Den Homo oeconomicus gibt es in seiner Reinform nur in der Theorie. In der Praxis verfolgen Menschen nicht ausschließlich ökonomische Ziele und handeln auch nicht vollständig und immer rational. Das gilt natürlich auch für die Börsianer. Gleichzeitig liegen nie alle für eine Anlageentscheidung relevanten Informationen vor. Wenn sich Investoren dieser Mankos bei der Kapitalanlage bewusst sind, können sie eine Reihe von Fehlern zwar nicht völlig vermeiden, aber zumindest abmildern.

„Verliebe dich nie in eine Aktie:“ Starke Emotionen beim Kauf oder Halten eines Werts sind ausgesprochen gefährlich. Immer wieder gibt es Aktien, die von Fans nach oben getrieben werden. Ihre Kurse lassen sich dann durch fundamentale Daten und Bewertungen nicht rechtfertigen. Dementsprechend hoch ist das Rückschlagpotenzial. Derzeit dürften sich vor allem in den Bereichen erneuerbare Energien, Elektromobilität und Corona-Impfstoffe Papiere mit irrationalen Kursniveaus finden lassen.

„Vermeide eine selektive Wahrnehmung:“ Eine emotionale Beziehung zu einer oder mehreren Aktien führt häufig dazu, dass Anlegende vor allem die positiven Nachrichten zu ihren Positionen wahrnehmen und die negativen verdrängen. Auffällig ist beispielsweise, dass beim E-Auto-Pionier die Gewinne regelrecht bejubelt werden. Dass diese aber kaum aus dem operativen Geschäft, dem Verkauf von Autos, stammen, sondern aus der Veräußerung von CO2-Zertifikaten, scheint die Tesla-Jünger nicht zu interessieren. Besser wäre es, wenn die Investierenden immer kritisch blieben und die Nachrichtenlage hinterfragten.

„Halte nicht an der Großwetterlage fest:“ Viele Investierende tun sich schwer damit, ihre Einschätzung des Börsenumfelds zu ändern. Besonders viel Überwindung kostet dies, wenn das Weltbild extrem ausfällt. Ein Beispiel ist die Aussage, Aktien seien alternativlos. Das suggeriert, dass sie eigentlich nicht fallen können. Natürlich gibt es Alternativen zu Aktien wie Unternehmensanleihen, Gold oder Cash. Wenn sich Rahmendaten ändern, sollten Anleger umgehend agieren und nicht an ihrer Einschätzung der Rahmenbedingungen festhalten. So ist es zumindest denkbar, dass infolge einer steigenden Inflation im weiteren Jahresverlauf trotz der expansiven Geldpolitik der Notenbanken die Zinsen anziehen. Was dies vor allem für Growth-Aktien bedeuten würde, liegt auf der Hand. In einem solchen Szenario würde es dann wieder heißen: „Cash is king.“

„Sitze Verluste nicht aus:“ Ein typischer Fehler, der auch Profis regelmäßig unterläuft, ist das zu lange Festhalten an verlustreichen Positionen. Obwohl das den meisten Investierenden bewusst ist, lassen sie häufig die Verluste laufen und nehmen umgekehrt Gewinne zu früh mit. Das ist psychologisch einfach zu erklären. Das Realisieren von Verlusten tut emotional weh, das Mitnehmen von Gewinnen streichelt dagegen die Seele. Wenn man immer so agiert, bleiben allerdings nur noch Ruinen im Depot übrig.

„Laufe nicht der Herde hinterher:“ Kritisch ist es fast immer, wenn sehr viele Börsenteilnehmende die Lage und die weitere Entwicklung an den Finanzmärkten gleich einschätzen. Denn häufig hat die Herde eben nicht recht. Besonderes Misstrauen ist angebracht, wenn sich alle Welt einig ist und einen Wert regelrecht hypt. Im Umkehrschluss heißt dies ja: Es ist schon jeder investiert, mit hoher Erwartungshaltung. Auf den Trost, dass man sich beim Falschliegen in bester und großer Gesellschaft befindet, lässt sich gut verzichten.

„Vermeide Klumpenrisiken:“ Es ist eine Binsenweisheit, dass sich durch eine vernünftige Diversifikation Risiken begrenzen lassen. Umgekehrt sorgen die bereits erwähnten Lieblingsaktien oder auch -branchen für unnötige und erhöhte Klumpenrisiken. Aktuell ist zu beobachten, dass beispielsweise die lang verschmähten Value-Aktien eine große Renaissance erleben, während der „geliebte“ Technologiebereich konsolidiert. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – so einfach ist das.

„Zahle keine absurden Preise:“ Was bei Auktionen gilt, lässt sich auch auf die Börse übertragen. Gerade zurzeit gibt es zahlreiche überzeugende Geschäftsmodelle, die wahrscheinlich mit sehr starken Überbewertungen einhergehen. Die Markt- oder Technologieführerschaft eines Unternehmens rechtfertigt nicht jeden Preis. Bei Kurs-Gewinn-Verhältnissen, die weit über dem Branchendurchschnitt liegen, sollten Anlegende lieber einmal an der Außenlinie stehen bleiben.

Die aufgeführten Fehler und die umgekehrt angeratenen Verhaltensweisen mögen auf den ersten Blick etwas trivial wirken. Unsere Emotionen sorgen jedoch dafür, dass ihre Umsetzung weitaus komplexer ist als gedacht. Sich dies bewusst zu machen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

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Aus dem Börse Express-PDF vom 14. Mai - hier zum kostenlosen Download

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