Der Wiener Leitindex ATX hat am Mittwoch eine spektakuläre Rückkehr gefeiert: Erstmals seit Juli 2007 erreichte der heimische Börsenbarometer ein neues Rekordhoch. Mit einem Plus von 1,06 Prozent schloss der Index bei 5.000,70 Punkten und übertraf damit seine bisherige Bestmarke von 4.981,87 Einheiten aus der Vorkrisenära. Eine bemerkenswerte Entwicklung nach fast zwei Jahrzehnten des Auf und Ab.

Was treibt den österreichischen Börsenrausch?

Die Gründe für den historischen Aufschwung sind vielfältig. Internationale Anleger entdecken derzeit europäische Aktien neu - und der ATX profitiert davon besonders. Doch warum ausgerechnet Wien?

Marktexperten sehen mehrere Faktoren:
* Attraktive Bewertungen: Wiener Aktien handeln lange mit Abschlag zu anderen Märkten
* Hohe Dividendenrenditen: Besonders verlockend in unsicheren Zeiten
* Osteuropa-Fokus: Robuste Wachstumsaussichten in der Region
* Banken-Rally: Finanzwerte profitieren vom normalisierten Zinsumfeld

"Die vergleichsweise niedrigen Bewertungskennzahlen wirken in Wien zunehmend attraktiv", bestätigen Marktbeobachter. Dazu kommen Hoffnungen auf ein Ende des Ukraine-Kriegs und positive Impulse aus Deutschland.

ATX lässt internationale Konkurrenz hinter sich

Die Performance des heimischen Leitindex ist international beeindruckend. Seit Jahresbeginn legte der ATX um satte 36 Prozent zu - und übertrifft damit deutlich seine europäischen und amerikanischen Pendants:

  • Deutscher DAX: +19% (inklusive Dividenden)
  • Eurozonen-Index: +15,5%
  • US-Indizes: Trotz eigener Rekorde hinter ATX

Noch stärker präsentiert sich der ATX TR, der Dividendenzahlungen berücksichtigt. Dieser Total-Return-Index verbucht seit Jahresbeginn ein Plus von fast 43 Prozent. Das dürfte Anleger freuen, die auf regelmäßige Ausschüttungen setzen.

Diese Aktien treiben den Rekordkurs an

Besonders drei Sektoren profitieren von der aktuellen Aufwärtsbewegung:

Banken im Höhenflug
Die Finanzwerte BAWAG, Erste Group und Raiffeisen Bank International verbuchen dieses Jahr Kursgewinne zwischen 43 und 79 Prozent. Grund: Die steilere Zinskurve ermöglicht höhere Margen im Kerngeschäft.

Bau- und Industrieunternehmen
Unternehmen wie voestalpine, Strabag und Porr profitieren von deutschen Konjunkturpaketen. Sie sind dadurch in die oberste Börsenliga aufgestiegen.

Technologie-Pionier AT&S
Der absolute Spitzenreiter: AT&S mit einem beeindruckenden Plus von 156 Prozent seit Jahresbeginn. Der Leiterplattenhersteller punktet als Zulieferer für die KI-boomende Chipindustrie und genießt als europäischer Anbieter in einem asiatisch dominierten Markt eine Sonderstellung.

Von der Krise zum Comeback: Eine lange Reise

Der Weg zurück an die Spitze war lang und beschwerlich. Nach dem Allzeithoch 2007 brach der ATX während der Finanzkrise um fast drei Viertel ein. Es folgten Jahre des mühsamen Aufbaus mit Rückschlägen durch Eurokrise, Pandemie und Ukraine-Krieg.

Doch jetzt scheint die Geduld der Anleger belohnt. Die Kombination aus attraktiven Bewertungen, hohen Dividenden und günstigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen macht den Wiener Aktienmarkt zurzeit zur Geheimwaffe im internationalen Vergleich.

Die Frage ist: Kann der ATX seinen Höhenflug fortsetzen? Die Fundamentaldaten sprechen jedenfalls eine klare Sprache - und die internationale Anlegergemeinde hat Wien wiederentdeckt.