EU verschiebt Entwaldungsverordnung erneut

Die Europäische Kommission will die umstrittene EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) um ein weiteres Jahr verschieben. Grund sind massive IT-Probleme beim zentralen System, das für die Umsetzung der Waldschutzregeln unerlässlich ist.
EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall begründete den Aufschub bis Ende 2026 mit mangelnder Belastbarkeit der IT-Infrastruktur. Das System könne die erwartete Datenlast nicht tragen - mit drastischen Folgen für den Handel.
IT-System kollabiert unter Datenlast
Ursprünglich sollte die Verordnung bereits Ende 2024 starten, wurde aber schon einmal bis Dezember 2025 verschoben. Jetzt droht eine weitere einjährige Verzögerung.
Die Kommission befürchtet Störungen der Handelsströme und Haftungsrisiken für Unternehmen. Das zentrale EU-Informationssystem TRACES soll Millionen von Sorgfaltserklärungen verarbeiten - eine technische Herkulesaufgabe.
Die Verschiebung muss noch von EU-Parlament und Rat bestätigt werden. Die Zustimmung gilt als wahrscheinlich.
Geolokalisierung jedes Kaffeebaums gefordert
Die EUDR verpflichtet Unternehmen zu lückenlosen Nachweisen für sieben Rohstoffe: Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, Holz, Kautschuk und Rindfleisch. Produkte dürfen nur dann in die EU, wenn sie "entwaldungsfrei" sind.
Die Anforderungen im Detail:
* Kein Anbau auf Flächen, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden
* Präzise GPS-Koordinaten jedes Produktionsgrundstücks
* Fünf Jahre Datenspeicherung über TRACES-System
* Umfassende Sorgfaltserklärungen für jeden Import
Besonders kleine und mittlere Unternehmen stehen vor enormen Kosten und bürokratischen Hürden.
Wirtschaft fordert Null-Risiko-Kategorie
Verbände wie der DIHK kritisieren die Verordnung als praxisfern. Ihre zentrale Forderung: eine "Null-Risiko-Kategorie" für Länder ohne Entwaldung - einschließlich EU-Staaten.
Dies würde den Bürokratieaufwand drastisch reduzieren. Auch aus den USA wächst der Druck wegen befürchteter Handelshemmnisse.
Der Bundesverband Druck und Medien (BVDM) warnt vor Wettbewerbsnachteilen. Kleinbäuerliche Strukturen in Erzeugerländern könnten aus Lieferketten gedrängt werden - paradoxerweise zugunsten industrieller Großbetriebe.
Umweltverbände fürchten Aufweichung
Während die Wirtschaft aufatmet, schlagen Umweltorganisationen Alarm. Sie befürchten eine Verwässerung des ursprünglich strengen Waldschutzes durch Lobbyismus.
Die wiederholten Verschiebungen untergraben aus ihrer Sicht die Glaubwürdigkeit des "European Green Deal". Jede Verzögerung bedeute weitere Waldverluste weltweit.
Gekaufte Zeit oder verpasste Chance?
Die Verschiebung auf Ende 2026 bietet eine doppelte Chance: Unternehmen können ihre Lieferketten vorbereiten, die EU-Kommission ihre IT-Probleme lösen.
Entscheidend wird, ob Brüssel die gewonnene Zeit für grundlegende Reformen nutzt. Die Einführung der geforderten Null-Risiko-Kategorie könnte den Durchbruch bringen.
Bleibt die Verordnung in ihrer jetzigen Form, droht sie an ihrer eigenen Komplexität zu scheitern. Das wäre weder gut für den Waldschutz noch für den Handel.