DGAP-WpÜG: Dr. Ralf Nemetschek / Befreiung

Befreiung / Zielgesellschaft: Nemetschek SE; Bieter: Dr. Ralf Nemetschek

10.11.2021 / 16:30 CET/CEST

Veröffentlichung einer WpÜG-Mitteilung, übermittelt durch DGAP - ein Service

der EQS Group AG.

Für den Inhalt der Mitteilung ist der Bieter verantwortlich.

Veröffentlichung über die Erteilung einer Befreiung nach § 37 WpÜG von der

Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots an die

Aktionäre der Nemetschek SE, München

Auf entsprechenden Antrag von Herrn Dr. Ralf Nemetschek ("Antragsteller")

hat die Bundesanstalt für Finanzleistungsaufsicht ("BaFin") mit Bescheid vom

9.7.2021 den Antragsteller gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG von der

Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die Kontrollerlangung an der

Nemetschek SE, München, zu veröffentlichen, sowie von den Verpflichtungen

nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der BaFin eine Angebotsunterlage zu

übermitteln, und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit § 14 Abs. 2

Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.

Der Tenor des Bescheids lautet wie folgt:

1. Der Antragsteller wird für den Fall, dass er entweder

(i) aufgrund der Stimmrechtspoolvereinbarung, die er mit Prof. Georg Heinz

Nemetschek und Herrn Alexander Nemetschek gemäß Abschnitt C § 5 der Urkunde

345/2027 des Notars Dr. Thomas Wachter (folgend "Rahmenurkunde")

abgeschlossen hat, oder

(ii) in Folge der Übernahme eines Amtes im Stiftungsrat der Nemetschek

Stiftung Konrad-Zuse-Platz 1, 81829 München, (folgend "N-Stiftung") und dem

damit verbundenen Erwerb der Sonderrechte gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3-4 der

Stiftungssatzung

die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG über die Nemetschek SE, München,

erlangt, gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG von der Verpflichtung gemäß § 35

Abs.1 Satz 1 WpÜG, die Kontrollerlangung an der Nemetschek SE, München, zu

veröffentlichen sowie von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG,

der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Angebotsunterlage

zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit § 14 Abs.

2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu verböffentlichen, befreit.

2. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 kann widerrufen werden

(Widerrufsvorbehalt), wenn

(i) der Antragsteller selbst Einfluss auf die auf Grundlage der unter Ziffer

1 (i) bezeichneten Stimmrechtspoolvereinbarung zu treffenden Entscheidungen

nehmen kann oder

(ii) er seinen Stimmrechtsanteil an der Nemetschek SE, München, anderweitig,

einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte und

abzüglich der Stimmrechte, die der unter Ziffer 1 (i) bezeichneten

Stimmrechtspoolvereinbarung unterfallen, auf mindestens 30% erhöht oder

(iii) die N-Stiftung die Möglichkeit zur Ausübung der tatsächlichen

Kontrolle über die Nemetschek SE, München, erlangt.

Der Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 2. (i) gilt nicht, wenn die der unter

Ziffer 1 (i) bezeichneten Stimmrechtspoolvereinbarung unterliegenden

Stimmrechte weniger als 30% der in der Nemetschek SE, München, vorhandenen

Stimmrechte ausmachen und der Antragsteller seinen Stimmrechtsanteil an der

Nemetschek SE, München, nicht anderweitig, einschließlich etwaiger gemäß §

30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte auf mindestens 30% erhöht. Der

Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 2. (iii) gilt nicht, wenn der

Stimmrechtsanteil der N-Stiftung in der Nemetschek SE, München,

einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte, weniger

als 30% der in der Nemetschek SE, München, vorhandenen Stimmrechte ausmacht

und der Antragsteller seinen Stimmrechtsanteil an der Nemetschek SE,

München, einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte,

nicht anderweitig auf mindestens 30% erhöht. Der Widerrufsvorbehalt unter

Ziffer 2. (iii) gilt zudem dann nicht, wenn der Antragsteller zu dem

Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen dieses Widerrufsvorbehalts entstanden

sind, die N-Stiftung nicht faktisch beherrscht hat und danach eine faktische

Beherrschung der N-Stiftung auch nicht begründet.

3. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 ergeht unter folgenden

Auflagen:

(i) Der Antragsteller hat den Umstand, dass eine Stimmrechtspoolvereinbarung

nach Maßgabe von Ziffer 1 (i) wirksam geworden ist und der Antragsteller ein

Amt im Stiftungsrat der N-Stiftung übernommen hat und ihm deswegen die

Sonderrechte gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3-4 der Stiftungssatzung zustehen

unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von vier Wochen nach Eintritt des

jeweiligen vorgenannten Umstandes, durch Vorlage geeigneter Unterlagen

gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nachzuweisen.

(ii) Der Antragsteller hat der Bundesanstalt für

Finanzdienstleistungsaufsicht jedes Ereignis, jeden Umstand und jedes

Verhalten, das den Widerruf der Befreiung gemäß der vorstehenden Ziffer 2

rechtfertigen könnte, unverzüglich mitzuteilen.

4. Für die positive Entscheidung über den Befreiungsantrag ist von der

Antragstellerin eine Gebühr zu entrichten.

Die Befreiung beruht im Wesentlichen auf folgenden Gründen:

I.

Die Nemetschek SE, München, ist im Handelsregister des Amtsgerichts München

unter HRB 224638 eingetragen (folgend "Zielgesellschaft"). Das Grundkapital

der Zielgesellschaft beträgt EUR 115.500.000,00 und ist in 115.500.000

Stückaktien eingeteilt (folgend "NSE-Aktien").

Gegenstand des Antrags ist der beabsichtigte Abschluss mehrerer

Poolvereinbarungen im Rahmen der nachfolgenden dargestellten

Umstrukturierung der Zielgesellschaft mit dem Ziel einer Entflechtung des

Aktienbesitzes auf Ebene der Familienaktionäre.

1. Gegenwärtig hält die Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co KG,

Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA

101113 (folgend "Nemetschek KG") unmittelbar 55.868.784 NSE-Aktien

(entspricht rund 48,37% der bei der Zielgesellschaft insgesamt vorhandenen

Stimmrechte). Einzige Komplementärin der Nemetschek KG ist die Nemetschek

Verwaltungs GmbH, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts

München unter HRB 205971 (folgend "Nemetschek GmbH").

Kommanditisten der Nemetschek KG sind Alexander Nemetschek (folgend "AN")

und der Antragsteller mit einer Beteiligung in Höhe von jeweils 49,998% der

Kommanditanteile und Professor Dipl.-lng. Georg Heinz Nemetschek (folgend

"GN")

mit einer Beteiligung in Höhe von 0,004% der Kommanditanteile. Die einzigen

Gesellschafter der Nemetschek GmbH sind wiederum GN, AN und der

Antragsteller.

Zwischen der Nemetschek KG und GN besteht eine Stimmbindungsvereinbarung

(folgend "Poolvereinbarung I"). GN hält derzeit unmittelbar 3.700.000

NSE-Aktien (entspricht rund 3,2% der Stimmrechte in der Zielgesellschaft).

Der Poolvereinbarung I unterliegen daher insgesamt 59.568.784 NSE-Aktien

(entspricht rund 51,57% der Stimmrechte in der Zielgesellschaft).

Der Antragsteller hält nach eigenen Angaben 2.850 NSE-Aktien.

2. Zur Regelung der Unternehmensnachfolge sollen die in der Nemetschek KG

gebündelten Beteiligungen entflochten und wie unten dargestellt verteilt

werden. Die Parteien haben eine Rahmenurkunde abgeschlossen, in dem die

Vollzugszeitpunkte (in römischen Ziffern gestaffelt) näher definiert sind.

In diesem Zusammenhang soll die mittelbare Kontrolle von GN über die

Zielgesellschaft auf die Nemetschek Familienstiftung, Hirtenweg 74, 82037

Grünwald, (folgend "Nemetschek Familienstiftung") übertragen werden.

2.1 GN, AN und der Antragsteller entnehmen im Verhältnis ihrer festen

Kapitalanteile insgesamt 4.637.109 NSE-Aktien aus der Nemetschek KG. Diese

werden auf Geheiß von GN, AN und dem Antragsteller direkt auf die N-Stiftung

übertragen und entsprechend aus der Poolvereinbarung I entlassen.

Aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt, in dem die N-Stiftung aufgrund der

vorgenannten Übertragungen von NSE-Aktien erstmals die Stellung als

Aktionärin der Zielgesellschaft erlangt, haben die N-Stiftung und die

Nemetschek KG zum Zwecke der Wahrung einer einheitlichen Stimmrechtsausübung

eine weitere Poolvereinbarung abgeschlossen (folgend "Poolvereinbarung II").

2.2 Aufschiebend bedingt auf die vorstehend beschriebene Übertragung der

Anteile auf die N-Stiftung überträgt die Nemetschek KG jeweils 3.114.000

NSE-Aktien auf die persönlichen KG-Gesellschaften von AN und dem

Antragsteller.

2.3 Nach einem Formwechsel der Nemetschek KG in die N-Integral-GmbH (folgend

"N-Integral") beträgt das Stammkapital der N-Integral EUR 100.000,00, wobei

der Geschäftsanteil mit der laufenden Nummer 1 1.000.000 Stimmen in der

Gesellschafterversammlung und alle übrigen Geschäftsanteile je Euro eines

Geschäftsanteils eine Stimme haben soll.

2.4 Der Antragsteller, GN und AN haben im Zusammenhang mit dem Formwechsel

als Gesellschafter der N-lntegral eine Vereinbarung zur einheitlichen

Ausübung der Stimmrechte in der N-lntegral (folgend "Poolvereinbarung III")

abgeschlossen, wobei die Stimmrechte in der Poolvereinbarung mit denen in

der Gesellschafterversammlung der N-Integral gleichlaufen.

2.5 lm Zuge des Formwechsels erwirbt GN den Geschäftsanteil mit der

laufenden Nummer 1, der wiederum bereits aufschiebend bedingt an die

Nemetschek Familienstiftung abgetreten worden ist. Diese Abtretung wird

unmittelbar nach Inkrafttreten der Poolvereinbarung III wirksam und die

Nemetschek Familienstiftung tritt aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt, zu

dem sie Gesellschafterin der N-Integral wird, der Poolvereinbarung III bei.

2.6 GN hat sein Amt als Stiftungsrat der N-Stiftung aufschiebend bedingt auf

den Zugang des Originals des Niederlegungsschreibens niedergelegt. Nach der

Satzung der N-Stiftung hat GN auf Lebenszeit das Recht, (i) dem Stiftungsrat

anzugehören und hierin den Vorsitz zu führen, (ii) Mitglieder der

Stiftungsorgane - auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes - abzuberufen

und bei Freiwerden einer Stelle das Nachfolgemitglied zu berufen, (iii) den

Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden der Stiftungsorgane zu

ernennen und (iv) die Geschäftsordnung für die Stiftungsorgane zu erlassen,

zu ändern oder aufzuheben. Für den Fall, dass GN aus dem Stiftungsrat

ausscheidet, tritt der Antragsteller als sein Nachfolger in den Stiftungsrat

ein und ihm stehen dann auch die vorstehend unter (ii) - (iv) genannten

Sonderrechte zu.

II.

Dem Antrag war stattzugeben, da er zulässig und begründet ist.

1. ZULÄSSIGKEIT

Der Antrag ist zulässig.

Er wurde insbesondere fristgemäß (§ 8 Satz 2 WpÜG-Angebotsverordnung) vor

der erst nach Wirksamkeit dieses Bescheides zu erwartenden Kontrollerlangung

(vgl. hierzu Ziffer 2.1) gestellt.

Über den Antrag konnte auch vor dem Kontrollerwerb des Antragstellers

entschieden werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die

Kontrollerlangung als vorhersehbar (BT-Drs. 14/7034 v. 05.10.2001, S. 81)

und aus Gründen der Sicherstellung der ernsthaften Bereitschaft zum

Kontrollerwerb als sehr wahrscheinlich (vgl. Krause/Pötzsch/Seiler, in:

Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 3. Aufl. 2020, § 8 WpÜG-Angebotsverordnung,

Rn. 8 f.) darstellt. Dies ist vorliegend gegeben. Die zum Kontrollerwerb

führenden Handlungen hängen lediglich vom Willen der Parteien der

Rahmenurkunde ab. Mit einer Durchführung der Rahmenurkunde ist nach Eintritt

der Vollzugsvoraussetzungen auf Grund des bereits getätigten erheblichen

Aufwands zügig zu rechnen.

