Die 2012 von Vorstandschef Christian Bertermann und Aufsichtsratsmitglied Hakan Koc gegründete Auto1 Group war in den vergangenen Jahren zügig gewachsen. Nun will das Start-up auch mit Hilfe des Börsengangs die nächste Stufe seiner Entwicklung erklimmen. Aus dem Börsengang floss dem Unternehmen ein Erlös von rund einer Milliarde Euro zu. Der Rest geht an die Altaktionäre, zu denen neben Bertermann und Koc auch der japanische Technologieriese Softbank gehört - die Japaner waren 2018 bei Auto1 eingestiegen.

Die Erlöse aus dem Börsengang will Auto1 unter anderem in den Ausbau seines Privatkundengeschäfts stecken - womit eine Aufholjagd beginnt. Denn noch macht das Geschäft mit privaten Kunden bei Auto1 nur einen Bruchteil aus. 2019 verkaufte das Unternehmen mehr als 615.000 Fahrzeuge. Doch nur etwa 10.000 gebrauchte Fahrzeuge wurden über die Plattform "Autohero" veräußert, die sich an private Interessenten richtet. Diese bekommen ihr Auto direkt nach Hause geliefert oder zu einer passenden Abholstation in der Nähe.

Im Großhandel ist Auto1 deutlich weiter. Das Unternehmen betreibt unter diesem Namen inzwischen die nach eigenen Angaben größte Großhandelsplattform für Gebrauchtwagen in Europa. Angeschlossen sind mehr als 60.000 gewerbliche Händler in mehr als 30 Ländern, die die Plattform über Online-Auktionen für den An- und Verkauf nutzen.

Im Geschäft mit privaten Kunden ist bislang die Zahl der Märkte mit neun ebenfalls noch weitaus überschaubarer. In Deutschland ist Auto1 auch mit der Marke "wirkaufendeinauto" unterwegs, für die der Börsenneuling vor allem im Fernsehen reichlich Werbung schaltet. Private Autoverkäufer können bei über 400 Abgabestationen in Europa ihr Fahrzeug zum vorher online festgesetzten Preis losschlagen.

Durch großen Einfallsreichtum sind die Werbeslogans bislang zwar noch nicht aufgefallen - doch vielleicht ändert sich auch das, denn auch beim Marketing will Auto1 dank der Gelder aus dem Börsengang künftig nachlegen.

So will der Vorstand um den studierten Betriebswirt Bertermann eine Flotte mit gläsernen Trucks aufbauen, die die Gebrauchtwagen für das "besondere Kundenerlebnis" ausliefern, wie er jüngst in einem Zeitungsinterview sagte. Das erklärte Ziel des Unternehmensgründers: Was im Großhandel geglückt ist, soll auch im Privatkundengeschäft klappen, Autohero soll zum führenden Einzelhändler für Gebrauchtwagen in Europa aufsteigen.

Wie viele Internet-Startups sieht auch Bertermann die große Chance im Netz. Noch kaufen die meisten Menschen ihren Gebrauchtwagen zwar lieber direkt beim Händler. Doch mit dem Trend zum Online-Handel sieht der Unternehmenschef den Vorteil auf seiner Seite.

Beim Buhlen um die Kundschaft ist Auto1 online aber nicht allein: Auch die schon seit längerem bekannten Vermittlerportale Autoscout24 und mobile.de sind im Netz präsent, und mit Heycar aus dem Volkswagen-Konzern hat ein weiteres Unternehmen vor allem Online-Wachstum im Auge, auch wenn die Geschäftsmodelle teils anders aussehen.

Derweil schreiben die Berliner noch Verluste. Für 2019 stand ein Fehlbetrag von rund 120 Millionen Euro in der Bilanz bei einem Umsatz von knapp 3,5 Milliarden Euro. Für 2020 hat das Unternehmen seine endgültigen Zahlen noch nicht veröffentlicht. Allerdings stellte Auto1 im Börsenprospekt einen Umsatzrückgang auf 2,8 Milliarden Euro in Aussicht, denn das Corona-Jahr war auch an den Berlinern nicht spurlos vorüber gegangen.

Unterdessen wird am Markt spekuliert, dass Softbank den Börsengang nach der festgelegten Haltefrist nutzen könnte, seine Beteiligung über kurz oder lang zu verringern oder zu verkaufen. So hat jüngst bereits der bisherige Vertreter von Softbank im Aufsichtsrat das von Industrie-Ikone Gerhard Cromme geleitete Gremium verlassen.

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