Liebe Leserinnen und Leser,

während die meisten Blicke auf die üblichen Verdächtigen gerichtet sind, verschiebt sich die Tektonik der Technologiemärkte heute an ganz anderen Stellen. Alphabet katapultiert sich mit einem potenziellen Milliardendeal in eine neue Liga – und bedroht damit Nvidias scheinbar unantastbare Position. Gleichzeitig zeigt der Kryptomarkt erste Lebenszeichen, während deutsche Industriewerte zwischen Hoffnung und harter Realität navigieren. Drei Geschichten, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben – doch alle erzählen sie von Märkten im Umbruch, in denen etablierte Gewissheiten plötzlich zur Disposition stehen.

Der stille Coup: Wie Alphabet Nvidia ins Mark trifft

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Meta Platforms erwägt offenbar, ab 2027 massiv in Googles Tensor Processing Units (TPUs) zu investieren – ein Deal, der sich auf mehrere Milliarden Dollar belaufen könnte. Was zunächst wie eine technische Randnotiz klingt, ist in Wahrheit ein Frontalangriff auf Nvidias Dominanz im KI-Chip-Geschäft.

Die Alphabet-Aktie reagierte prompt: Nach einem Kurssprung von 6,3 Prozent am Montag legte sie im vorbörslichen Handel am Dienstag weitere 2,4 Prozent zu und nähert sich damit der magischen Marke von 4 Billionen Dollar Marktkapitalisierung. Seit Jahresbeginn steht ein Plus von rund 70 Prozent zu Buche. Nvidia hingegen gab vorbörslich drei Prozent ab – ein deutliches Signal, dass Anleger die strategische Tragweite verstanden haben.

Der Clou: Alphabet öffnet seine bisher exklusiv in eigenen Rechenzentren genutzten TPUs nun auch für externe Kunden. Das ist mehr als nur eine Produkterweiterung – es ist ein Paradigmenwechsel. Während Nvidia mit der Produktion seiner gefragten GPUs kaum hinterherkommt, bietet Google eine Alternative, die nicht nur verfügbarer, sondern laut Branchenberichten auch deutlich günstiger und energieeffizienter sein soll. Für Unternehmen wie Meta, die Milliarden in KI-Infrastruktur pumpen, könnte das den entscheidenden Unterschied machen.

Profiteur dieser Entwicklung ist auch Broadcom: Der Chipentwickler, der in Design und Produktion der TPUs involviert ist, legte nach einem Kurssprung von elf Prozent am Montag am Dienstag weitere Gewinne hin. Die Botschaft ist klar: Im Rennen um die KI-Vorherrschaft gibt es nicht mehr nur einen Platzhirsch.

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Grüner Wasserstoff auf dem Prüfstand: Thyssenkrupp Nuceras Realitätscheck

Während Tech-Konzerne um Zukunftsmärkte kämpfen, kämpft Thyssenkrupp Nucera schlicht ums Überleben seiner Wachstumsstory. Der Elektrolysespezialist, der noch vor zwei Jahren als Hoffnungsträger der Energiewende an die Börse gebracht wurde, muss nun brutal anerkennen: Der Markt für grünen Wasserstoff entwickelt sich deutlich langsamer als erhofft.

Die Zahlen sind ernüchternd: Für das laufende Geschäftsjahr 2025/26 erwartet das Unternehmen einen Umsatzrückgang auf 500 bis 600 Millionen Euro – nach 845 Millionen im Vorjahr und weit unter den Markterwartungen von 729 Millionen. Noch bitterer: Das operative Ergebnis könnte zwischen minus 30 Millionen und null Euro liegen, nachdem man gerade erst in die Gewinnzone zurückgekehrt war. Der Auftragseingang im Wasserstoff-Segment brach um über 90 Prozent ein.

Die Aktie stürzte am Dienstag zeitweise um mehr als zehn Prozent ab und nähert sich wieder ihrem Rekordtief von 6,86 Euro aus dem April. Seit Jahresbeginn hat das Papier fast 30 Prozent verloren – für Anleger der ersten Stunde, die beim Börsengang 20 Euro zahlten, ein Desaster.

