Cannabis-Technologie trifft auf Geopolitik: Zwischen Innovationsträumen und harter Realität

Liebe Leserinnen und Leser,

manchmal sind es die ungewöhnlichsten Juxtapositionen, die uns die Absurdität unserer Zeit vor Augen führen. Während in Los Angeles ein Unternehmen namens Puffco allen Ernstes einen "intelligenten" Cannabis-Vaporizer für 250 Dollar auf den Markt wirft – komplett mit App-Steuerung und LED-Stimmungsbeleuchtung – bereitet sich Israel auf eine möglicherweise monatelange Militäroperation in Gaza vor. Willkommen in der Welt von 2025, wo technologische Frivolität und geopolitische Tragödien parallel existieren.

Der 250-Dollar-Joint der Zukunft

Man muss es Puffco lassen: Das Timing für die Präsentation ihres neuen "Proxy" Vaporizers hätte kaum bizarrer sein können. Während die Welt mit multiplen Krisen ringt, feiert das kalifornische Unternehmen seine "nächste Evolutionsstufe des Cannabiskonsums". Der neue Proxy – für schlappe 250 Dollar erhältlich – verspricht nicht weniger als eine Revolution: größere Züge, intensiveren Geschmack und vor allem die Möglichkeit, die LED-Beleuchtung per Smartphone zu steuern. Denn was wäre moderner Drogenkonsum ohne die richtige Ambientebeleuchtung?

Die Ironie dabei: Puffco positioniert sich als Technologie-Unternehmen. "Wir arbeiten stetig daran, die bestmögliche Grundlage für den Cannabiskonsum zu schaffen", verkündet CEO Roger Volodarsky mit einer Ernsthaftigkeit, als ginge es um die Heilung von Krebs. Immerhin hat das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits eine Million "Kundinnen und Kunden" – ein bemerkenswertes Zeugnis dafür, wie normalisiert Cannabis-Konsum in Teilen der westlichen Welt geworden ist.

Besonders kurios wird es, wenn man erfährt, dass Puffco mit dem Rapper Action Bronson zusammenarbeitet. Der "kulturelle Trendsetter" – so die Pressemitteilung – verkörpere die "Kreativität, Leidenschaft und Raffinesse", die das Unternehmen inspirieren. Man fragt sich unwillkürlich: Ist das die Zukunft der Konsumgesellschaft? Hightech-Gadgets für den optimierten Rausch?

Die brutale Realität des Nahen Ostens

Während in Kalifornien also die Cannabis-Revolution zelebriert wird, spielt sich 12.000 Kilometer entfernt ein Drama ab, das an mittelalterliche Belagerungen erinnert. Israel hat eine neue Offensive in Gaza-Stadt gestartet und fordert hunderttausende Zivilisten auf, die Stadt zu verlassen. Die Realität: Viele können oder wollen nicht gehen. "Selbst wenn wir Gaza-Stadt verlassen wollen, gibt es keine Garantie, dass wir zurückkommen können", sagt Ahmed, ein Lehrer, am Telefon. "Deshalb ziehe ich es vor, hier zu sterben, in Sabra, meinem Viertel."

Die Zahlen sind erschütternd: Mindestens 30 Menschen wurden allein am Mittwoch bei israelischen Angriffen getötet, 19 davon in Gaza-Stadt. Die israelische Armee öffnet zwar "humanitäre Korridore" – aber nur für 48 Stunden. Es ist eine zynische Arithmetik des Krieges: Menschen haben zwei Tage Zeit, ihr Leben zu retten, bevor die Hölle über sie hereinbricht.

Ein israelischer Offizieller sprach davon, dass die Operation "Monate dauern könnte". Die Armee erwartet, dass etwa 100.000 Zivilisten in der Stadt bleiben werden – Menschen, die zwischen allen Fronten zerrieben werden. Die Hamas hält sie als menschliche Schutzschilde, Israel betrachtet sie als unvermeidliche Kollateralschäden.

Besonders bitter: Während die Welt zusieht, scheitern alle Vermittlungsversuche. Israel attackierte letzte Woche Hamas-Führungsfiguren in Doha und verärgerte damit Katar, einen der wichtigsten Mediatoren. Die Aussichten auf einen Waffenstillstand? "Ein sehr kurzes Zeitfenster", so US-Außenminister Marco Rubio – diplomatischer Code für "praktisch aussichtslos".

Die stille Revolution der Notenbanken

Zwischen diesen Extremen – der Cannabis-Dekadenz des Westens und dem Kriegshorror des Nahen Ostens – vollzieht sich eine weniger spektakuläre, aber möglicherweise folgenreichere Entwicklung: Die globale Zinswende scheint sich fortzusetzen.

Die Bank of Canada dürfte am Mittwoch die Zinsen um 25 Basispunkte senken – trotz hartnäckiger Kerninflation um die 3%. Die kanadische Wirtschaft ist im zweiten Quartal um 1,6% geschrumpft, über 100.000 Jobs gingen in den letzten zwei Monaten verloren. Die Arbeitslosigkeit erreichte ein Neun-Jahres-Hoch. Für die Notenbank ein klares Signal: Die Wirtschaft braucht Unterstützung, Inflationssorgen hin oder her.

Die Federal Reserve wird vermutlich nachziehen. Der Konsens der Märkte: 25 Basispunkte Zinssenkung auch in Washington. Es ist eine bemerkenswerte Synchronizität der Geldpolitik, die zeigt, wie ähnlich die Herausforderungen in den entwickelten Volkswirtschaften sind: schwaches Wachstum, hartnäckige Inflation, überschuldete Haushalte.