2. BEGRÜNDETHEIT DES ANTRAGS

2.1 Kontrollerwerb des Antragstellers

Kontrolle ist gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG das Halten von mindestens 30% der

Stimmrechte an einer Zielgesellschaft.

Gegenwärtig hält der Antragsteller 2.850 NSE-Aktien unmittelbar. Stimmrechte

aus NSE-Aktien sind ihm zunächst nicht zuzurechnen (§ 30 WpÜG).

lm weiteren Verlauf der Umstrukturierung sind dem Antragsteller jedoch

zunächst die Stimmrechte aus den von der persönlichen KG-Gesellschaft des

Antragstellers erworbenen 3.144.000 NSE-Aktien zuzurechnen, da der

Antragsteller der einzige Kommanditist seiner persönlichen KG-Gesellschaft

ist und nach § 9 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags der persönlichen

KG-Gesellschaft des Antragstellers jeder Euro des Festkapitals

(Kapitalanteil) eine Stimme in der Gesellschafterversammlung gewährt. Der

Antragsteller gilt daher nach der unwiderleglichen Vermutung in § 290 Absatz

2 Nr. 1 HGB als Mutterunternehmen der persönlichen KG-Gesellschaft des

Antragstellers. Gemäß §§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3, 2 Abs. 6 WpÜG

i.V.m. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB werden ihm daher die Stimmrechte aus den von

seiner persönlichen KG-Gesellschaft erworbenen 3.144.000 NSE-Aktien

zugerechnet. Da diese jedoch zusammen mit den vom Antragsteller unmittelbar

gehaltenen 2.850 NSE-Aktien nur rund 2,72% der in der Zielgesellschaft

insgesamt vorhandenen Stimmrechte repräsentieren, folgt hieraus noch nicht

der Kontrollerwerb des Antragstellers.

Dieser erfolgt vorliegend spätestens mit dem Wirksamwerden des zum

Vollzugszeitpunkt VI zu übermittelnden Schreibens zur Amtsniederlegung von

GN, da dem Antragsteller ab diesem Zeitpunkt alle Stimmrechte aus NSE-Aktien

gemäß § 30 Abs.1 Satz 1 Nr.1, Satz 3 bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG jeweils i.V.m. §

2 Abs. 6 WpÜG zuzurechnen sind, die die N-Stiftung selbst unmittelbar hält

oder hinsichtlich deren Ausübung sich die N-Stiftung mit Dritten abstimmt.

Nach der Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für

Finanzdienstleistungsaufsicht (folgend "BaFin") ist es möglich, eine

Stiftung faktisch zu beherrschen. Dies ist der Fall, wenn einer Person ein

Bestellungs- und Abberufungsrecht bezüglich der Leitungsorgane der Stiftung

auf Grundlage der Satzung zusteht (Emittentenleitfaden der BaFin Modul B

Stand 30.10.2018 Ziffer I.2.5.1.3). Mit dem Wirksamwerden der

Amtsniederlegung tritt der Antragsteller in die bisher von GN gehaltene

Position innerhalb der N-Stiftung ein und erlangt die vorstehend

beschriebenen Sonderrechte im Hinblick auf die Abberufung und Ernennung der

Mitglieder der Organe der N-Stiftung. Ab diesem Zeitpunkt gilt die

N-Stiftung daher als vom Antragsteller abhängiges Unternehmen und damit gem.

§ 2 Abs. 6 WpÜG Tochterunternehmen des Antragstellers im

übernahmerechtlichen Sinne. Ab diesem Zeitpunkt sind dem Antragsteller daher

alle Stimmrechte aus den 4.637.109 NSE-Aktien (entsprechen rund 4,01% der

Stimmrechte in der Zielgesellschaft), welche die N-Stiftung im Zuge der

Umstrukturierung zu diesem Zeitpunkt erworben hat, gemäß §§ 30 Abs. 1 Satz

1, Satz 3, 2 Abs. 6 WpÜG zuzurechnen. Zudem sind ihm alle Stimmrechte

zuzurechnen, über deren Ausübung sich die N-Stiftung als sein

Tochterunternehmen mit Dritten im Sinne von § 30 Ab.2 WpÜG abstimmt. Die

N-Stiftung stimmt sich mit der Nemetschek KG bzw. später mit der N-lntegral

auf Grundlage der Poolvereinbarung II über die Ausübung von Stimmrechten aus

NSE-Aktien ab. Diese Abstimmung erfüllt die Voraussetzungen des

Zurechnungstatbestandes nach § 30 Abs. 2 WpÜG. Ein abgestimmtes Verhalten

setzt nach § 30 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. WpÜG voraus, dass sich der Bieter oder

