Deutschland stimmt für 90 Prozent weniger Treibhausgase bis 2040. Nach wochenlangen Koalitionsdebatten folgt Berlin dem EU-Kommissionsvorschlag - trotz heftiger Kritik aus der Wirtschaft.

Die Bundesregierung setzt damit ein starkes Signal für die europäische Klimapolitik. Das neue Ziel soll die Emissionen um 90 Prozent gegenüber 1990 senken und den Weg zur Klimaneutralität 2050 ebnen.

Industrie schlägt Alarm

Die deutsche Wirtschaft läuft Sturm gegen den Beschluss. "Nicht realistisch" - so die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Bereits das 2030-Ziel von minus 55 Prozent werde verfehlt, warnt eine aktuelle DIHK-Studie.

Der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks befürchtet "tiefe Verunsicherung in der Breite der Wirtschaft". Steigende Energiekosten und Produktionsverlagerungen ins Ausland drohen.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie Vertreter der Chemie- und Automobilindustrie üben scharfe Kritik. Sie fordern mehr Realismus statt immer neuer Klimaziele.

Massive Investitionen nötig

Das 90-Prozent-Ziel verlangt einen radikalen Wirtschaftsumbau:

  • Erneuerbare Energien: Über 80 Prozent im Stromsektor
  • E-Mobilität: 75 Prozent Elektrifizierung im Verkehr
  • Gebäude: Halbierung des Energieverbrauchs
  • Neue Technologien: Grüner Wasserstoff und CO₂-Speicherung

Doch Experten zweifeln an der Verfügbarkeit dieser Schlüsseltechnologien. Was passiert, wenn grüner Wasserstoff nicht rechtzeitig marktreif wird? Oder Fachkräfte für den Umbau fehlen?

Flexibilität als Kompromiss

Deutschland knüpft seine Zustimmung an Bedingungen. Bis zu drei Prozent der Emissionsreduktion sollen durch internationale Klimaschutzprojekte oder CO₂-Entnahmen kompensiert werden dürfen.

Umweltverbände kritisieren diese "buchhalterischen Tricks". Sie schwächen echte Emissionsminderungen in der EU ab, so der Vorwurf.

Europas größter Emittent setzt Zeichen

Als größte EU-Volkswirtschaft trägt Deutschland besondere Verantwortung. Die Positionierung Berlins beeinflusst andere Mitgliedstaaten erheblich.

Der Konflikt spiegelt ein europaweites Dilemma wider: Klimaschutz gegen Wirtschaftssorgen. Kann die EU ihre Industriebasis halten und trotzdem Klimavorreiter bleiben?

Entscheidung steht noch aus

Die finale EU-Entscheidung fällt beim Rat der Umweltminister und im Europäischen Parlament. Deutschland hat mit seiner Positionierung den Grundstein gelegt.

Der "Clean Industrial Deal" soll die Industrie beim Umbau unterstützen. Doch die Details sind offen. Wie viel kostet die Transformation? Und wer zahlt?

Für Deutschland bedeutet das 90-Prozent-Ziel: Die nationalen Klimapläne müssen grundlegend überarbeitet werden. Der Praxistest beginnt jetzt.