Florian Berberich (Rize ETF): ETFs mit dem deutschen Reinheitsgebot
17.11.2021 | 15:20
Florian Berberich, Associete Director bei Rize ETF für die DACH-Region, tourt mit mittlerweile sechs Themen-ETFs durch die Investment-Landschaft. Themen lösen für Berberich das alte Regionen- bzw. Sektordenken ab. Vor der Ablöse steht für ihn auch das Bargeld.
Im Portfolio ist auch Lenzing: "Wenn man aber alle Umweltziele abbilden möchte, kommt man an so einer Firma nicht vorbei", sagt Berberich dazu.
BÖRSE EXPRESS: Rize ETF gibt es seit Februar 2020 mit Produkten am Markt. Mit in Summe nun sechs ETFs und einem AuM von mehr als 500 Millionen US-Dollar. Wie zufrieden sind Sie mit dem Erreichten und wie schwer ist es für einen neuen Anbieter Assets einzusammeln?
FLORIAN BERBERICH: Mit dem Erreichten sind wir sehr zufrieden, denn als neuer Anbieter hat man es nicht immer leicht. Schlussendlich kommt es aber darauf an, wie gut die Produkte sind, wie neu sie sind bzw. der Ansatz.
BÖRSE EXPRESS: Warum sollte überhaupt jemand Ihnen vertrauen, sprich sein Geld investieren?
FLORIAN BERBERICH: Unsere vier Gründer haben bei ETF Securities angefangen und waren die ersten in Europa, die thematische ETFs aufgesetzt haben. Niemand hat hier mit dem Thema mehr Erfahrung.
Und wir legen sehr großen Wert auf Transparenz, was man bereits bei unserem Online-Auftritt und den dort vorhandenen Informationen zu uns und den Produkten sieht. Und wer dem immer noch nicht vertraut, dann vielleicht jenen, die bereits mehr als 500 Millionen bei uns investiert haben.
BÖRSE EXPRESS: Sind die ETFs bei Rize physisch replizierend oder swapbasiert?
FLORIAN BERBERICH: Physisch, mit den echten Aktien.
BÖRSE EXPRESS: Wäre swapbasiert nicht leichter, etwa in Bezug auf die Liquidität, da wir es gerade im thematischen Bereich wahrscheinlich öfter auch mit kleineren, illiquideren Unternehmen zu tun haben …
FLORIAN BERBERICH: Wir haben den Ansatz, das echte Exposure zu geben. Der Anleger soll auch das besitzen, was er gekauft hat. Das Problem der Liquidität stellt sich eigentlich nicht, da es bei der Portfolio-Konstruktion berücksichtigt wird.
BÖRSE EXPRESS: Rize ETF ist spezialisiert auf Themen. Warum überhaupt thematisch investieren? Themen sind ‘mal in Mode, dann wieder nicht…
FLORIAN BERBERICH: Ich würde zwischen Mode und Trend unterscheiden: Mode ist saisonal und geht dann wieder vorbei. Ein Trend hat einen Zyklus, der sich über Jahre erstreckt. Und wir versuchen Trends investierbar zu machen, die sich über Jahre hinweg materialisieren werden.
Warum? Die Investmentlandschaft entwickelt sich mehr und mehr in Richtung Themen. Diese sind oft regional übergreifend, auch über mehrere Branchen bzw. Sektoren hinweg, worauf das bisherige Schwergewicht der angebotenen Produkte ausgerichtet war. Gebräuchliche Klassifikationen bilden Investmentstrategien nicht mehr entsprechend ab – da möchten wir ansetzen.
BÖRSE EXPRESS: Rize hat seit vergangener Woche sechs Themen-ETFs im Angebot. Vorab: wie läuft die Auflage so eines Produkts ab, wer hat die Idee, wie geht man die Umsetzung an, wie erfolgt die Titelauswahl …
FLORIAN BERBERICH: Wenn wir eine Investmentidee haben, entwickeln wir mit einem thematischen Research-Partner, der in dieser Nische seine Expertise hat, eine Themen-Klassifikation für diesen Trend. Und lassen darauf einen Index aufsetzen. Wir suchen Unternehmen, die den größtmöglichen Umsatzanteil an dieser Branche, in diesem Thema, erzielen. Als Münchener vergleiche ich das gern mit dem deutschen Reinheitsgebot beim Bier.
BÖRSE EXPRESS: Wie flexibel sind die Indizes, auf dass man im Laufe der Zeit auf Branchen- bzw. Themenentwicklungen reagieren kann?
FLORIAN BERBERICH: Es erfolgt 2 mal pro Jahr ein Rebalancing anhand der Indexkriterien.
BÖRSE EXPRESS: Die Themen sind Cybersecurity and Data Privacy, Medical Cannabis and Life Sciences, Sustainable Future of Food, Education Tech and Digital Learning, der Environmental Impact 100 und seit vergangener Woche Digital Payments Economy. Ist da jeweils drinnen was drauf steht, oder gibt es Spezielles zu beachten, etwa die besondere Gewichtung von Teilaspekten des Themas?
FLORIAN BERBERICH: Am wenigsten augenscheinlich sind Unterschiede zu herkömmlichen Produkten beim Environmental Impact 100. Man hört viel von Cleen Energy, Wasserstoff und anderen Spezialfonds, wenn es ums Thema Nachhaltigkeit geht. Beim Environmental Impact 100 haben wir alle sechs Umweltziele der EU-Taxonomie herangezogen: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling, Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme.