sein Tochterunternehmen und der Dritte über die Ausübung von Stimmrechten

verständigen. So liegt der Fall hier. Die Poolvereinbarung II sieht vor,

dass sich die Parteien über die Ausübung der Stimmrechte aus den von ihnen

jeweils gehaltenen NSE-Aktien abstimmen. Unerheblich ist es in diesem

Zusammenhang für die Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 2 WpÜG, dass

sich die N-Stiftung in der Poolvereinbarung II verpflichtet hat, stets nach

den Weisungen der Nemetschek KG abzustimmen. Nach der Verwaltungspraxis der

BaFin ist es für die Erfüllung des Zurechnungstatbestandes nach § 30 Abs. 2

WpÜG unerheblich, ob die sich abstimmende Partei Einfluss auf die Ausübung

der der Poolvereinbarung unterliegenden Stimmrechte hat oder nicht (vgl. zu

§ 34 Abs. 2 WpHG: Emittentenleitfaden der BaFin, Modul B, Stand 30. Oktober

2018 Ziffer 1.2.5.10.3). Der mitgeteilte Sachverhalt bietet auch keine

Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Einzelfallausnahme in Sinne des § 30

Abs. 1 Satz 1 WpÜG. Die Poolvereinbarung II ist für einen längeren Zeitraum

und ohne jegliche inhaltliche Einschränkung abgeschlossen.

lm Vollzugszeitpunkt VI wird die Nemetschek KG noch 44.943.675 Aktien

halten, die 38,91% der Stimmrechte der Zielgesellschaft repräsentieren und

die der N-Stiftung auf Grundlage der Poolvereinbarung II von der Nemetschek

KG gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG zuzurechnen sind.

Mit Wirksamwerden der Amtsniederlegung sind dem Antragsteller zu den

Stimmrechten aus den von ihm unmittelbar gehaltenen 2.850 NSE-Aktien somit

Stimmrechte aus insgesamt 52.724.784 NSE-Aktien gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1,

Satz 3 WpÜG bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG jeweils in Verbindung mit § 2 Abs. 6 WpÜG

zuzurechnen. Diese repräsentieren rund 45,65% der in der Zielgesellschaft

vorhandenen Stimmrechte. Mit Wirksamwerden der Amtsniederlegung verfügt der

Antragsteller daher unmittelbar und mittelbar über Stimmrechte aus

52.727.634 NSE-Aktien und über rund 45,65% der Stimmrechte in der

Zielgesellschaft, wodurch er die Kontrolle über die Zielgesellschaft

erlangt.

Der Antragsteller könnte aber im Zuge der Umstrukturierung auch zu einem

früheren Zeitpunkt die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangen. Nach

