Amazon, Bitcoin & Nvidia: Billionen-Party mit Schönheitsfehlern

Liebe Leserinnen und Leser,

fünf Billionen Dollar – diese magische Marke hat Nvidia als erstes Unternehmen der Welt geknackt, während Bitcoin bei stolzen 110.000 Dollar notiert. Doch hinter der Rekord-Rallye an den Märkten brodelt es gewaltig: Amazon-Chef Andy Jassy streicht 14.000 Stellen und schwört, KI sei nicht der Grund. Apple und die Tech-Giganten pumpen unterdessen Hunderte Milliarden in ihre KI-Wetten. Ein Freitagnachmittag, der zeigt, wie schmal der Grat zwischen Euphorie und Ernüchterung geworden ist.

Die Billion-Dollar-Frage bei Amazon

Zwölf Prozent schoss die Amazon-Aktie gestern nach oben – der größte Kurssprung seit über zehn Jahren. Was Wall Street elektrisiert: AWS, die Cloud-Sparte des Konzerns, wächst mit 20 Prozent so schnell wie seit 2022 nicht mehr. Der Gewinn? Satte 2,8 Milliarden Dollar allein im dritten Quartal.

Doch Andy Jassy lässt zeitgleich eine Bombe platzen: 14.000 Mitarbeiter müssen gehen. Seine Begründung klingt wie aus einem Paralleluniversum – es gehe nicht um Kosten oder KI, sondern um "Kultur" und Effizienz. Währenddessen plant Amazon, 118 Milliarden Dollar in neue Rechenzentren zu stecken. Die Botschaft ist klar: Menschen raus, Maschinen rein – auch wenn der CEO das Offensichtliche leugnet.

Für deutsche Anleger besonders pikant: Die Telsey Advisory Group hebt ihr Kursziel auf 300 Dollar an. Bei aktuell 250 Dollar wären das nochmal 20 Prozent Potenzial. Doch die Frage bleibt: Kann ein Unternehmen, das Menschen durch Algorithmen ersetzt, langfristig seine Innovationskraft bewahren?

Bitcoin stabilisiert sich – aber die Ruhe täuscht

Bei 110.000 Dollar pendelt Bitcoin derzeit – weit entfernt von den 70.000 Dollar, die manche Medien fälschlicherweise melden. Der wahre Knaller kommt aber von Strategy (ehemals MicroStrategy): Das Unternehmen sitzt auf 640.808 Bitcoin im Wert von 71 Milliarden Dollar und hat damit einen Papiergewinn von fast 50 Prozent eingefahren.

CEO Phong Le verkündet stolz eine "Bitcoin-Rendite" von 26 Prozent für dieses Jahr. Die Aktie springt vorbörslich um sieben Prozent. Doch hier liegt der Haken: Strategy ist keine normale Firma mehr, sondern ein börsennotierter Bitcoin-Fonds auf Steroiden. Wenn Bitcoin hustet, bekommt Strategy eine Lungenentzündung.

Währenddessen startet Bitpanda in Großbritannien durch – mit 600 Krypto-Assets das größte Angebot im ganzen Königreich. Die Österreicher wittern ihre Chance: Jeder siebte Brite plant, in Krypto zu investieren. Für europäische Anleger ein Zeichen, dass die institutionelle Akzeptanz weiter steigt.

Nvidia und die Chip-Diplomatie

Jensen Huang, CEO von Nvidia, tänzelt auf dem diplomatischen Parkett. Nach einem Dinner mit Samsung-Boss Jay Y. Lee in Südkorea spricht er offen über Hoffnungen, die neuen Blackwell-Chips auch nach China verkaufen zu dürfen. "Die Entscheidung liegt bei Trump", sagt Huang und zeigt damit, wie sehr Geopolitik und Geschäft verschmolzen sind.

Die Ironie: Huang warnt gleichzeitig davor, Huawei zu unterschätzen. "Es ist töricht zu glauben, Huawei könne keine Systeme bauen", mahnt er. Samsung selbst kämpft unterdessen um Anschluss – die Gespräche über HBM4-Speicherchips für Nvidia könnten den Südkoreanern den Weg zurück an die Spitze ebnen.

