Arthrose-Leitlinie: Bewegung vor Operation
                                        Millionen Deutsche leiden an Kniearthrose – die neue S3-Leitlinie setzt auf Eigenverantwortung statt teure Eingriffe. Bewegung und Gewichtsreduktion werden zur ersten Therapiewahl.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 7,19 Prozent der Deutschen ab 20 Jahren leiden an Kniegelenksarthrose. Bei den über 60-Jährigen ist jede zweite Frau und jeder dritte Mann betroffen. Doch der Umgang mit der Volkskrankheit ändert sich grundlegend.
Die im Juli 2024 veröffentlichte S3-Leitlinie zur Kniearthrose markiert einen Paradigmenwechsel. Statt auf schnelle operative Lösungen zu setzen, rücken Bewegungstherapie und Lifestyle-Änderungen in den Mittelpunkt.
Patienten übernehmen das Ruder
"Die neue Leitlinie stellt die Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt", erklärt Prof. Dr. Christoph H. Lohmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Konservative Methoden werden zur ersten Wahl erklärt.
Die Empfehlungen sind eindeutig:
* Regelmäßige, individuell angepasste Bewegung stärkt die Muskulatur
* Gewichtsreduktion entlastet die Gelenke erheblich
* Jedes verlorene Kilogramm bremst das Fortschreiten der Krankheit
Übergewicht mehr als verdoppelt das Arthrose-Risiko. Die Rechnung ist simpel: weniger Gewicht bedeutet weniger Belastung für die bereits geschädigten Gelenke.
GLA:D® zeigt beeindruckende Erfolge
Das Therapieprogramm "Good Life with osteoArthritis from Denmark" beweist, dass der neue Ansatz funktioniert. Seit 2022 in Deutschland verfügbar, kombiniert GLA:D® Wissensvermittlung mit gezielten Übungen unter physiotherapeutischer Anleitung.
Die Resultate überzeugen: Bereits nach drei Monaten berichten Teilnehmer von deutlich weniger Schmerzen und verbesserter Gelenkfunktion. Besonders bemerkenswert: Die Einnahme von Schmerzmitteln sank um 28 Prozent – ein Effekt, der auch nach einem Jahr anhält.
Weniger Skalpell, mehr Selbsthilfe
Was bedeutet das für die Praxis? Ärzte sollen ihre Patienten intensiver aufklären und zum aktiven Selbstmanagement motivieren. Statt sofort zum Operationssaal zu schicken, stehen Beratung und präventive Maßnahmen im Vordergrund.
Die Behandlung wird multimodal: Physiotherapie bildet die Basis, ergänzt durch manuelle Therapien oder Tapes. Patienten erhalten Werkzeuge, um ihre Symptome selbst zu kontrollieren.
Kostendruck treibt Umdenken
Der Wandel kommt nicht von ungefähr. Jährlich werden über 200.000 künstliche Kniegelenke in Deutschland implantiert – teure Eingriffe, die oft vermeidbar wären. Programme wie GLA:D® können das Gesundheitssystem erheblich entlasten.
Die Anerkennung der GLA:D®-App als Medizinprodukt und Kooperationen mit Krankenkassen wie der BARMER sind wichtige Schritte zur flächendeckenden Versorgung.
Digitale Zukunft der Arthrosetherapie
Projekte wie "Smartphone-assistiertes Arthrosetraining mit Edukation" (SmArt-E) erforschen bereits die nächste Stufe. Digitale Anwendungen sollen Patienten dabei unterstützen, ihre Übungsprogramme eigenständig durchzuführen und Fortschritte zu verfolgen.
Hybride Versorgungsmodelle, die Präsenztermine mit digitalen Tools verbinden, könnten die Therapietreue weiter erhöhen. Für Millionen Arthrose-Patienten bedeutet das die Chance auf ein aktiveres Leben – durch eigene Kraft statt fremde Hilfe.








