Brüssel steht vor wichtigen Verhandlungen zur EU-Kleinanlegerstrategie. Am 21. Oktober findet der vierte politische Trilog statt, bei dem Parlament, Rat und Kommission über die Zukunft der Anlageberatung für Millionen Bürger entscheiden.

Die Retail Investment Strategy soll die Beteiligung von Privatanlegern an Kapitalmärkten stärken. Doch Provisionsverbot und "Value for Money"-Konzept spalten weiterhin die Verhandlungsführer.

Provisionsstreit blockiert Fortschritte

Das ursprünglich geplante Provisionsverbot sorgt für heftige Diskussionen. Die Kommission wollte Zuwendungen bei reinen Ausführungsgeschäften ohne Beratung verbieten - ein Vorstoß gegen Interessenkonflikte.

Parlament und Rat stellten sich jedoch quer. Ihre Sorge: Kleinanleger könnten den Zugang zu günstiger Beratung verlieren. Als Alternative entwickelte der Rat einen "Zuwendungstest", der sicherstellen soll, dass Provisionen nur im Kundeninteresse fließen.

Branchenverbände warnen vor dramatischen Folgen. Eine Studie prognostiziert einen drastischen Rückgang der Versicherungsmakler bei einem kompletten Provisionsverbot.

"Value for Money" spaltet die Branche

Noch umstrittener ist das Kostentransparenz-Konzept. Die Kommission will Anlageprodukte mit europäischen Referenzwerten vergleichen - teure und schwache Produkte sollen verschwinden.

Die Kritik der Finanzbranche ist harsch: Banken und Versicherungen sehen darin eine verdeckte Preisregulierung. Der reine Kostenfokus vernachlässige wichtige Faktoren wie Performance oder Service.

Nach der ersten Trilog-Runde musste die Kommission ihre Vorschläge bereits vereinfachen. Die grundsätzlichen Bedenken blieben jedoch bestehen.

Komplexes Regelwerk mit unklarem Zeitplan

Die Retail Investment Strategy ist als Omnibus-Gesetz konzipiert und ändert bestehende Regelwerke wie MiFID II und die Versicherungsvertriebsrichtlinie grundlegend. Das Ziel: privates Kapital für die grüne und digitale Transformation mobilisieren.

Branchenvertreter unterstützen das Ziel, kritisieren aber die Umsetzung als zu komplex und praxisfern. Viele Details sollen erst in nachgelagerten technischen Standards geregelt werden - Rechtsunsicherheit für Jahre.

Einigung vor Jahresende fraglich

Die Positionen bleiben in Schlüsselfragen verhärtet. Experten erwarten eine politische Einigung frühestens Ende 2025, möglicherweise erst im zweiten Quartal 2026.

Ein weiterer Streitpunkt: die Übergangsfrist. Das Parlament will 18 Monate, der Rat 36 Monate. Ein Kompromiss bei 30 Monaten würde bedeuten, dass die neuen Regeln realistisch erst Anfang 2028 vollständig greifen.

Für Finanzdienstleister und Anleger bleibt die Entwicklung spannend - die nächste Verhandlungsrunde könnte wegweisend werden.