EU-Kleinanlegerstrategie verzögert sich bis 2026

Die ambitionierte EU-Kleinanlegerstrategie steckt fest. Nach den Europawahlen 2024 kommen die entscheidenden Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat nur schleppend voran. Experten rechnen nicht vor Ende 2025 mit einer Einigung – möglicherweise erst im zweiten Quartal 2026.
Das bedeutet: Die neuen Regeln könnten erst Anfang 2028 vollständig in Kraft treten. Ein herber Rückschlag für die geplante Revolutionierung des Kapitalmarktzugangs für Privatpersonen.
Provisionsverbot spaltet die EU
Der Kern der Kontroverse liegt beim geplanten Provisionsverbot für reine Wertpapiergeschäfte ohne Beratung. Die EU-Kommission will damit Interessenkonflikte verhindern. Doch Parlament und Rat laufen Sturm.
Die Befürchtung: Banken könnten die Beratung für Kleinanleger einstellen, weil sie sich nicht mehr rentiert. Österreich, Deutschland und Frankreich haben sich bereits gegen ein pauschales Verbot positioniert.
Österreichs Wirtschaftskammer warnt: Vielen unabhängigen Vermittlern würde ihre Haupteinnahmequelle entzogen. Als Kompromiss schlägt der Rat einen "Zuwendungstest" vor – Provisionen sollen nur fließen, wenn sie dem Kundeninteresse dienen.
"Value for Money" sorgt für Aufruhr
Nicht weniger umstritten ist das "Value for Money"-Konzept. Die Kommission plant europäische Referenzwerte, an denen Anlageprodukte gemessen werden sollen. Überteuerte oder schwache Produkte sollen transparent werden und vom Markt verschwinden.
Die Finanzbranche sieht darin eine verdeckte Preisregulierung. Kritiker befürchten: Wichtige Faktoren wie Servicequalität oder Performance-Potenzial werden vernachlässigt. Der Wettbewerb könnte leiden.
Österreich sucht den Mittelweg
Österreich setzt auf einen ausgewogenen Kompromiss. Die offizielle Position betont die Kapitalmarktvertiefung und den Bürokratieabbau zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Das Problem: Übermäßige Dokumentationspflichten könnten das Gegenteil bewirken. Anstatt den Kapitalmarktzugang zu erleichtern, entstehen neue Hürden für Sparer. Der Beratungsaufwand wird untragbar.
Die Bundesarbeitskammer unterstützt zwar das Ziel, Kleinanleger zu stärken. Doch auch sie sieht die Details kritisch.
Paradigmenwechsel in der Finanzberatung
Die Strategie soll eine ganze Reihe von Regelwerken wie MiFID II grundlegend ändern. Das Ziel: Die geringe Beteiligung von Privathaushalten am Kapitalmarkt erhöhen. Billionen liegen auf niedrig verzinsten Sparkonten, während das Kapital für die grüne Transformation dringend gebraucht wird.
Branchenverbände kontern: Das Provisionsverbot führt zum Beratungssterben. Millionen Bürgern wird der Kapitalmarktzugang erschwert. Nach dem ersten Trilog im März wurde die Kommission bereits zur Vereinfachung ihrer Vorschläge aufgefordert.
Entscheidung am 21. Oktober?
Der nächste politische Trilog am 21. Oktober gilt als wegweisend. Dort zeigt sich, ob die verhärteten Positionen aufweichen. Scheitert eine Einigung, verzögert sich das Gesetzespaket weiter.
Für Finanzdienstleister und Anleger bedeutet das anhaltende Unsicherheit. Klar ist nur: Die Regeln für Anlageberatung werden neu definiert. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie tiefgreifend die Änderungen ausfallen.