Die EU will ihre Treibhausgase bis 2040 um 90 Prozent senken. Österreich, Deutschland und Frankreich haben die Entscheidung jedoch an die Staats- und Regierungschefs verwiesen – ein Schachzug, der die heimische Politik spaltet und die Wirtschaft alarmiert.

Der Kommissionsvorschlag vom Juli sieht eine rechtlich verbindliche Reduktion der Netto-Emissionen um 90 Prozent gegenüber 1990 vor. Als "Netto"-Ziel erlaubt er die Anrechnung von CO2-Entnahmen durch Technologien wie Direct Air Capture oder geologische Speicherung. Ab 2036 sollen zudem begrenzt internationale Klimazertifikate anrechenbar sein.

Regierung spielt auf Zeit – Grüne toben

Die Verlagerung vom Umweltministerrat zum EU-Gipfel ist hochbrisant. Während im Ministerrat eine qualifizierte Mehrheit genügt hätte, braucht es bei den Regierungschefs Einstimmigkeit.

Die Grünen sehen darin einen "Taschenspielertrick". Ex-Klimaministerin Leonore Gewessler wirft der Regierung vor, Viktor Orbán ein Vetorecht zu geben und den Klimaschutz zu sabotieren.

Die ÖVP kontert: Staatssekretär Alexander Pröll betont, man wolle "ambitionierte Klimaziele mit einem starken Standort kombinieren" und einen "Wirtschafts-Kahlschlag" verhindern. Bei derart weitreichenden Zielen sei eine Diskussion auf höchster Ebene notwendig.

Wirtschaft warnt vor Standort-Kahlschlag

Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer schlagen Alarm. Sie warnen vor "realitätsferner Symbolpolitik" und befürchten erhebliche Risiken für energieintensive Branchen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit stehe auf dem Spiel.

Umweltorganisationen kritisieren hingegen den Kommissionsvorschlag als unzureichend. Greenpeace und Global 2000 sehen in den internationalen Zertifikaten einen "Kniefall vor der Fossillobby" – das Problem werde nur verlagert, nicht gelöst.

Opposition gespalten, Fridays for Future mobilisiert

SPÖ und NEOS unterstützen das 90-Prozent-Ziel, die FPÖ lehnt die EU-Klimapolitik als "irrwitzig" ab. Die Klimabewegung Fridays For Future fordert ein klares Bekenntnis ohne Schlupflöcher.

Die Debatte offenbart ein fundamentales Dilemma: Länder mit starker Industrie fürchten eine Abwanderung von Unternehmen bei zu strengen Vorgaben. Befürworter argumentieren, nur klare Weichenstellungen würden die notwendigen Investitionen in grüne Technologien anstoßen.

Entscheidung beim EU-Gipfel Ende Oktober

Die kommenden Wochen werden von intensiven Verhandlungen geprägt sein. Für Österreichs Wirtschaft bedeutet das vor allem Unsicherheit über künftige Rahmenbedingungen.

Die Entscheidung ist brisant: Das 2040-Ziel dient als Grundlage für das UN-Klimaziel 2035 und wird die europäische Klimapolitik der nächsten Dekade prägen. Gleichzeitig steht die globale Position der EU im internationalen Klimaschutz auf dem Spiel.