Die Rückkehr der Investoren: Zwischen KI-Euphorie und China-Realitäten

Lieber Leser,

während die Börsen weltweit neue Rekorde jagen und die FIA in Thailand über die Zukunft der Mobilität diskutiert, zeigt sich in den Märkten ein faszinierendes Paradoxon: Die gleiche Technologie, die unseren Alltag revolutioniert, wird an der Börse gerade neu bewertet – und das nicht immer nach oben. Heute werfen wir einen Blick auf die Gewinner und Verlierer der aktuellen Marktdynamik und fragen uns: Ist die Party vorbei oder fängt sie gerade erst an?

Wenn der Yuan zur Leitwährung wird – zumindest teilweise

Die Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) lesen sich wie ein geopolitischer Thriller in Tabellenform. Der Anteil des chinesischen Yuan am globalen Devisenhandel ist seit 2010 um sagenhafte 912 Prozent gestiegen – von 0,8 auf heute 8,1 Prozent. Das USD/CNY-Paar gehört mittlerweile zu den vier wichtigsten Währungspaaren weltweit.

Was auf den ersten Blick nach einer technischen Statistik aussieht, ist in Wahrheit ein Erdrutsch im globalen Finanzsystem. Die sieben wichtigsten Währungspaare machten 2022 noch 85 Prozent des Handels aus, heute sind es nur noch 66,3 Prozent. Die Dominanz des Dollars bröckelt – langsam, aber stetig.

Für europäische Unternehmen bedeutet das konkret: Der Handel mit Asien wird zunehmend in Yuan abgewickelt. BASF und Siemens experimentieren bereits mit Yuan-Fakturierung für ihre China-Geschäfte. Samsung und Apple zahlen ihre chinesischen Zulieferer vermehrt in der Landeswährung. Was früher undenkbar war, wird zur neuen Normalität.

Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis gezielter Politik. China nutzt seine Position als Werkbank der Welt, um seine Währung zu internationalisieren. Und Europa? Muss sich darauf einstellen, dass der Euro in Asien zunehmend zur Nebenwährung wird.

Der deutsche Rentner: Arm trotz Arbeit?

Während in den Chefetagen über Milliarden jongliert wird, kämpft jeder fünfte deutsche Rentner mit maximal 1.400 Euro netto im Monat. Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts zeichnen ein düsteres Bild der Altersversorgung in Deutschland.

Die Schere zwischen den Geschlechtern ist besonders erschreckend: Frauen erhalten im Schnitt 36,9 Prozent weniger Rente als Männer – selbst wenn man Hinterbliebenenrenten einrechnet. Ohne diese "abgeleiteten Ansprüche" wächst die Lücke auf fast 40 Prozent.

Das wahre Drama zeigt sich in den Details: 739.000 Menschen beziehen mittlerweile Grundsicherung im Alter – ein Anstieg von 31 Prozent seit 2020. Die Ukraine-Krise hat diese Entwicklung verschärft, ist aber nicht allein verantwortlich. Es ist ein strukturelles Problem, das Merz' geplante "Aktivrente" kaum lösen wird.

Die Idee, Rentner sollen bis zu 2.000 Euro steuerfrei dazuverdienen können, klingt charmant. Doch wer mit 70 noch kellnern oder Regale einräumen muss, tut das selten aus Langeweile. Die Sozialverbände warnen bereits: Diese "Reform" könnte die Ungleichheit weiter verschärfen, da vor allem gut situierte Rentner profitieren würden.

Tineco und die Kunst des perfekten Timings

Während die Welt über KI-Revolution und Währungskriege debattiert, macht ein chinesischer Staubsaugerhersteller vor, wie man leise aber stetig einen Milliardenmarkt erobert. Tineco, 1998 gegründet und seit 2019 mit "smarten" Reinigungsgeräten am Markt, beherrscht laut Euromonitor mittlerweile den weltweiten Markt für Wischsauger.

Das Timing für die Prime-Day-Offensive könnte kaum besser sein: Der Herbst bringt Matsch und Laub, die Feiertage stehen vor der Tür – und die Deutschen putzen wie verrückt. Mit Preisen zwischen 200 und 600 Euro positioniert sich Tineco geschickt zwischen Billig-Importen und Premium-Marken wie Dyson.

