Data Act: EU startet neue Ära der Datenhoheit

Die Europäische Union läutet eine digitale Zeitenwende ein: Seit dem 12. September gelten die wegweisenden Regeln des Data Act. Das Gesetz verschiebt die Machtverhältnisse im Datengeschäft fundamental – weg von den Herstellern, hin zu den Nutzern.
Die neue Verordnung gewährt Verbrauchern und Unternehmen erstmals umfassende Rechte an den Daten ihrer vernetzten Geräte. Von der Smartwatch über den Industrieroboter bis zum Elektroauto: Wer ein internetfähiges Produkt nutzt, kann künftig die dabei entstehenden Daten einfordern und weitergeben.
Für deutsche Unternehmen bedeutet das einen Paradigmenwechsel. Konzerne wie Siemens, Bosch oder BMW müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken und ihre Produkte technisch umrüsten.
Revolution im Reparaturgeschäft
Die wohl spürbarste Veränderung betrifft den Servicebereich. Autobesitzer können jetzt verlangen, dass Fahrzeugdaten direkt an freie Werkstätten übermitteln werden – ohne Umweg über den Hersteller.
Das bricht jahrzehntelange Monopole auf. Ähnlich profitieren Landwirte, die Maschinendaten verschiedenen Analyse-Anbietern zur Verfügung stellen können, statt nur dem ursprünglichen Hersteller zu vertrauen.
Die Artikel 4 und 5 des Data Act schaffen hierfür die rechtliche Grundlage. Datenzugang muss kostenlos, sicher und in maschinenlesbarem Format erfolgen.
Hersteller unter Zugzwang
Besonders einschneidend sind die neuen Pflichten für Gerätehersteller. Ab September 2026 gilt das Prinzip "Data Access by Design": Alle neuen vernetzten Produkte müssen so konstruiert werden, dass Nutzer direkt auf ihre Daten zugreifen können.
Diese Vorgabe zwingt Unternehmen zu kostspieligen Umbauten ihrer IT-Systeme und Produktentwicklung. Gleichzeitig müssen sie bereits vor Vertragsabschluss transparent offenlegen, welche Datenmengen entstehen und wie der Zugang funktioniert.
Die Regel gilt extraterritorial. Auch amerikanische oder asiatische Konzerne müssen sich fügen, wenn sie ihre Produkte in Europa verkaufen wollen.
Cloud-Anbieter verlieren Kundenbindung
Ein weiterer Paukenschlag trifft die Cloud-Branche. Das neue Gesetz macht es erheblich einfacher, zwischen verschiedenen Anbietern zu wechseln. Unternehmen wie Amazon Web Services oder Microsoft Azure müssen technische und vertragliche Hürden abbauen.
Der Höhepunkt: Ab dem 12. Januar 2027 sind alle Wechselgebühren und Datenexport-Kosten komplett verboten. Bis dahin gelten noch reduzierte Übergangstarife.
Diese Maßnahme soll den Wettbewerb im milliardenschweren Cloud-Geschäft ankurbeln und Unternehmen mehr Wahlfreiheit verschaffen.
Balanceakt zwischen Innovation und Schutz
Das Data Act ergänzt die bestehende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) um eine entscheidende Dimension: Während die DSGVO persönliche Daten schützt, regelt das neue Gesetz auch maschinell erzeugte Industriedaten.
Kritiker befürchten Nachteile für europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb. Die EU-Kommission kontert: Das Gesetz stelle einen fairen Ausgleich zwischen Innovation und Datenschutz her, ohne Geschäftsgeheimnisse preiszugeben.
Umsetzung mit Hindernissen
Bis zum Herbst will die EU-Kommission Musterverträge vorlegen, um Unternehmen die Umsetzung zu erleichtern. Eine spezielle Beratungsstelle soll zusätzlich helfen.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob das ambitionierte Vorhaben gelingt. Experten erwarten sowohl einen Innovationsschub bei datenbasierten Diensten als auch eine Welle von Rechtsstreitigkeiten.
Eine umfassende Evaluierung nach drei Jahren soll klären, ob Nachbesserungen nötig sind.