Die EU testet ihre reformierten Fiskalregeln erstmals in der Praxis. Diese Woche legen die Mitgliedstaaten ihre Haushalte für 2025 vor – der erste echte Test für den neuen Stabilitätspakt.

Nach jahrelanger Kritik am starren alten System traten die überarbeiteten Regeln im April 2024 in Kraft. Jetzt zeigt sich, ob die Flexibilisierung funktioniert oder neue Probleme schafft.

Neue Regeln, alte Spannungen

Der reformierte Stabilitätspakt setzt auf länderspezifische Ausgabenpfade statt Einheitslösungen. Jeder Mitgliedstaat entwickelt mittelfristige Pläne über vier bis fünf Jahre.

Die Schuldenregeln bleiben strikt:
* Länder mit Schuldenquote über 90% des BIP: Jährlicher Abbau um mindestens 1 Prozentpunkt
* Schuldenquote zwischen 60-90% des BIP: Abbau um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr

Doch schon die ersten Verhandlungen zeigen Reibungspunkte. Während die Kommission auf glaubwürdigen Schuldenabbau pocht, fordern Hauptstädte Spielraum für Investitionen in Verteidigung und grüne Transformation.

Deutschland zwischen Strenge und Pragmatismus

Als größte EU-Volkswirtschaft prägte Deutschland die Reform maßgeblich mit. Die Bundesregierung setzte verbindliche Mindestnormen für den Schuldenabbau durch – ein Zugeständnis an die Finanzmärkte.

Gleichzeitig profitiert Deutschland massiv vom EU-Binnenmarkt und zahlt als größter Nettozahler kräftig ein. Die Balance zwischen fiskalischer Strenge und europäischer Solidarität wird zum Balanceakt.

Österreich unter Druck

Besonders brisant wird es für hochverschuldete Länder wie Österreich. Dort droht bereits ein Verfahren wegen übermäßigen Defizits, wenn die 3-Prozent-Grenze gerissen wird.

Die Debatten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zeigen: Der neue Pakt mag flexibler sein, der Konsolidierungsdruck bleibt real.

Kommission am Zug

November wird entscheidend: Dann veröffentlicht die Kommission ihre Bewertungen der nationalen Haushaltsentwürfe. Bei Abweichungen vom vereinbarten Pfad kann sie Korrekturen verlangen oder Defizitverfahren einleiten.

Die Verhandlungen dürften bis in den späten Herbst dauern. Danach entscheiden die nationalen Parlamente und der EU-Rat über die 2025er-Haushalte.

Der Ausgang dieses ersten Zyklus wird zeigen, ob die EU aus vergangenen Krisen gelernt hat. Gelingt die Balance zwischen Schuldendisziplin und Wachstumsförderung? Die nächsten Monate geben die Antwort.