Auswahl an Anlagemöglichkeiten: Tradition schlägt Newcomer
Wer sich ernsthaft mit der Investition in Aktien, ETFs oder Rohstoffe beschäftigt, der will eine möglichst große Auswahl, um auch auf Nischenmärkte setzen zu können. Hier gibt es zwischen den Brokern große Unterschiede – vor allem zwischen den in den vergangenen Jahren gegründeten Neo-Brokern und den schon etwas älteren Online-Brokern. Der bekannteste deutsche Neo-Broker, Trade Republic, listet genau einen Handelsplatz auf: Das elektronische Handelssystem LS Exchange an der Börse Hamburg. Scalable Capital, der Zweite unter den „Neos“ kommt mit Xetra in Frankfurt und gettex immerhin auf zwei Handelsplätze („brokertest.de“). Nicht vergleichbar ist das mit dem Angebot des bereits 2003 gegründeten Brokers AGORA direct: Hier können Kunden nach Unternehmensangaben an 125 Börsen der Welt ihre Verkaufs- oder Kauforders platzieren.
Aber auch bei der Auswahl an Investmentfonds gibt es erhebliche Unterschiede: Der Traditionsbroker aus Berlin bietet 4.500 Investmentfonds, Trade Republic gar keine und Scalable Capital immerhin 2.000. Die Tagesschau stellt im vergangenen Jahr fest: „Die Produktpalette der Anbieter erfüllt nicht in allen Fällen die Wünsche der Privatanleger. Bei Finanzen.net zero, Trade Republic und Justtrade sind etwa nur Indexfonds von Produktpartnern der Broker handelbar…“.
Durch den direkten An- und Verkauf von Aktien an den Börsen Asiens ist das Trading bei AGORA selbst dann zu Handelszeiten möglich, wenn die europäischen Handelsplätze im Tiefschlaf sind.
Wird das Geschäftsmodell der Neo-Broker untersagt?
Da die neugestarteten Broker hinsichtlich der Auswahl an Anlageprodukten offensichtlich nicht punkten können verweisen sie mit erheblichem Werbeaufwand darauf, dass das Trading bei ihnen umsonst oder fast umsonst sei. Das im Gegensatz zu klassischen Online-Brokern keine Gebühr pro Ver- oder Ankauf erhoben wird ist zumindest oberflächlich betrachtet richtig.
Die europäische Politik betrachtet das Geschäftsmodell dieser Neobroker mit Skepsis. Die Fintechs verdienen ihr Geld damit, dass sie von Handelsplätzen für die weitergeleiteten Wertpapierorders der Privatanleger Zahlungen erhalten. Und dies nicht zu knapp: Nach Berechnungen der „Wirtschaftswoche“ erzielte „Trade Republic“ 2019/2020 einen Umsatz von 26,8 Millionen Euro, davon wären gut 17 Millionen Euro aus den „umstrittenen Provisionen“ geflossen.
Die Verbraucherzentralen haben das Geschäftsmodell der frisch gestarteten Aktien- und Anlageverkäufer Ende vergangenen Jahres auf den Prüfstand gestellt, ihr Fazit: „Auch wenn viele Neo-Broker mit niedrigen Gebühren oder gar kostenlosen Angeboten locken: Umsonst gibt es nichts. Durch Transaktionen entstehen Kosten, die an Sie weitergegeben werden. Online-Broker bekommen Provisionen, auch Rückvergütungen genannt, von den Handelsplätzen, bzw. von den Dienstleistern, die an den jeweiligen Handelsplätzen ihre Kaufaufträge entgegennehmen. Meist liegen die Provisionen, die Neo-Broker einstreichen, bei rund 3 Euro pro Kundenorder. Sie können sich aber auch, abhängig von Handelsumsatzgrößen, auf mehr als 17 Euro pro Kundenorder belaufen“.
Stichwort fehlende Transparenz – wer bei den Neo-Brokern handelt kann nur mit sehr viel Aufwand feststellen, wieviel ihn ein Deal wirklich gekostet hat.
Warum will die EU das Geschäftsmodell der Neo-Broker stoppen?
Die EU-Kommission will offenbar Provisionen für die Weitergabe von Handelsaufträge von Privatkunden verbieten. Dies geht aus einem Entwurf zur Reform der Finanzmarktregulierung hervor, der "Finanz-Szene.de" vorliegt. Demnach sollen die sogenannten "Payment For Order Flow" untersagt werden. Dies würde das Geschäftsmodell der Neobroker wie Trade Republic oder Scalable Capital frontal angreifen. Die EU-Kommission bezeichnet die durchgeleiteten Provisionen als "Praxis", die beendet werden müsse. Eine Entscheidung über dieses Provisionsverbot wird noch in diesem Jahr im Europäischen Parlament erwartet. Laut dem „Handelsblatt“ begründet die europäische Finanzaufsicht Esma den Gesetzesvorschlag damit, dass die „Rückvergütungen ernsthafte Sorgen um den Anlegerschutz aufkommen lassen“.
Für Online-Broker wie AGORA direct ist das kommende europäische Gesetz kein Problem, denn die Kunden bezahlen pro Order einen transparenten Preis, der nach einer Übersicht von brokervergleich.de durchaus marktfähig ist: „Damit zählt AGORA direct zu den günstigsten Brokern in unserem Vergleich. Das Agora direct Depot überzeugt besonders durch die ausgesprochen niedrigen Gebühren, die zu den günstigsten in unserem Vergleich zählen“.
Mit europäischer (Finanz)-Politik musste sich AGORA 2019 trotzdem auseinandersetzen. Weil es zu Beginn der 2000er-Jahre noch kein Regelwerk der deutschen Finanzaufsicht für Online-Broker gab, wurde AGORA zunächst als Limited in Großbritannien gegründet, um mit einer deutschen Niederlassung in den Markt zu gehen. Wegen des Brexits war nun ab Sylvester 2019 kein Handel für EU-Europäer mehr möglich – die Berliner Broker-Firma schaffte es rechtzeitig, ein deutsches Unternehmen zu kaufen und die Lizenz für den Handel in der Europäischen Union so zu halten. Mehr als 90 Prozent der Kunden machten den innereuropäischen Umzug bereitwillig mit.