Irrtum 1: In der Probezeit besteht kein Urlaubsanspruch

Ein weit verbreitetes Missverständnis besagt, dass Arbeitnehmer während der Probezeit keinen Anspruch auf Urlaub hätten. Gemäß § 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) entsteht der volle Urlaubsanspruch tatsächlich erst nach einer Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten. Wie Giuseppe D'Antuono, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Neckarsulm, erklärt, erwerben dennoch Arbeitnehmer bereits in dieser Zeit anteilig Urlaubsansprüche. Für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses entsteht ein Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs.

Daher können auch während der Probezeit Urlaubstage genommen werden, sofern keine dringenden betrieblichen Gründe oder Urlaub von Kollegen dagegensprechen. Ein pauschaler Verweis auf die Probezeit als Grund für die Verweigerung von Urlaub ist unzulässig. Bei einer Kündigung während der Probezeit muss der noch zustehende Resturlaub vom Arbeitgeber gewährt oder, falls dies nicht möglich ist, ausbezahlt werden. ​

Irrtum 2: Mehr als zwei Wochen Urlaub am Stück sind unzulässig

Gemäß § 7 Absatz 2 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) ist es Arbeitnehmern gestattet, ihren gesamten Jahresurlaub am Stück zu nehmen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, diesen Wunsch zu berücksichtigen, es sei denn, dringende betriebliche Gründe oder vorrangige Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer stehen dem entgegen.

Solche betrieblichen Gründe können beispielsweise personelle Engpässe, die fristgerechte Erfüllung von Aufträgen oder saisonale Hochphasen sein. In solchen Fällen muss der Arbeitgeber den Urlaubsantrag ablehnen und seine Entscheidung präzise begründen. Ohne triftige Gründe ist eine Ablehnung des Urlaubsantrags nicht zulässig.

Irrtum 3: Der Resturlaub verfällt automatisch am 31. März

Gemäß § 7 Absatz 3 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) ist der Erholungsurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Eine Übertragung in das Folgejahr ist nur aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen zulässig. In solchen Fällen muss der übertragene Urlaub bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden, andernfalls verfällt er.​

Allerdings ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer rechtzeitig und deutlich über den bestehenden Urlaubsanspruch und den drohenden Verfall hinzuweisen. Unterlässt der Arbeitgeber diese Hinweispflicht, verfällt der Urlaubsanspruch nicht. Dies bedeutet, dass der Urlaub auch über den 31. März hinaus erhalten bleibt, bis der Arbeitgeber seiner Informationspflicht nachgekommen ist. ​

Bei einer langfristigen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Das bedeutet, dass der Urlaub spätestens am 31. März des übernächsten Jahres verfällt, sofern der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig war. ​

Irrtum 4: Arbeitgeber sind zur Zahlung von Urlaubsgeld verpflichtet

Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, dass Arbeitnehmer in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsgeld hätten. Tatsächlich existiert kein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf diese Sonderzahlung. Ein Anspruch auf Urlaubsgeld kann sich jedoch aus verschiedenen Quellen ergeben, insbesondere aus dem Arbeitsvertrag, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber verpflichtet, die vereinbarte Leistung zu erbringen. ​

Ein weiterer möglicher Entstehungsgrund für einen Anspruch auf Urlaubsgeld ist die sogenannte betriebliche Übung. Dieser Begriff beschreibt eine regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, dass ihm diese Leistungen auch in Zukunft zustehen. Beispielsweise kann die wiederholte, vorbehaltlose Zahlung von Urlaubsgeld über mindestens drei Jahre hinweg dazu führen, dass der Arbeitnehmer einen rechtlichen Anspruch auf diese Leistung erwirbt. ​

Um die Entstehung einer betrieblichen Übung zu vermeiden, können Arbeitgeber einen sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt aussprechen. Dieser muss klar und verständlich formuliert sein und dem Arbeitnehmer deutlich machen, dass auch bei wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft entsteht. ​

Irrtum 5: Nicht genommener Urlaub wird immer ausgezahlt

Das Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass Urlaub in erster Linie der Erholung dient und daher in natura gewährt werden muss. Eine finanzielle Abgeltung nicht genommener Urlaubstage ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Eine Ausnahme besteht, wenn eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine tatsächliche Inanspruchnahme des Urlaubs unmöglich macht. In diesem Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, die verbleibenden Urlaubstage finanziell auszugleichen. 

Bei vertraglich vereinbartem Zusatzurlaub, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht, können individuelle Regelungen greifen. Arbeitgeber können in solchen Fällen festlegen, ob eine Auszahlung oder eine verpflichtende Inanspruchnahme des Urlaubs vorgesehen ist. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung, wenn der Arbeitnehmer verstirbt und noch offene Urlaubstage vorhanden sind. In diesem Fall geht die Zahlung auf die Erben über.

Irrtum 6: Unternehmen dürfen Arbeitnehmer aus dem Urlaub zurückholen

Ein einseitiger Abbruch des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Das Bundesarbeitsgericht sieht eine Rückholung aus dem Urlaub nur dann als gerechtfertigt an, wenn zwingende betriebliche Notwendigkeiten vorliegen und keine andere Lösung möglich ist. Dabei muss es sich um eine existenzbedrohende Situation für das Unternehmen handeln, etwa wenn der Fortbestand des Betriebs oder eine unverzichtbare Aufgabe in Gefahr ist.