Doug Porter von BMO Capital Markets bringt es auf den Punkt: "Wir hatten zwei wirklich schwache Beschäftigungszahlen seit Juli. Das könnte die Sicht der Bank auf die Wirtschaft verändern." Es ist die ewige Gratwanderung der Notenbanken: Wie viel Stimulus ist nötig, ohne die Inflation wieder anzufachen?

RFK Jr.'s Kreuzzug gegen Impfungen

Als wäre die Welt nicht schon verrückt genug, liefert uns die Trump-Administration einen weiteren Beweis für die Erosion wissenschaftlicher Vernunft. Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. – ja, der Impfskeptiker – hat offenbar versucht, seinem Berater Retsef Levi mehr Macht bei der CDC zu verschaffen. Levi, der Covid-Impfungen für gefährlich hält, sollte eine Arbeitsgruppe leiten können, die praktisch die US-Impfpolitik neu definieren könnte.

Die Ironie: Regierungsanwälte versuchten verzweifelt, dies zu verhindern, da es gegen geltendes Recht verstoßen würde. Aber Levi setzte sich durch. "Ich konnte das nicht akzeptieren", sagte er triumphierend in einem Interview. Die Folge? Eine Arbeitsgruppe, die nun Theorien untersuchen soll, wonach mRNA-Impfstoffe "kontaminierte DNA" enthalten könnten.

Es ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Während die Welt gerade eine Pandemie überstanden hat – nicht zuletzt dank der Impfstoffe –, demontiert die neue US-Administration systematisch die wissenschaftlichen Institutionen. "Was sie getan haben, ist, den Prozess und die Verfahren zu stören", sagt Dr. Gregory Poland, ein Impfexperte. "Alles zur Unterstützung vorgegebener Ideologien."

Die unsichtbare Hand der Künstlichen Intelligenz

Und dann ist da noch die schleichende Revolution, die kaum jemand bemerkt. Eine Umfrage zeigt: 75% der Unternehmen im Sicherheitssektor nutzen bereits KI-gestützte Videosysteme oder planen dies. Die "Large-Scale AI Models" – trainiert mit gewaltigen Datenmengen – versprechen bessere Erkennung, weniger Fehlalarme und natürlichsprachliche Suchfunktionen.

Aber hier liegt auch die Krux: Während wir uns Sorgen um Datenschutz und Überwachung machen sollten, feiern Unternehmen die neuen Möglichkeiten. 52% der Befragten halten KI-Adoption für "sehr wichtig" für ihre Wettbewerbsfähigkeit. Es ist die stille Akzeptanz einer Überwachungsgesellschaft, verpackt als technologischer Fortschritt.

Von Parkhaus-Revolutionen und anderen Träumen

Deutschland derweil feiert seine eigene Version des Silicon-Valley-Hypes. Die DN Deutsche Nachhaltigkeit AG hat eine "revolutionäre" Parkhaustechnologie erworben – die EcoMotion Holding verspricht nicht weniger als die Neuerfindung des Parkens. Bis 2035 sollen 100.000 Ladepunkte für E-Fahrzeuge entstehen. Das Eigenkapital wächst auf 367 Millionen Euro.

Es klingt beeindruckend, bis man genauer hinschaut: Ein "positives ESG-Scoring von 31 Punkten" – was auch immer das bedeuten mag. Die Technologie soll die "Flächenproduktivität" von Parkhäusern steigern. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier vor allem heiße Luft produziert wird. Aber immerhin: Es ist nachhaltige heiße Luft.

Der Blick nach vorn

Was lernen wir aus diesem Kaleidoskop des Wahnsinns? Vielleicht dies: Die Welt des Jahres 2025 ist eine der extremen Gegensätze. Während die einen ihre Cannabis-Vaporizer per App steuern, kämpfen andere ums nackte Überleben. Während Notenbanken verzweifelt versuchen, ihre Volkswirtschaften zu stabilisieren, demontieren Populisten die Institutionen, die uns durch die letzte Krise gebracht haben.

Die kommende Woche verspricht weitere Turbulenzen. Die Fed-Entscheidung am Mittwochabend wird die Märkte bewegen. In Gaza könnte sich die humanitäre Katastrophe weiter zuspitzen. Und irgendwo in Kalifornien wird jemand stolz seinen neuen Proxy Vaporizer auspacken und die LED-Beleuchtung auf "Sunset Orange" stellen.

Es ist, als lebten wir in mehreren Paralleluniversen gleichzeitig – manche davon absurd luxuriös, andere grausam real. Die Kunst besteht darin, den Überblick zu behalten und nicht verrückt zu werden. Oder wie es ein Händler neulich formulierte: "Der Markt ist irrational, aber wenigstens konsistent irrational."

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine Woche mit klarem Kopf – egal ob mit oder ohne technologische Hilfsmittel.

Herzlichst,
Eduard Altmann


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Apropos technologische Parallelwelten: Während Cannabis-Firmen Lifestyle-Produkte verkaufen, tobt im Chip-Sektor ein stiller Weltkrieg um Macht und Milliarden. Wer verstehen will, warum Halbleiter als das "neue Öl" gelten und welche europäische Aktie in diesem geopolitischen Ringen zur "neuen Nvidia" werden könnte, findet hier eine spannende Analyse – inklusive konkretem Unternehmen mit WKN: zur Studie über die neue Nvidia-Aktie


P.S.: Nächste Woche blicken wir auf die Fed-Entscheidung und ihre Auswirkungen auf die europäischen Märkte. Außerdem: Wie reagiert die EZB auf den nordamerikanischen Zinstrend? Und wird der Gaza-Konflikt die Ölpreise beeinflussen? Fragen über Fragen – aber genau dafür sind wir ja da.