Für Anleger wird der Chip-Sektor zum Minenfeld: MediaTek erwartet Milliarden-Umsätze mit KI-Chips bis 2027, Intel strauchelt, und ASML wird zum Objekt der Begierde aller großen Player. Die Message: Ohne eigene Chip-Kompetenz keine Zukunft im KI-Rennen.

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Apropos Chip-Sektor: Wer die Dynamik hinter Nvidia, TSMC & Co. verstehen und mögliche neue Gewinner frühzeitig identifizieren möchte, findet im aktuellen Spezialreport spannende Einblicke. Ich habe mir den Bericht „Die neue Nvidia – Europas unterschätzter Chip-Champion“ angesehen – mit interessanten Perspektiven, wie Europa im globalen Chip-Wettrennen aufholt.

Deutsche Rüstungsaktien im Stimmungstief

Während die Welt über KI-Billionen staunt, herrscht bei deutschen Rüstungswerten Katerstimmung. Die RENK-Aktie dümpelt trotz Analysten-Upgrade bei 65 Euro – dabei hatte Citigroup gerade erst das Verkaufssignal zurückgenommen. Hensoldt bekommt von der DZ Bank ein Kursziel von 116 Euro spendiert, die Aktie notiert aber träge bei 92 Euro.

Der wahre Verlierer der Woche: DroneShield. Minus 32 Prozent im Oktober, trotz eines Umsatzwachstums von 1.000 Prozent. Die Erklärung? Gewinnmitnahmen nach 400 Prozent Plus seit Jahresbeginn. Ein Lehrstück, wie schnell aus Lieblingen Stiefkinder werden können.

TKMS, der frisch abgespaltene Marineschiffbauer von Thyssenkrupp, kämpft nach seinem Traumstart ebenfalls mit der Realität. Von 107 Euro in der Spitze ging es runter auf 78 Euro. Die prall gefüllten Auftragsbücher – 18,5 Milliarden Euro – reichen offenbar nicht, um die Anleger bei Laune zu halten.

Pharma-Drama bei Novo Nordisk

6,5 Milliarden Dollar legt Novo Nordisk für die Biotech-Firma Metsera auf den Tisch – und die Aktie fällt. Der Grund: Anleger trauen dem Management nach dem Führungschaos der letzten Wochen nicht mehr über den Weg. Aufsichtsrat gegen Großaktionär, dazu 9.000 Entlassungen – das riecht nach Verzweiflung, nicht nach Strategie.

Bayer muss derweil 185 Millionen Dollar für PCB-Schäden blechen – eine Altlast von Monsanto aus den 1970er Jahren. Der Konzern will weiterkämpfen, doch die Gerichte zeigen wenig Gnade. Für die gebeutelte Aktie, die bei mageren 27 Euro dahindümpelt, ein weiterer Nackenschlag.

Tech-Earnings: Die Stunde der Wahrheit

Apple überzeugt mit seinem Holiday-Ausblick, die Aktie steigt vorbörslich um zwei Prozent. Das iPhone 17 scheint zu ziehen, trotz Lieferproblemen in China. Mit vier Billionen Dollar Marktwert bleibt Apple ein Schwergewicht – auch wenn Amazon mit seinem Cloud-Boom gerade die Show stiehlt.

Die wahre Sensation kommt aber von Canva: Die Australier verschenken ihre Affinity-Suite – eine vollwertige Alternative zu Photoshop und Illustrator. Adobe dürfte das gar nicht schmecken. Für kreative Privatanleger und Start-ups ein Geschenk des Himmels.


Die kommende Woche wird zeigen, ob die Rally Bestand hat. Am Dienstag entscheidet die Reserve Bank of Australia über die Zinsen – nach der Inflationsüberraschung dürfte es spannend werden. Die Bank of England pokert am Donnerstag: 30 Prozent Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung bedeutet, dass es so oder so Gewinner und Verlierer geben wird. Und dann wäre da noch der erste Jahrestag von Trumps Wahlsieg – ein Datum, das die Märkte traditionell nervös macht. Bleiben Sie wachsam, denn in diesem Markt kann sich das Blatt schneller wenden, als Jensen Huang "Blackwell" sagen kann.

Ihr Börsenkompass für bewegte Zeiten,

Andreas Sommer