EU-Stahlindustrie fordert Milliarden-Schutzschirm

Die europäische Stahl- und Aluminiumbranche steckt in der schwersten Krise seit Jahrzehnten. Während Billigimporte den Markt überfluten, kämpfen Hersteller mit hohen Energiekosten und sinken in die roten Zahlen. Seit 2018 gingen bereits 30.000 Jobs verloren - jetzt wächst der Ruf nach einem EU-weiten Rettungspaket.
Die Zahlen sind dramatisch: Die Werke liefen 2024 nur noch zu 67 Prozent ausgelastet. 30 Millionen Tonnen Stahlkapazität sind in den letzten Jahren weggebrochen. Hunderttausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.
Überkapazitäten fluten Europa mit Billigstahl
Das Kernproblem? Globale Überkapazitäten von 600 Millionen Tonnen Stahl - fünfmal mehr als die EU überhaupt nachfragen kann. Bis 2027 könnte diese Menge sogar auf 721 Millionen Tonnen explodieren.
Während die USA und Kanada ihre Märkte mit hohen Zöllen abschotten, prallen die umgeleiteten Billigimporte voll auf Europa. Das Ergebnis: Europäische Hersteller können beim Preiskampf nicht mithalten.
Österreich prescht vor: "Schutzschirm jetzt!"
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer macht diese Woche Druck. Seine Forderungen sind konkret:
- Unbefristete Schutzklauseln mit reduzierten Importquoten
- Höhere Zölle auf US-amerikanischem Niveau
- Reform des CO2-Grenzausgleichs (CBAM) gegen Schlupflöcher
"Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen", so der Minister. Die Zeit der Zurückhaltung sei vorbei.
2,5 Millionen Jobs in Gefahr
Die Stahlindustrie ist weit mehr als nur ein Industriezweig. Fast 300.000 direkte Arbeitsplätze in der EU hängen daran, indirekt sogar 2,5 Millionen. Ohne Stahl keine Autos, keine Maschinen, keine Windräder für die Energiewende.
Allein in Österreich sichert die Branche über 20.000 Jobs und erwirtschaftet 10 Milliarden Euro Wertschöpfung. Ein Kollaps würde einen Dominoeffekt durch ganz Europa auslösen.
Grüner Stahl kostet Milliarden
Erschwerend kommt die Dekarbonisierung der Produktion hinzu. "Grüner Stahl" mit Wasserstoff statt Kohle erfordert Milliardeninvestitionen. Konzerne wie Thyssenkrupp stecken mitten in diesem teuren Umbau - und streichen dabei tausende Stellen.
Die EU-Kommission hatte bereits im März einen Förderplan vorgelegt. Doch reicht das gegen die Billigkonkurrenz aus Asien?
Entscheidung fällt noch im Oktober
Mitte Oktober will die EU-Kommission über neue Schutzmaßnahmen entscheiden. Die Frage: Kann Europa seine Industrie retten, ohne einen Handelskrieg zu riskieren?
Die Zeit drängt. Ohne schnelle Hilfe droht dem Kontinent der Verlust seiner industriellen Souveränität. Was als Krise einer Branche begann, könnte zum Strukturwandel für ganz Europa werden.