Liebe Leserinnen und Leser,

während wir uns an diesem Sonntagmittag den Kaffee eingießen, wirkt das alte Börsen-Paradoxon „Bad news is good news“ seltsam verstaubt. Die Realität an den Märkten fühlt sich derzeit eher so an: Schlechte Nachrichten sind einfach nur schlechte Nachrichten. Und die guten? Die dringen kaum noch durch den Lärm fallender Kurse.

Wir blicken auf eine Woche zurück, die tiefe Spuren in den Depots hinterlassen hat. Es ist einer dieser Momente, in dem die Realität höflich, aber bestimmt an die Tür klopft und fragt, ob die Bewertungen der letzten Monate eigentlich noch gedeckt sind. Gestern sprachen wir an dieser Stelle über das leise Zischen entweichender Luft – heute müssen wir konstatieren: An einigen Stellen ist der Reifen platt.

Lassen Sie uns gemeinsam sortieren, was da gerade passiert – zwischen harter Infrastruktur im Rhein-Main-Gebiet und weichen Knien am Krypto-Markt.

Krypto-Realitätscheck

Der „Fear & Greed Index“ ist in den Bereich „Extreme Angst“ gekippt. Was wir hier sehen, ist das klassische Katerfrühstück nach der Party. Die institutionellen Anleger, die den Preis im Herbst trieben, nehmen Gewinne mit. Für Sie bedeutet das: Vorsicht vor dem schnellen Griff ins fallende Messer. Wenn ein Asset in wenigen Wochen ein Drittel an Wert verliert, ist das kein Sonderangebot, sondern ein Warnsignal.

Das 5,5-Milliarden-Signal: Google glaubt an „Made in Germany“

Doch während die digitalen Werte schmelzen, wird im analogen Deutschland Beton gegossen. Es ist die vielleicht wichtigste Wirtschaftsnachricht des Monats, die im Getöse der Kursrutsche fast unterging: Google investiert 5,5 Milliarden Euro in Deutschland.

Lassen Sie diese Zahl kurz wirken.

In einer Zeit, in der wir uns an Schlagzeilen über Deindustrialisierung und Abwanderung gewöhnt haben, legt einer der wertvollsten Konzerne der Welt ein massives Bekenntnis zum Standort ab. Konkret fließen die Milliarden in Rechenzentren in Dietzenbach und Hanau. Warum tut Google das? Sicher nicht wegen unserer günstigen Strompreise.

Der Tech-Gigant wettet auf zwei Dinge: Datensouveränität und KI-Infrastruktur. Google weiß, dass europäische Daten in Europa bleiben müssen, um im KI-Zeitalter bei Regierungen und Unternehmen punkten zu können. Für das Rhein-Main-Gebiet ist das ein enormer Gewinn. Es offenbart aber auch die neue Zweiteilung der deutschen Wirtschaft: Die alte Industrie kämpft ums Überleben, während die digitale Infrastruktur massiv ausgebaut wird. Google verspricht zwar, bis 2030 CO2-frei zu laufen, doch die Botschaft ist klar: Deutschland ist als Standort attraktiv – solange das Produkt „Daten“ heißt und nicht „Stahl“.

DAX: Die Luft wird dünn bei 23.000

Ein Blick auf den heimischen Aktienmarkt zeigt: Die Nervosität ist zurück. Der DAX verabschiedete sich am Freitag bei rund 23.090 Punkten ins Wochenende. Das klingt auf den ersten Blick noch komfortabel, doch der Schein trügt.

Der Wochenverlust von über 3 Prozent wiegt schwer. Die 23.000-Punkte-Marke, die lange als solider Boden galt, wurde am Freitag mehrfach getestet und wackelte bedenklich. Das Problem ist die wachsende Diskrepanz zwischen Börsenkursen und volkswirtschaftlicher Realität.

Zwar verdienen die DAX-Konzerne noch gut, doch sie operieren in einem Umfeld, das zunehmend feindselig wird. Die erhoffte „Jahresendrallye“ steht auf tönernen Füßen. Wenn morgen die Börsen öffnen, wird der Blick starr auf dieser 23.000er-Marke liegen. Fällt sie nachhaltig, könnte es technisch schnell ungemütlich werden.

Makro-Blick: Die rote Laterne leuchtet wieder

Warum die Skepsis am Aktienmarkt berechtigt ist, lieferte uns die EU-Kommission diese Woche schriftlich. Die Herbstprognose aus Brüssel liest sich für die Bundesrepublik wie ein Mängelbericht beim TÜV.

Während die Euro-Zone 2025 voraussichtlich um 1,3 Prozent wachsen wird, traut man Deutschland gerade einmal ein „Mini-Wachstum“ von 0,2 Prozent zu. Wir sind der Bremsklotz Europas. Selbst für 2026 sieht Brüssel uns mit 1,2 Prozent Wachstum noch unter dem EU-Schnitt.

Dazu passt die Stimmung an der Basis. Das ifo-Institut meldete für den Wohnungsbau im November einen Geschäftsklimaindex von minus 23 Punkten. „Der Weg aus dem Tal ist noch lang“, kommentierte ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Das ist die diplomatische Umschreibung für: Es sieht düster aus.

Die EZB unter Christine Lagarde betrachtet dieses Dilemma mit Sorgenfalten. Der Süden Europas erholt sich, Deutschland schwächelt. Eine schnelle Zinssenkung würde uns helfen, könnte aber die Inflation im Rest der Euro-Zone wieder anheizen. Erwarten Sie also keine schnellen Rettungsmaßnahmen aus Frankfurt. Wir müssen unsere Hausaufgaben selbst machen.

Das Fazit zum Wochenstart

Was nehmen wir aus dieser Woche der Extreme mit?

  1. Krypto ist kein sicherer Hafen: Der Absturz von 126.000 auf unter 90.000 Dollar beweist schmerzhaft, dass Bitcoin (noch) keine Absicherung gegen Krisen ist, sondern ein hochspekulatives Vehikel.
  2. Standort-Hoffnung: Googles Milliarden-Investment zeigt, dass Deutschland nicht „abgeschrieben“ ist – aber die Spielregeln ändern sich radikal. Infrastruktur wird digital.
  3. Vorsicht am Aktienmarkt: Der DAX ist hoch bewertet für eine Wirtschaft, die kaum wächst. Halten Sie etwas Pulver trocken.

Morgen früh wird der neue ifo-Geschäftsklimaindex veröffentlicht. Es wird der wichtigste Indikator dafür sein, ob die Stimmung in der deutschen Wirtschaft wirklich so schlecht ist, wie die EU-Prognose vermuten lässt. Am Dienstag folgen dann Details zum deutschen BIP.

Bleiben Sie skeptisch, aber offen für die Chancen, die sich in jeder Korrektur verbergen.

Herzlichst,

Ihr Eduard Altmann