der Rahmenurkunde soll der beurkundende Notar das von GN unterzeichnete

Niederlegungsschreiben zum in der Rahmenurkunde definierten

Vollzugszeitpunkt VI an die N-Stiftung übermitteln. Zum vorgenannten

Zeitpunkt soll zudem die besondere Anweisung der Nemetschek GmbH an den

beurkundenden Notar zur Anmeldung des Formwechsels erfolgen. Die

Poolvereinbarungen III soll nach der vorgesehenen Regelung demgegenüber mit

Eintragung des Formwechsels wirksam werden. Vorliegend kann nicht

ausgeschlossen werden, dass der Formwechsel vor der Amtsniederlegung wirksam

wird. In diesem Falle würde der Antragsteller die Kontrolle über die

Zielgesellschaft bereits durch das Wirksamwerden der Poolvereinbarung III

erlangen. Die Poolvereinbarung III besteht zwar nicht zwischen Aktionären

der Zielgesellschaft hinsichtlich der Ausübung der Stimmrechte aus von ihnen

in der Zielgesellschaft unmittelbar gehaltenen Aktien. Eine

Stimmrechtszurechnung auf Grundlage von § 30 Abs. 2 WpÜG kommt jedoch im

Einzelfall auch dann in Betracht, wenn sich die Gesellschafter einer

vorgeschalteten Holdinggesellschaft, welche Aktien der Zielgesellschaft

hält, abstimmen. Eine derartige Zurechnung kommt jedenfalls dann in

Betracht, wenn sich die entsprechende Stimmrechtsvereinbarung hinreichend

konkret auf die Ausübung der Stimmrechte aus Aktien der Zielgesellschaft

bezieht. Eine entsprechende Bezugnahme kann etwa in der Präambel eines

solchen Stimmbindungsvertrages erfolgen. Vorliegend hat der Antragsteller

vorgetragen, dass sich die Poolvereinbarung III nach der Intention der

Parteien auch auf die Ausübung der Stimmrechte aus den von der N-lntegral

unmittelbar gehaltenen NSE-Aktien bezieht. Die Parteien der Poolvereinbarung

III würden die N-lntegral nach einem Beschluss der vorgeschalteten

Poolversammlung entsprechend zur Ausübung ihrer Stimmrechte aus den

NSE-Aktien anweisen. Dieser Vortrag kann dem Antragsteller nicht widerlegt

werden. Die Frage, ob er für sich genommen genügen kann, um das Vorliegen

der Voraussetzungen des Zurechnungstatbestandes nach § 30 Abs. 2 WpÜG zu

belegen, kann vorliegend offenbleiben. Zwar enthält die Poolvereinbarung III

selbst keinen Bezug auf die Ausübung von Stimmrechten aus NSE-Aktien. Die

Poolvereinbarung III ist jedoch als Anlage C 5 Teil der Rahmenurkunde.

Gegenstand der Rahmenurkunde ist allein die Übertragung der mittelbaren

Kontrolle über die Zielgesellschaft von GN auf die Nemetschek

Familienstiftung und die Regelung einiger weiterer Aspekte der

Unternehmensnachfolge zur Entflechtung der mittelbaren Beteiligung von AN,

GN und dem Antragsteller an der Zielgesellschaft. Neben der Zielgesellschaft

werden in der Rahmenurkunde keine weiteren operativ tätigen Unternehmen

angesprochen. Sämtliche in der Rahmenurkunde getroffenen Regelungen beziehen

sich mittelbar oder unmittelbar auf die gegenwärtige oder künftige

Beteiligung von Parteien der Rahmenurkunde an der Zielgesellschaft.

Hierdurch ist der nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls ausreichende

verkörperte Bezug zur Stimmrechtsausübung in der Zielgesellschaft gegeben.

Es kann im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob sich ein derartiger Bezug

unmittelbar aus der Präambel der entsprechenden Stimmbindungsvereinbarung

ergibt oder aber ob die Stimmbindungsvereinbarung Teil eines Gesamtvertrages

ist, welcher einen entsprechenden Bezug aufweist. Die Poolvereinbarung III

erfüllt auch im Übrigen die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 WpÜG.

Unerheblich ist es, wie bereits ausgeführt, in diesem Zusammenhang für die

Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 2 WpÜG, dass sich der jeweilige

Inhaber des Geschäftsanteils Nr. 1 bei Abstimmungen im Rahmen der

Poolvereinbarung III immer durchsetzen wird, und der Antragsteller daher im

Ergebnis keinen Einfluss auf die im Rahmen der Poolvereinbarung III

festgelegte Ausübung von Stimmrechten aus NSE-Aktien hat. Der mitgeteilte

Sachverhalt bietet auch keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen der

Einzelfallausnahme in Sinne des § 30 Abs.1 Satz 1 WpÜG. Die Poolvereinbarung

III ist erstmals zum 31.12.2030 ordentlich kündbar und damit für einen

längeren Zeitraum und ohne jegliche inhaltliche Einschränkung geplant. Auch

der Umstand, dass der Antragsteller aller Voraussicht nach im Zuge der

Umstrukturierung nur sehr kurzfristig Partei der Poolvereinbarung III sein

wird, begründet vorliegend nicht den Tatbestand der Einzelfallausnahme, da

dieser Umstand in der Poolvereinbarung III nicht berücksichtigt wird und

auch nicht anderweitig sichergestellt ist, dass er tatsächlich auch

eintritt. Aufgrund der Poolvereinbarung III sind dem Antragsteller daher ab

dem Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit die Stimmrechte aus den von der N-lntegral

im Vollzugszeitpunkt VI noch gehaltenen 44.943.675 NSE-Aktien nach § 30 Abs.

