXPRESS: Und woran machen Sie die eingangs erwähnte zunehmende Akzeptanz fest – rein am erhöhten Marktvolumen?

FRANK WEINGARTS: In Österreich gab es lange das Phänomen, dass etwa 90 Prozent des Marktvolumens aus reinen Kapitalschutzprodukten bestand. Per Stand heute ist dieser Wert auf unter 60 Prozent gefallen – im Vergleich höherrentierende Bonus- und Express-Zertifikate kommen mit Aktienanleihen bereits auf einen Anteil von knapp 40 Prozent.

 

BÖRSE EXPRESS: Ein Meta-Blick würde aber wohl trotzdem sagen, dass Österreichs Anleger auf die anhaltende Niedrigzinsphase nicht wirklich reagiert haben und der große Auszug aus dem heiligen Gral Sparbuch noch nicht stattgefunden hat, während die gesamte Investmentbranche seit Jahren versucht, mittels diverser Ausbildungsangeboten Anleger für Produkte abseits des Sparbuchs zu begeistern. Muss man hier eine gewisse Lernresistenz konstatieren oder gilt der Spruch vom stetem Tropfen und dem Stein?

FRANK WEINGARTS: Es ist sicher noch viel Potenzial vorhanden, auch weil die Niedrigzinsphase noch nicht in allen Köpfen drinnen ist – aber in Deutschland beginnen die ersten Banken bereits Minuszinsen auch an Privatkunden weiterzugeben. Also werden mehr und mehr Anleger über den Tellerrand des Sparbuchs schauen müssen.

Wichtig wäre die Auseinandersetzung mit dem eigenen Vermögen. Vor dem Kauf eines Autos verbringen wir oft Wochen, bis wir Unseres gefunden haben. Mit dem eigenen Vermögensaufbau gehen viele Anleger im Vergleich deutlich lässiger um – und wird gern in die Zukunft verschoben. Aber die Zeit ist da, jetzt etwas zu machen. Dafür müssen Produkte wie Zertifikate nicht nur Präsenz in den Köpfen der Anleger bekommen, vorher muss eine entsprechende Ausbildung auch da sein. Wir müssen dabei wirklich an die Basis: Schulen und Unis. Da ist noch einiges zu tun.

 

BÖRSE EXPRESS: Bildung ist ein Branchenthema, welches kam zuletzt vom Markt?

FRANK WEINGARTS: Eindeutig der Trend zu ESG-Produkten, der uns auch 2020 beschäftigen wird.

 

BÖRSE EXPRESS: Jetzt fiel schon sehr oft das Wort der Niedrigzinsphase. Welche Produktgruppe lässt sich in so einem Umfeld für Anleger besonders attraktiv ausgestalten?

FRANK WEINGARTS: Es kann mehr Kapitalschutz bei trotzdem einer deutlich über dem Markt liegenden Rendite angeboten werden. Heißt tiefe Barrieren von z.B. 60 Prozent bei bedingten Kapitalschutz-Produkten; Oder 90 Prozent fixer Kapitalschutz bei Kapitalschutz-Produkten und trotzdem der Möglichkeit, an einer Aktienperformance teilzuhaben. Auf Sicht von acht/neun Jahren Laufzeit ist die Chance sehr hoch, dass die Märkte dann über dem Startniveau liegen – das selbst, wenn man direkt vor einer sehr schwierigen Phase wie 2007 eingestiegen ist. Nicht wenige Aktieninvestoren sind in dieser Zeit wahrscheinlich nervös geworden und haben Verluste realisiert, während es mit dem Kapitalschutz-Zertifikaten eine gute Chance gab, auch gut zu schlafen.

 

BÖRSE EXPRESS: Wenn man damit gut schlafen kann, wären das für Sie auch die Einsteigerprodukte für bisherige Sparbuchsparer?

FRANK WEINGARTS: Einstiegsprodukt sollte eine Garantanleihe sein, egal ob mit 90 oder 100prozentigem Kapitalschutz – das sollte die Brücke vom Sparbuch in die Veranlagung sein. In einem zweiten Schritt würde ich dann Produkte mit bedingtem Kapitalschutz wie zum Beispiel Bonus- und Express-Zertifikate beimischen. Hier ist in jedem Fall ein Gespräch mit dem Bankberater zu empfehlen.

 

BÖRSE EXPRESS: 2020 gehen Sie ins erste volle Jahr als Vorsitzender des Zertifikate Forums Austria. Was wird Ihr Schwerpunkt sein?

FRANK WEINGARTS: Schwerpunkt, neben der Ausbildung, werden unsere Veranstaltungen wie der Zertifikate-Kongress sein, bei dem Themen wie ESG und Regulatorisches bereits fix auf der Agenda stehen.

 

BÖRSE EXPRESS: Und Ihr Ziel für das nächstjährige Marktvolumen?

FRANK WEINGARTS: Die 15 Milliarden Euro wären schön zu überschreiten.

 

BÖRSE EXPRESS: Zum Abschluss – und da Weihnachten naht: Welches Buch stand zuletzt auf Ihrem Nachtkästchen und würden Sie es empfehlen?

FRANK WEINGARTS: „Gebrauchsanweisung für Kapstadt und Südafrika“ - ist sehr zu empfehlen, um mehr Hintergrundinformationen zu Natur, Menschen und Politik zu erlangen.