Die EU-Kommission stellt ihre Fusionskontrolle auf den Prüfstand. Grund: Europäische Unternehmen sollen besser gegen US- und chinesische Giganten bestehen können.

Eine intensive Debatte über die Zukunft der europäischen Fusionskontrolle prägt derzeit Brüssels wirtschaftspolitische Agenda. Angesichts des wachsenden globalen Wettbewerbsdrucks fordern Wirtschaftsverbände und mehrere Mitgliedstaaten eine grundlegende Neuausrichtung.

Im Zentrum steht eine brisante Frage: Sollen Fusionen künftig stärker unter dem Aspekt der "europäischen Champions" bewertet werden - also Unternehmen, die auf der Weltbühne bestehen können?

Kommission startet umfassende Reform der Leitlinien

Die Europäische Kommission hat bereits reagiert und eine öffentliche Konsultation zur Überprüfung ihrer Fusionskontroll-Leitlinien gestartet. Die bestehenden Regelwerke sind seit fast zwei Jahrzehnten in Kraft.

Neue Bewertungskriterien im Fokus:
* Innovation und globale Wettbewerbsfähigkeit
* Resilienz und Nachhaltigkeit
* Zukunftsorientierte Marktbetrachtung

Die Frist für Stellungnahmen endete Anfang September - erste Vorschläge dürften bald folgen.

Deutschland und Frankreich treiben Lockerung voran

Besonders Deutschland und Frankreich hatten eine flexiblere Fusionskontrolle gefordert. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) argumentiert, die Kommission müsse eine "zukunftsorientierte, globale Marktbetrachtung" vornehmen.

Die Kritik: Die bisherige Analyse sei zu statisch und überbewerte kurzfristige Preiseffekte. Dynamische Faktoren wie Innovationskraft und langfristige Wettbewerbsfähigkeit kämen zu kurz.

Verbraucherschützer warnen vor Aufweichung

Doch es gibt auch Widerstand. Kritiker warnen davor, die Fusionskontrolle industriepolitischen Zielen unterzuordnen. Eine Aufweichung könne zulasten der Verbraucher und kleinerer, innovativer Unternehmen gehen.

Die Kommission betont: Wettbewerbsfähigkeit entstehe vor allem durch einen funktionierenden Binnenmarkt, in dem Unternehmen unter gleichen Bedingungen konkurrieren.

Siemens-Alstom als Wendepunkt

Die Debatte ist nicht neu, hat aber durch die Untersagung der Siemens-Alstom-Fusion 2019 an Schärfe gewonnen. Die Kommission blockierte damals den geplanten Bahnriesen - und löste eine Welle der Kritik aus.

Der Draghi-Report zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit von September 2024 erhöhte den Reformdruck zusätzlich. Die Empfehlung: Innovations- und Wettbewerbspotenzial bei Fusionen stärker gewichten.

Was kommt als nächstes?

Die neue EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera steht vor einem Balanceakt. Sie muss globale Wettbewerbsfähigkeit fördern, ohne die Grundpfeiler des Binnenmarktes zu gefährden.

Erste Entwürfe für überarbeitete Leitlinien werden in den kommenden Monaten erwartet. Wahrscheinlich ist eine evolutionäre Weiterentwicklung statt einer radikalen Wende.

Mögliche Neuerungen:
* Stärkere Gewichtung von Effizienzgewinnen
* Erweiterte Definition globaler Märkte
* Mehr Fokus auf Innovationspotenzial

Die anstehenden Entscheidungen werden wegweisend dafür sein, wie Europa seine wirtschaftliche Souveränität im 21. Jahrhundert definiert.