2 WpÜG zuzurechnen. In dem Fall, dass der Formwechsel vor der

Amtsniederlegung wirksam wird, sind dem Antragsteller mit Wirksamkeit des

Formwechsels und damit mit Wirksamkeit der Poolvereinbarung III Stimmrechte

aus insgesamt 48.087.675 NSE-Aktien nach § 30 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 WpÜG

bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG jeweils i.V.m. § 2 Abs. 6 WpÜG und damit rund 41,63%

der Stimmrechte in der Zielgesellschaft zuzurechnen, wodurch er bereits zu

diesem Zeitpunkt die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangen würde.

2.2 Befreiungsgrund

Die Voraussetzungen für eine Befreiung des Antragstellers gemäß § 37 Abs. 1

Var. 5 WpÜG von den Pflichten des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG

liegen vor. Die fehlende tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung der Kontrolle

rechtfertigt es, (auch) unter Berücksichtigung der Interessen der anderen

Inhaber von Aktien der Zielgesellschaft eine Befreiung von den

Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG auszusprechen.

Nach den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls

ist es ausgeschlossen, dass der Antragsteller tatsächlich die Kontrolle über

die Zielgesellschaft ausüben kann. Der Antragsteller kann weder im Rahmen

der Poolvereinbarung III noch über die N-Stiftung Einfluss auf die

Zielgesellschaft bzw. im kontrollrelevanten Umfang auf die Ausübung von

Stimmrechten aus NSE-Aktien nehmen. Die im Rahmen der Poolvereinbarung III

zu treffenden Entscheidungen bestimmt nach den in der Rahmenurkunde

vorgesehenen vertraglichen Gestaltungen allein der Inhaber des

Geschäftsanteils Nr. 1, also entweder GN oder die Nemetschek

Familienstiftung, nicht aber der Antragsteller. Mittels der Poolvereinbarung

III kann der Antragsteller daher keinen Einfluss auf die Zielgesellschaft

nehmen.

Die N-Stiftung hat sich im Rahmen der Poolvereinbarung II verpflichtet, das

Stimmrecht aus allen von ihr gehaltenen NSE-Aktien stets nach den Weisungen

der Nemetschek KG auszuüben. Auch die N-Stiftung ist daher an der Ausübung

der Kontrolle über die Zielgesellschaft nicht beteiligt. Demzufolge kann

durch die Begründung eines sonstigen beherrschenden Einflusses über die

N-Stiftung durch den Antragsteller im Zuge der Amtsniederlegung nicht dazu

führen, dass der Antragsteller im materiellen Sinn Kontrolle über die

Zielgesellschaft ausüben kann.

2.3 Ermessen

Die Erteilung der beantragten Befreiung nach § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG liegt

im Ermessen der BaFin. In die Abwägung sind die Interessen des

Antragstellers und diejenigen der anderen Inhaber der Aktien der

Zielgesellschaft einzustellen. lm Ergebnis überwiegen hier die Interessen

des Antragstellers, kein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG an die Aktionäre der

Zielgesellschaft unterbreiten zu müssen, die Interessen der Aktionäre der

Zielgesellschaft an einem Angebot.

Der formale Kontrollerwerb des Antragstellers bietet den außenstehenden

Aktionären keinen Anlass, eine außerordentliche Desinvestitionsentscheidung

zu treffen. Vielmehr bleibt die materielle Kontrollsituation letztlich

unverändert, da sich der Antragsteller bei Entscheidungen im Rahmen der

Poolvereinbarung III nie durchsetzen kann und sich die N-Stiftung im Rahmen

der Poolvereinbarung II den Weisungen der bisher und auch zukünftig die

unmittelbare Kontrollposition innehabenden Nemetschek KG unterwirft, welche

die N-Stiftung weder herbeiführen noch beeinflussen kann. Somit müssen die

außenstehenden Aktionäre auch keine transaktionsbedingte Änderung in der

Unternehmensführung der Zielgesellschaft erwarten, so dass ihr etwaiges

Interesse an einem Pflichtangebot als gering zu bewerten ist und jedenfalls

hinter dem Interesse des Antragstellers, nicht mit den Kosten eines

Pflichtangebots belastet zu werden, zurückstehen muss.

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