Österreichs Regierung zerreißt es beim Verbrenner-Aus. Während Kanzler Nehammer (ÖVP) gemeinsam mit Deutschland gegen das EU-Verbot für 2035 mobilisiert, verteidigt Klimaschutzministerin Gewessler (Grüne) den rein elektrischen Kurs. Die EU-Kommission signalisiert bereits eine vorgezogene Überprüfung der Regelung.

ÖVP und Grüne im Clinch

Nehammer und Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer fordern Technologieoffenheit statt Verbote. Synthetische Kraftstoffe müssten als gleichwertige Alternative anerkannt werden, so ihr Credo. "Es geht um Fortschritt, nicht um Verbote", betont der Kanzler. Bei einem Treffen mit der deutschen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche vereinbarten beide eine gemeinsame Linie.

Gewessler hält dagegen. Die Grünen-Ministerin sieht im Verbrenner-Aus planungssichere Bedingungen für die Industrie. E-Fuels seien nur Verzögerungstaktik, die Klimaziele gefährde. Der Verkehrsclub Österreich unterstützt diese Position: Ein E-Auto komme mit derselben Primärenergie neunmal so weit wie ein E-Fuel-Verbrenner.

300.000 Jobs auf dem Spiel

Die österreichische Wirtschaft bangt um ihre Existenz. Die Autoindustrie erwirtschaftet 18 Milliarden Euro und sichert bis zu 300.000 Arbeitsplätze. Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer warnen vor einem Kahlschlag.

Das Problem: Österreichs Zulieferer sind hochspezialisiert auf Verbrenner-Komponenten. Ein abrupter E-Mobilität-Zwang könnte Wertschöpfung und Jobs vernichten. Die Wirtschaft fürchtet zudem den "Havanna-Effekt" - Konsumenten halten aus Unsicherheit an alten Fahrzeugen fest und bremsen die Flottenerneuerung.

EU-Kommission rudert zurück

Brüssel zeigt sich gesprächsbereit. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigte eine vorgezogene Überprüfung des Verbrenner-Verbots an. Das Stichwort: "Technologieneutralität". Wien und Berlin werten das als Bestätigung ihres Kurses.

Die Fronten bleiben verhärtet. Deutschland, Österreich, Italien und Polen drängen auf Lockerung. Andere EU-Länder beharren auf dem strikten Zeitplan. Eine qualifizierte Mehrheit für eine Kursänderung ist noch nicht in Sicht.

Der Kompromiss nimmt Gestalt an

Eine neue Fahrzeugkategorie für reine E-Fuel-Autos könnte die Lösung bringen. Dieser Kompromiss wurde bereits 2023 zwischen Deutschland und der EU-Kommission vereinbart. Fahrzeuge dieser Kategorie dürften ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden.

Für Österreich bleibt die Zeit knapp. Die vorgezogene EU-Überprüfung könnte bereits nächstes Jahr Klarheit schaffen. Bis dahin muss die zerrissene Koalition eine gemeinsame Position finden - während die Automobilindustrie in der Warteschleife hängt und wichtige Investitionsentscheidungen aufschiebt.

Der Ausgang entscheidet nicht nur über die Zukunft des Verbrennungsmotors, sondern über die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Wirtschaftsstandorts Österreich.