Wir suchen die 100 einflussreichsten Unternehmen in allen sechs Umweltzielen und nicht nur in einem Teilaspekt. Es ist der erste ökologische ETF, der auf einen Schlag alle sechs Umweltziele abbildet.
Beim Cybersecurity and Data Privacy sind wesentliche Unterschied zur Konkurrenz strikte Ausschlusskriterien: Rüstung zum Beispiel wollen wir nicht haben – und schaffen eine 95%-Umsatzreinheit der enthaltenen Unternehmen in dem ETF.
BÖRSE EXPRESS: Bei welchem dieser ETFs gibt es derzeit die größte Nachfrage?
FLORIAN BERBERICH: Beim Sustainable Future of Food. Wohl auch, da sich immer mehr Menschen damit beschäftigen, was sie drei mal pro Tag am Teller vorfinden. Immerhin sind unsere Ernähurngssysteme für mehr als ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, spielen aber auch bei Themen wie Wasserknappheit eine Rolle. Oder der Rodung von Wald- für Agrarflächen. Ein nachhaltiges Ernährungssystem, das Thema unseres ETFs, ist essenziell im Kampf gegen den Klimawandel.
BÖRSE EXPRESS: Ihr neuestes Produkt ist der Digital Payments Economy. Kurz und knackig verkauft …
FLORIAN BERBERICH: Früher sagte man Cash ist King, das wird mit ziemlicher Sicherheit in der Zukunft nicht mehr der Fall sein. Wir bilden in dem ETF die komplette digitale Zahlungswirtschaft und die Player rundherum ab.
BÖRSE EXPRESS: So wie Sie beim Digital Payments Economy sicher froh sind zu spät für Wirecard zu sein, waren Sie beim Education Tech and Digital Learning durch die zwischenzeitlichen chinesischen Regulationsverordnungen eher zu früh am Markt. Kommen hier Anleger bereits zurück oder wird alles rund um China noch kritisch gesehen?
FLORIAN BERBERICH: Trends sind nie eine gerade Einbahnstraße nach oben. Und ja, das war sicher ein unerwarteter Rückschlag, das Thema an sich bleibt aber: Die Verwirklichung des “Sustainable Development Goal 4” (SDG4) der UN bedeutet, für den Bereich der Bildung eine hohe Qualität zu gewährleisten und lebenslange Lernmöglichkeiten für alle zu fördern. Und das bei einem Ist-Zustand, dass weniger als 3 Prozent der Gesamtausgaben im Bildungs-Bereich für die Digitalisierung aufgewendet werden. Womit das Bildungswesen ein gesamtwirtschaftlicher Ausreißer nach unten ist. Da gibt es jede Menge Chancen, auch abseits von China.
Dieses Thema bleibt nach wie vor hochspannend und ist Teil einiger Unterhaltung und Kunden sind nach wie vor interessiert wie die Zukunft einiger dieser Unternehmen aussehen kann.
BÖRSE EXPRESS: Österreichische Aktien gibt es bei Ihren ETFs irgendwo im Portfolio?
FLORIAN BERBERICH: Lenzing ist in der Subbranche Kreislaufwirtschaft Teil des Environmental Impact 100. Lenzing ist stark im Bereich der Mode: stellt holzbasierte Zellulosefasern aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern her, die schlussendlich kompostierbar sind und viel weniger Wasser als herkömmliche Fasern in der Herstellung verbrauchen. Ein sehr gutes Beispiel für gelebte Kreislaufwirtschaft, während bisher circa 90 Prozent der alten Kleidung auf irgendwelchen Mülldeponien verrottet oder verbrannt wird. In einem Clean Energy-Fonds wäre so ein Unternehmen nicht dabei. Wenn man aber alle Umweltziele abbilden möchte, kommt man an so einer Firma nicht vorbei.
Über Florian Berberich
Florian Berberich ist Associate Director für Deutschland, Österreich und der Schweiz bei Rize ETF. Berberich arbeitete zuletzt beim Informationsdienstleister Bloomberg, wo er seit 2019 als "Financial Sales Account Manager" und Teil des DACH-Teams Kunden im Süden Deutschlands betreute und dabei vor allem Portfoliomanagement-Lösungen im ETF- und ESG-Bereich fokussierte. Darüber hinaus war der gebürtige Deutsche bei Bloomberg für die Organisationen von Webinaren für die gesamte DACH-Region zuständig. Zuvor war Berberich bei Third Bridge Group Limited, einem Forschungsdienstleister für institutionelle Anleger als Analyst European Consulting, sowie bei der öffentlichen Verkehrsorganisation Transport for London als Graduate Project Manager tätig.
Vor seiner beruflichen Laufbahn absolvierte Berberich ein Studium der Unternehmensführung an der University of Birmingham. 2013 unterstütze Berberich die britische Wohltätigkeitsorganisation Ripple Africa bei ihren Gesundheits-, Bildungs-, und Umweltprojekten als Projektleiter in Malawi.
Aus dem Börse Express-PDF vom 17. November - hier zum kostenlosen Download.
Sie möchten ein kostenloses, unverbindliches Probeabo? Einfach hier mailen.