Die wahre Innovation liegt im Detail: Der "FLOOR ONE S7 Stretch Steam" nutzt 160°C heißen Dampf zur chemiefreien Reinigung – ein Verkaufsargument, das im umweltbewussten Europa zieht. Gleichzeitig integriert das Unternehmen KI-Features wie automatische Schmutzerkennung und selbstregulierende Saugkraft.

Es ist diese Mischung aus technischer Innovation und kulturellem Fingerspitzengefühl, die chinesische Unternehmen zunehmend gefährlich für etablierte westliche Marken macht. Nicht mit Dumping-Preisen, sondern mit cleveren Produkten, die genau den Nerv der Zeit treffen.

Die E-Auto-Lücke: Wenn Wunsch und Wirklichkeit kollidieren

In der Schweiz zeigt sich exemplarisch, was auch Deutschland bevorsteht: Die E-Mobilität stagniert bei etwa 32 Prozent Marktanteil – weit entfernt vom 50-Prozent-Ziel für 2025. Und das, obwohl zwei Drittel aller Neuwagen mindestens einen Hybridantrieb haben.

Der Grund ist banal und fundamental zugleich: Die Politik sendet widersprüchliche Signale. Erst werden E-Autos gefördert, dann mit Importsteuern belegt. Ab 2030 sollen sie in der Schweiz sogar zusätzlich besteuert werden. Kein Wunder, dass Käufer verunsichert sind.

Die Autoimporteure schlagen Alarm: Dreistellige Millionenbeträge an CO2-Strafzahlungen drohen, weil die unrealistischen Vorgaben nicht erfüllt werden können. Es ist ein Teufelskreis: Die Politik setzt Ziele, torpediert aber gleichzeitig deren Erreichung.

In China hingegen, wo Ecovacs (der Staubsauger-Konkurrent von Tineco) dieses Jahr um 90 Prozent zulegte, boomt die E-Mobilität. Der Unterschied? Klare politische Vorgaben, massive Förderung und vor allem: Keine Kehrtwenden alle paar Monate.

Der Blick nach vorn

Die kommende Woche wird spannend: Am Dienstag veröffentlicht Italien seinen neuen Haushaltsplan – mit einem überraschend ambitionierten Defizitziel von unter 3 Prozent. Das könnte die EU-Kommission besänftigen und Italien aus dem Defizitverfahren befreien.

Am Mittwoch dann die US-Arbeitsmarktdaten – der erste große Test für die Fed nach ihrer Zinssenkung. Und am Freitag startet in Deutschland der Prime Day, bei dem nicht nur Tineco seine smarten Sauger anpreist, sondern auch die Frage im Raum steht: Wie viel Kaufkraft haben die Deutschen wirklich noch?

Die Märkte bleiben volatil, die Politik unberechenbar, und irgendwo dazwischen versuchen Unternehmen wie WEW (dessen Aktie trotz Transformation immer noch bei mickrigen 3,5x EBITDA handelt) zu beweisen, dass solide Geschäftsmodelle am Ende doch gewinnen.

Vielleicht ist das die wichtigste Lektion dieser Tage: Während alle auf die nächste KI-Revolution oder den großen Crash warten, machen die stillen Gewinner einfach ihr Ding. Ob das nun chinesische Staubsaugerhersteller sind, die den Weltmarkt erobern, oder deutsche E-Commerce-Unternehmen, die geduldig ihre Margen ausbauen.

In diesem Sinne: Bleiben Sie neugierig – und skeptisch.

Ihr Eduard Altmann

P.S.: Die FIA diskutiert übrigens in Thailand über "sichere Helme für Asien". Angesichts der Tatsache, dass dort 200 Millionen Menschen täglich Motorroller fahren, ist das vermutlich wichtiger als jede Börsenrally. Manchmal hilft es, die Perspektive zu wechseln.


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Übrigens, während deutsche Mittelständler wie WEW noch unter dem Radar fliegen, eröffnet sich im Chip-Sektor gerade eine deutlich größere Gelegenheit. Der geopolitische Wettlauf um Halbleiter entscheidet über die nächsten Jahrzehnte technologischer Dominanz – und früh positionierte Investoren könnten massiv profitieren. Wenn Sie genauer wissen wollen, welches europäische Tech-Unternehmen derzeit als die „neue Nvidia“ gehandelt wird und warum manche Analysten hier Potenziale von über 20.000 % sehen, finden Sie die Details in dieser kompakten Analyse: Mehr dazu hier.