EU startet digitale Revolution im Bauwesen

Die Europäische Union läutet eine neue Ära für nachhaltiges Bauen ein. Mit der überarbeiteten Bauproduktenverordnung und dem digitalen Produktpass stehen Hersteller und Planer vor grundlegenden Veränderungen.
Die am 7. Januar in Kraft getretene neue Bauproduktenverordnung ersetzt schrittweise die Regelung von 2011. Der Fokus verschiebt sich radikal: Statt nur Sicherheit und Leistung zu bewerten, rücken nun Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte ins Zentrum.
Hersteller müssen künftig detaillierte Informationen über die ökologische Nachhaltigkeit ihrer Produkte offenlegen. Dazu gehören CO₂-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus, Ressourcenverbrauch und Recyclingfähigkeit. Die erweiterten Anforderungen ermöglichen es Architekten und Bauherren, die Nachhaltigkeitsperformance direkt zu vergleichen.
Digitaler Fingerabdruck für jedes Bauteil
Das Herzstück der Reform ist der digitale Produktpass (DPP). Er fungiert als digitaler Zwilling für jedes Bauprodukt. Per QR-Code werden Informationen abrufbar:
- Genaue Materialzusammensetzung und Herkunft
- Enthaltene chemische Substanzen
- Anleitungen für Reparatur und Recycling
- Ökologischer Fußabdruck und Umweltkennzahlen
Der DPP soll eine echte Kreislaufwirtschaft im Bausektor etablieren. Er erleichtert die Wiederverwendung von Bauteilen und hochwertiges Recycling. Die rechtliche Grundlage bildet die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte, die bereits im Juli 2024 in Kraft trat.
Herausforderung für kleine Unternehmen
Die Umstellung belastet besonders kleine und mittelständische Unternehmen. Sie sehen sich mit erhöhtem administrativen Aufwand konfrontiert. Neue IT-Systeme und Mitarbeiterschulungen erfordern Investitionen.
Doch die Chancen überwiegen: Unternehmen, die frühzeitig auf nachhaltige Produkte setzen, sichern sich Wettbewerbsvorteile. Die Digitalisierung ermöglicht effizientere Planungsprozesse, etwa durch Integration der DPP-Daten in Building Information Modeling-Systeme.
Paradigmenwechsel zur Kreislaufwirtschaft
Die Neuregelung markiert mehr als eine technische Anpassung. Sie verschiebt den Fokus von der linearen "Nehmen-Herstellen-Entsorgen"-Wirtschaft hin zum zirkulären Modell. Die Bauindustrie steht damit im Zentrum der grünen Transformation.
Branchenverbände begrüßen die Ziele, mahnen jedoch eine praxistaugliche Umsetzung an. Die Schaffung funktionierender digitaler Infrastruktur und einheitlicher Standards gilt als erfolgsentscheidend.
Gestaffelte Einführung bis 2040
Die vollständige Umsetzung erfolgt schrittweise. Die neue Verordnung wird ab 8. Januar 2026 in voller Breite wirksam. Die alte Regelung läuft erst 2040 vollständig aus.
Der digitale Produktpass startet mit umweltrelevanten Produktgruppen wie Zement, Stahl und Dämmstoffen. Erste Verpflichtungen werden für 2027 und 2028 erwartet. Produkte ohne konformen digitalen Pass dürfen künftig nicht mehr in der EU verkauft werden.
Herstellern wird dringend empfohlen, sich bereits jetzt mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen. Wer zu spät reagiert, riskiert den Anschluss an den europäischen Markt.