FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Die Pendelbewegung nahe dem Rekordstand lockt viele Profis auf die Shortseite. Was das für die Aktienpreise bedeuten kann, weiß Joachim Goldberg.

12. Juni 2025. FRANKFURT (Goldberg & Goldberg). Zum ersten Mal seit neun Wochen hat der DAX ein Minus produziert - wir sprechen von einem Prozent im Wochenvergleich seit unserer vergangenen Stimmungserhebung. Allerdings hatte er zuvor noch ein neues Allzeithoch leicht oberhalb der von uns zuletzt avisierten Zielzone erreicht. Seitdem ging es mit den Kursen leicht abwärts, wobei fraglich ist, ob die jüngsten Nachrichten aus den USA - diese beherrschen immer noch die Schlagzeilen hierzulande - zu diesem Rücksetzer beigetragen haben.

Natürlich könnte man etwa die Einigung über einen vorläufigen Plan zum Abbau der Handelsspannungen zwischen den USA und China sogar als positiv für die Finanzmärkte interpretieren, aber da Konkretes zum heutigen Erhebungszeitpunkt nicht zu erkennen war, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Börsianer vielerorts den verkündeten Erfolg der Gespräche in London eher mit einem Achselzucken quittierten. Vielleicht, weil nach Ansicht einiger Kommentatoren vielen Akteuren nachgesagt wird, sie hätten angesichts der festen Aktienbörsen dies- und jenseits des Atlantiks und des überwiegend negativen Nachrichtenstroms aus den USA ein komisches Gefühl im Bauch, das man auch mit einer unterschwelligen Angst umschreiben könnte.

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Angst oder Belohnung?

Nun zeigt unsere heutige Stimmungserhebung unter institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont, dass zumindest bei einem größeren Anteil der Befragten flapsig ausgedrückt der Bauch mit dem Kopf während der vergangenen Handelstage "kommuniziert" haben könnte. Dabei ist mancherorts möglicherweise die Angst vom Bauch ins Gehirn gestiegen. Zumindest hat sich die Stimmung, gemessen an unserem Börse Frankfurt Sentiment-Index, gegenüber der Vorwoche deutlich verschlechtert und zwar um 21 Punkte auf einen neuen Stand von -15. Im gleichen Zug hat sich das Bärenlager um 15 Prozentpunkte erhöht. Dieser Zuwachs setzt sich zu 60 Prozent aus vormals neutral eingestellten und zu 40 Prozent aus ehemaligen Optimisten zusammen, die ihre Position um 180 Grad auf "bearish" gedreht haben.

Allerdings ist keineswegs gesichert, ob es sich bei den neuen Engagements nur um Angstpositionen handelt. Denn ein durchaus möglicher Verkauf in der Nähe des Allzeithochs in der vergangenen Woche und die Aussicht auf Aktivierung des Belohnungssystems im Hirn könnte, um im Bild zu bleiben, ebenfalls für diese Entscheidung motivierend gewesen sein.

Gegensätzliche Privatanleger

Fast unverändert hingegen die Stimmung bei den Privatanlegern. Zumindest an der Oberfläche hat sich unser Börse Frankfurt Sentiment-Index in diesem Panel nur um einen Punkt auf einen neuen Stand von +13 reduziert. Doch diese scheinbare Passivität zeigt sich nur beim ersten Hinsehen. Tatsächlich hat sich zwischen den über Social Media befragten und den übrigen Anlegenden eine deutliche Diskrepanz ausgebildet - die höchste Differenz seit Beginn der separaten Erhebung im Juni 2023. Während Erstere gegenüber der Vorwoche deutlich positiver eingestellt sind, haben sich die übrigen Privatanleger ähnlich wie die institutionellen Investoren deutlich in Richtung Bärenlager bewegt; am Ende haben sich beide Bewegungen ausgeglichen.

Unter dem Strich hat sich damit auch die Stimmungskluft zwischen Privatanlegern und institutionellen Investoren gegenüber der Vorwoche vergrößert. Lässt man indes die über Social Media befragten Privatanleger außen vor, ist die Stimmung in beiden Panels fast gleich, aber nicht extrem schlecht.

Egal, ob die jüngsten Shortpositionen (vor allen Dingen bei den institionellen Investoren) aus Angst oder ganz einfach nur getätigt wurden, um aus einem Rücksetzer eine Extra-Performance zu generieren, ist die jüngste Stimmungsentwicklung als eine Unterstützung für den DAX zu werten, sollte das Börsenbarometer deutlicher unter Druck geraten. Denn wir vermuten erste gute Nachfrage für diesen Fall im Bereich von 23.610/60 Zählern.

Interessant ist auch die Lage an der Oberseite, wenn sich die ?"ngste als haltlos herausstellen sollten, gerade wenn frische langfristige Nachfrage insbesondere aus dem Ausland den DAX wieder nach oben treiben sollte. Da würde es nicht wundern, wenn der nächste Run auf die Allzeithochs von eiligst vorgenommenen Rückkäufen der heutigen Pessimisten befeuert würde. Eine Shortsqueeze sollte in diesem Zusammenhang nicht überraschen.

von Joachim Goldberg 12. Juni 2025, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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