Arbeitsmarkt-Paradox: Mehr Arbeitslose, weniger Fachkräfte

Österreichs Arbeitsmarkt steckt in einem fatalen Widerspruch. Während die Arbeitslosigkeit auf 367.120 Personen klettert, suchen 78 Prozent aller Unternehmen händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern.
Die Zahlen des Arbeitsmarktservice (AMS) für August zeigen eine Verschärfung der Krise: 4,2 Prozent mehr Menschen sind arbeitslos oder in Schulungen als im Vorjahr. Die Arbeitslosenquote erreichte 7,0 Prozent.
"Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen noch keine Trendumkehr am Arbeitsmarkt erkennen", erklärt AMS-Vorständin Petra Draxl die angespannte Lage.
Tourismus und Industrie besonders betroffen
Gleichzeitig meldet die Wirtschaftskammer dramatische Personalengpässe. Besonders der Tourismus, die Industrie sowie technische und handwerkliche Berufe leiden unter dem Fachkräftemangel.
Das Paradox wird durch einen Blick auf die offenen Stellen deutlich: Deren Zahl sank um 12,9 Prozent auf nur noch 80.838 verfügbare Positionen – davon sind 90 Prozent Vollzeitstellen.
Regierung plant Lohnkosten-Reform
Die Bundesregierung will mit einer schrittweisen Senkung der Lohnnebenkosten gegensteuern. Die geplante Entlastung über den Familienlastenausgleichsfonds soll Arbeit für Unternehmen günstiger machen.
Wirtschaftsexperten sehen in Österreichs hoher Abgabenquote einen Hauptgrund für die Beschäftigungshemmnisse. Die Industriellenvereinigung fordert zusätzlich Bürokratieabbau und stärkere Anreize für Vollzeitarbeit.
Rezession bremst Aufschwung
Nach zwei Rezessionsjahren prognostizieren Wirtschaftsforscher für 2025 nur minimales Wachstum von 0,3 Prozent. Diese Stagnation dämpft die Investitionsbereitschaft und verschärft den Stellenrückgang.
Besonders dramatisch: Junge Menschen finden immer schwerer Lehrstellen, während gleichzeitig Ausbildungsplätze in Mangelberufen unbesetzt bleiben.
Strukturproblem erfordert breite Lösungen
Arbeitsökonom Martin Halla warnt vor einem "Anreizproblem im Sozialsystem", das die Arbeitsaufnahme unattraktiv macht. Die Gewerkschaft vida fordert eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte – weniger Niedriglohnkräfte, mehr Investitionen in heimische Ausbildung.
Experten sind sich einig: Die Lohnkosten-Senkung allein reicht nicht. Nötig ist ein Maßnahmen-Bündel aus:
- Gezielten Qualifizierungsoffensiven für Arbeitslose
- Erleichterter Zuwanderung internationaler Fachkräfte
- Attraktivierung von Mangelberufen
- Besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Besserung erst 2026 erwartet
Die Oesterreichische Nationalbank sieht erst für 2026/2027 eine wirtschaftliche Erholung mit Wachstumsraten von 0,8 bis 1,1 Prozent. Bis dahin müssen Langzeitarbeitslose und ältere Personen besonders unterstützt werden.
Die Umsetzung der Reformen hängt entscheidend vom Bundeshaushalt ab. Ohne schnelle Weichenstellungen droht das Arbeitsmarkt-Paradox zur Dauerkrise zu werden.