Sollte eine solche Notlage eintreten, trägt der Arbeitgeber sämtliche entstehenden Kosten. Dazu gehören beispielsweise Stornogebühren für bereits gebuchte Hotels oder Rückreisekosten. Eine einfache Personalunterbesetzung oder ein hoher Arbeitsaufwand reichen jedoch nicht aus, um einen Urlaub abzubrechen. Umgekehrt kann ein Arbeitnehmer den bereits genehmigten Urlaub ebenfalls nicht ohne Zustimmung des Arbeitgebers verschieben oder zurückziehen. Eine Änderung ist nur möglich, wenn beide Seiten zustimmen.

Irrtum 7: Jeder Arbeitgeber muss den vollen Jahresurlaub gewähren

Ein Arbeitsplatzwechsel bedeutet nicht automatisch, dass der volle Jahresurlaub erneut gewährt wird. Das Bundesurlaubsgesetz stellt sicher, dass Arbeitnehmer innerhalb eines Kalenderjahres keinen doppelten Urlaubsanspruch geltend machen können. Die bereits beim vorherigen Arbeitgeber genommenen Urlaubstage werden bei der Berechnung des neuen Anspruchs berücksichtigt.

Der neue Arbeitgeber kann jedoch mehr Urlaub gewähren, als der gesetzliche Mindestanspruch vorsieht. Dies hängt von den individuellen Regelungen des Unternehmens oder von tariflichen Vereinbarungen ab. Um den tatsächlichen Urlaubsanspruch korrekt zu ermitteln, dient eine Bescheinigung des vorherigen Arbeitgebers über die bereits genommenen Urlaubstage.

Sollte beim bisherigen Arbeitgeber noch Resturlaub bestehen, der nicht mehr genommen werden kann, erfolgt eine finanzielle Abgeltung. Eine Rückforderung bereits genommener Urlaubstage durch den neuen Arbeitgeber ist nicht zulässig.

Irrtum 8: Der Urlaubsanspruch erlischt ohne Ausnahme nach drei Jahren

Grundsätzlich unterliegt der Urlaubsanspruch der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt jedoch erst, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachgekommen ist. Das bedeutet, dass der Urlaub nicht automatisch verfällt, sondern nur dann verjähren kann, wenn der Arbeitnehmer zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die offenen Urlaubstage noch genommen werden müssen und andernfalls verfallen.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil klargestellt, dass es in der Verantwortung des Arbeitgebers liegt, seine Mitarbeiter rechtzeitig über ihren Urlaubsanspruch zu informieren. Solange diese Pflicht nicht erfüllt wurde, bleibt der Urlaub bestehen und kann auch über mehrere Jahre hinweg angesammelt werden.

Diese Regelung soll sicherstellen, dass Arbeitnehmer nicht durch Versäumnisse oder fehlende Aufklärung benachteiligt werden. Wer also über mehrere Jahre hinweg nicht auf seinen Resturlaub hingewiesen wurde, kann diesen auch später noch einfordern.

Irrtum 9: Wer im Ausland erkrankt, kann den Urlaub nicht nachholen

Erkrankungen während des Urlaubs führen nicht automatisch zu einem Verlust der betroffenen Urlaubstage. Sofern eine Krankheit vorliegt, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führt, werden diese Tage nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet. Voraussetzung dafür ist jedoch ein ärztliches Attest, das die Dauer und den Umfang der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Nicht jede Erkrankung rechtfertigt eine Rückerstattung der Urlaubstage. Entscheidend ist, ob die gesundheitliche Beeinträchtigung dazu geführt hätte, dass die beruflichen Tätigkeiten nicht ausgeübt werden könnten. Leichte Beschwerden oder Verletzungen, die keine Einschränkung für die jeweilige Tätigkeit bedeuten, gelten in der Regel nicht als Arbeitsunfähigkeit.

Die während des Urlaubs nachgewiesenen Krankheitstage werden dem verbleibenden Urlaubsanspruch gutgeschrieben und können zu einem späteren Zeitpunkt genommen werden. Eine nachträgliche Verlängerung des Urlaubs erfolgt jedoch nicht automatisch, sondern muss mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden.

Irrtum 10: Führungskräfte müssen im Urlaub immer erreichbar sein

Führungskräfte unterliegen denselben arbeitsrechtlichen Regelungen wie alle anderen Arbeitnehmer und haben ein Recht auf vollständige Erholung während ihres Urlaubs. Das Arbeitszeitgesetz sowie das Bundesurlaubsgesetz sehen keine Verpflichtung zur Erreichbarkeit während der freien Tage vor. Der Grundsatz des Urlaubs besteht darin, Abstand vom Arbeitsalltag zu gewinnen, und das gilt unabhängig von der Position im Unternehmen.

In der Praxis kommt es jedoch häufig vor, dass Führungskräfte auch während des Urlaubs kontaktiert werden. Obwohl dies in vielen Unternehmen als selbstverständlich angesehen wird, bleibt es eine freiwillige Entscheidung des Einzelnen, ob auf E-Mails oder Anrufe reagiert wird. Eine Verpflichtung dazu besteht nicht. Um eine klare Abgrenzung zwischen Arbeits- und Erholungszeit sicherzustellen, kann es sinnvoll sein, betriebsinterne Vertretungsregelungen im Vorfeld zu treffen und Dienstgeräte während der Urlaubszeit ausgeschaltet zu lassen.