Deutschland wagt den großen Sprung in die digitale Verwaltung. Mit dem neuen Onlinezugangsgesetz 2.0, das im Sommer in Kraft trat, will die Bundesrepublik ihre chronisch analoge Bürokratie endlich ins 21. Jahrhundert katapultieren.

Das Versprechen ist groß: Ein einheitliches digitales Bürgerkonto, das lästige Behördengänge überflüssig macht. Daten, die nur noch einmal eingegeben werden müssen. Und ein Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsdienstleistungen. Kann Deutschland damit seinen Ruf als digitales Entwicklungsland abschütteln?

Die DeutschlandID: Ein Konto für alles

Das Herzstück der Reform trägt den Namen "BundID" – später soll daraus die umfassende "DeutschlandID" werden. Dieses zentrale Bürgerkonto soll das Chaos unterschiedlicher Passwörter und Portale beenden.

Stattdessen loggen sich Bürger künftig mit der Online-Funktion ihres Personalausweises oder ihrem ELSTER-Zertifikat ein. Ein digitales Postfach ermöglicht verschlüsselte Kommunikation mit den Behörden – vom Antrag bis zum Bescheid läuft alles online ab.
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Das klingt revolutionär für ein Land, in dem Faxgeräte in manchen Ämtern noch zur Standardausstattung gehören.

Schluss mit dem Datenmarathon

Besonders spannend wird das "Once-Only-Prinzip": Geburtsurkunden, Gewerbeanmeldungen und andere Dokumente müssen nur noch einmal eingereicht werden. Die Behörden holen sich fehlende Informationen künftig selbst – natürlich nur mit Zustimmung der Bürger.

Die Voraussetzung dafür ist gewaltig: Bis 2028 sollen 51 zentrale Verwaltungsregister digitalisiert und vernetzt werden. Ein Mammutprojekt, das als Rückgrat der gesamten Reform gilt.

Neues Ministerium als Digitalisierungs-Turbo

Um dem Flickenteppich der deutschen Digitalpolitik ein Ende zu setzen, schuf die Regierung im Mai ein eigenes Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung. Minister Karsten Wildberger bündelt nun Kompetenzen, die zuvor auf sechs verschiedene Behörden verteilt waren.

Seine Mission: Aus institutionellem Chaos soll koordinierte Digitalpolitik werden. Das Ministerium überwacht die digitale Identität, den Breitbandausbau und die IT-Infrastruktur des Bundes.

Harte Fristen für träge Behörden

Das Gesetz macht Druck: Binnen fünf Jahren müssen alle bundesweiten Unternehmensdienstleistungen ausschließlich digital verfügbar sein. Ab 2028 haben Bürger einen einklagbaren Rechtsanspruch auf elektronische Bundesservices.

Diese Termine sind bewusst ambitioniert gesetzt. Das erste Onlinezugangsgesetz von 2017 scheiterte krachend an seinen eigenen Zielen – von 575 geplanten digitalen Services waren bis Ende 2022 längst nicht alle online.

Der steinige Weg zum E-Government

Warum tut sich Deutschland so schwer mit der Digitalisierung? Die föderale Struktur mit 16 eigenständigen Bundesländern schuf über Jahrzehnte einen IT-Flickenteppich. Dazu kommt deutsche Gründlichkeit beim Datenschutz und eine tief verwurzelte Papierkultur in den Amtsstuben.

Während Estland bereits vor zwei Jahrzehnten seine Verwaltung digitalisierte, kämpft Deutschland noch immer mit den Grundlagen. Das OZG 2.0 soll diesen Rückstand aufholen – durch einheitliche Standards und zentrale Koordination.

Erfolg hängt an der Umsetzung

Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Deutschland den digitalen Durchbruch schafft. Bis 2026 müssen die technischen Standards stehen, bis 2028 die Register vernetzt sein.

Der Zeitplan ist sportlich, die Hürden hoch. Doch erstmals seit Jahren herrscht Aufbruchstimmung in der deutschen Digitalverwaltung. Bleibt zu hoffen, dass sie diesmal nicht im Bürokratiedschungel versandet.