In den letzten zehn Jahren hat das Wachstum in China an Fahrt verloren. Grund dafür war der bewusste Umstieg von einem Wirtschaftsmodell, das auf den Ausbau der Industrie und den Export von Billigprodukten setzte, hin zu einer Wirtschaft, die hauptsächlich von inländischem Konsum getrieben wird. Nach zweistelligen Wachstumsraten sank das BIP-Wachstum auf Werte von etwa sechs Prozent, was bei dem deutlich erhöhten Ausgangsvolumen immer noch eine enorme Steigerung darstellt.

Für Aktien sind dann jedoch Kennziffern wie die Haushaltseinkommen und das Vermögen der privaten Haushalte wichtiger als das reale BIP-Wachstum. Das ist positiv für Aktienanleger, denn der Aufstieg von immer mehr Chinesen in die Mittelschicht dauert an. Die OECD schätzt, dass die chinesische Mittelschicht im kommenden Jahrzehnt um weitere 370 Millionen Menschen auf insgesamt 1,2 Milliarden wachsen wird. Die Kaufkraft der Mittelschicht dürfte im selben Zeitraum auf 14,5 Billionen Dollar steigen.

Das Pro-Kopf-Einkommen ist innerhalb des letzten Jahrzehnts auf das Zehnfache gestiegen. Im Jahr 2018 entfielen bereits 76 Prozent des chinesischen BIP-Wachstums auf den Konsum– 2013 waren es „nur“ 47 Prozent. Außerdem leben schon heute 47 Millionen Chinesen in Haushalten mit einem Jahreseinkommen von über 50.000 US-Dollar.

Entwicklungspotenzial trotzdem hoch.

China hat im vergangenen Jahr als einzige große Volkswirtschaft der Welt ein positives Wachstum verzeichnet. Das Bruttoinlandsprodukt erhöhte sich um 2,3 Prozent im Vergleich zu 2019. Im vierten Quartal lag das Wachstum bei 6,5 Prozent, im dritten Quartal hatte China noch ein Plus von 4,9 Prozent verzeichnet. Die Tatsache, dass es sich dabei um das geringste Wirtschaftswachstum seit 1976 handelt zeigt aber auch, wie enorm die Wachstumsraten in der Vergangenheit waren.

Dieses Wachstum für 2020 ist einerseits sehr positiv, verdeckt aber auch ein zentrales Problem: Der Konsum kommt nicht zurück. Das Wachstum der Einzelhandelsumsätze ist „nachhaltig“ niedrig. Hierbei muss man traditionell berücksichtigen, dass die Daten zunächst von Lokalregierungen nach Peking gemeldet werden. Dabei werden Daten oft geschönt, um besser vor der Zentralregierung dazustehen. Aber auch wegen der Bemessungsgrundlage ist die chinesische BIP-Zahl nicht mit Werten anderer Länder vergleichbar.

Es ist aber wahrscheinlich, dass China einfach nur das aktuelle „Grundtempo“ beibehalten muss, um die USA als größte Wirtschaftsmacht zu überholen. Wenn sich der chinesische Markt weiter öffnen sollte, würde die Bedeutung des chinesischen Aktienmarktes stark ansteigen. Allerdings wäre es hierfür unbedingt nötig, dass die Transparenz auf allen Ebenen deutlich verbessert wird.

Branchenauswahl.

Sofern man einen aktiven Ansatz wählt und selektiv vorgeht, sind sicherlich die Bereiche Digitalisierung und „Green-Economy“ zu nennen. Chinas Pharmabranche ist ebenfalls relevant, da hier nach Lösungen für die zunehmend alternde Bevölkerung und die Behandlung von stark aufkommenden „Zivilisationskrankheiten“ wie Diabetes gesucht werden muss. Diese ist schon jetzt die zweitgrößte der Welt und dürfte weiter wachsen, auch dank staatlicher Fördermaßnahmen. Beim E-Commerce wird Chinas Marktanteil beim Online-Handel bis 2022 wahrscheinlich auf 60 Prozent steigen. E-Commerce-Riesen wie Alibaba, dessen Online-Umsätze und Gewinne mittlerweile höher sind als die aller US-Einzelhändler zusammen, werden Umsatz und Ertrag wohl weiter steigern können.

Auch BYD, der weltweit größte Produzent von Akkumulatoren, vor allem für Mobiltelefone, dürfte nach einer Kurskorrektur mittel- bis langfristig ein gutes Investment bleiben, da das Thema Elekro-Mobillität hier eine zentrale Rolle spielt.

Berücksichtigung im Portfolio.

Ich bin der Auffassung, dass man Emerging Markets, Asien und China mit insgesamt ca. 15 Prozent im Depot halten sollte. Hier sind dann aber auch entsprechende Rentenprodukte eingeschlossen. Sofern die Nachhaltigkeitskomponente relevant ist, gehören eben auch soziale Themen hinzu. Der stringente, pressefeindliche „Staatskapitalismus“, der sich jegliche Einmischung verbietet, bietet offensichtlich gut steuerbare Strukturen, ist aber andererseits für nachhaltige Investoren schwer investierbar, da die Zentralregierung sehr direkten Einfluss auf Unternehmen bzw. auf die handelnden Personen nehmen kann.

Investierbarkeit immer noch eingeschränkt.

China hat in den letzten Jahren begonnen, seine Börsen für ausländische Anleger zu öffnen. So wurden chinesische „A-Aktien“ im Juni 2019 in die FTSE-Russell-Indizes für internationale Aktien aufgenommen. Zusätzlich sorgen das 2014 gestartete Shanghai-Hong Kong-Stock-Connect-Programm sowie das „Bond Connect“-Programm von 2017 für mehr ausländische Direktinvestitionen. Für Privatanleger bleibt es aber nach meiner Auffassung immer noch dabei, sich über offene Publikumsfonds in diesem Markt zu engagieren. Erfahrene Investoren wie HSBC oder T. Rowe Price verfügen über entsprechende aktiv gemanagte Fondsangebote und haben ihre Fondsmanager direkt vor Ort. 

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.

 

 

Aus dem Börse Express-PDF vom 8. April - hier zum kostenlosen Download

Sie möchten ein kostenloses, unverbindliches Probeabo? Einfach hier mailen.

Screen 08042021