Was hier sichtbar wird, ist symptomatisch für die gesamte Wasserstoff-Branche: Die technologische Vision ist da, die politische Unterstützung auch – aber finale Investitionsentscheidungen bleiben aus. Zu unsicher sind die Rahmenbedingungen, zu unklar die Wirtschaftlichkeit. Thyssenkrupp Nucera wird zum Lehrstück darüber, dass selbst vielversprechende Zukunftsmärkte Jahre brauchen können, um sich zu materialisieren.

Krypto-Comeback im Miniformat: XRP führt zaghafte Erholung an

Nach Wochen des Abwärtsdrucks zeigt der Kryptomarkt erste Stabilisierungstendenzen – wenn auch auf niedrigem Niveau. XRP führte am Dienstag mit einem Plus von 7,5 Prozent die Erholung an und notierte bei 2,19 Dollar. Das Handelsvolumen schnellte um über 50 Prozent nach oben, das Open Interest bei Futures stieg um 14,5 Prozent.

Bitcoin legte moderat um 1,5 Prozent auf 87.219 Dollar zu, liegt damit aber weiterhin 31 Prozent unter seinem Allzeithoch von 126.198 Dollar. Ethereum gewann 3,5 Prozent auf 2.893 Dollar. Die Gesamtmarktkapitalisierung kletterte um 1,8 Prozent auf 2,99 Billionen Dollar.

Treiber der Erholung sind weniger fundamentale Durchbrüche als vielmehr die gestiegenen Erwartungen an eine Fed-Zinssenkung im Dezember. Nach dovischen Kommentaren mehrerer Fed-Vertreter preist der Markt mittlerweile eine Wahrscheinlichkeit von 81 Prozent für eine weitere Senkung um 0,25 Prozentpunkte ein – vor einer Woche lag dieser Wert noch bei 50 Prozent.

Doch die Erholung bleibt fragil. Bitcoin-ETFs verzeichneten am Montag Abflüsse von 151 Millionen Dollar, angeführt von BlackRocks IBIT mit 149 Millionen. Ethereum-ETFs konnten hingegen Zuflüsse von 97 Millionen Dollar verbuchen. Das zeigt: Die Anleger bleiben gespalten, und von einer nachhaltigen Trendwende kann noch keine Rede sein.

Rüstungswerte stabilisieren sich – vorerst

Nach den herben Verlusten der Vorwoche versuchten deutsche Rüstungsaktien am Dienstag einen Stabilisierungsversuch. Rheinmetall legte 1,5 Prozent zu, RENK gewann 3,5 Prozent, Hensoldt 0,5 Prozent. Katalysator war eine Partnerschaft von Rheinmetall mit dem finnischen Start-up Varjo zur Ausstattung militärischer Simulationssysteme mit Mixed-Reality-Headsets – ein Markt, der bis 2030 auf 600 Millionen Euro wachsen soll.

Doch die Erholung bleibt von Unsicherheit überschattet. Die diplomatischen Bemühungen um einen Ukraine-Friedensplan laufen weiter, auch wenn Details umstritten bleiben. Für Anleger bedeutet das: Die Rüstungsrallye der vergangenen Monate könnte an ihre Grenzen stoßen, selbst wenn eine schnelle Lösung des Konflikts unwahrscheinlich bleibt.

Interessant ist die Perspektive: Während kurzfristig orientierte Investoren Gewinne mitnehmen, sehen Strategen wie Mark Haefele von UBS die Rüstungsindustrie weiterhin als langfristigen Megatrend – neben KI und Energiewende. Die ambitionierten EU-Verteidigungspläne über 800 Milliarden Euro sprechen dafür, dass die strukturelle Nachfrage bestehen bleibt.

Weitere Schlaglichter: Vom Bauhoffnungs-Schimmer bis zum Alzheimer-Flop

Bauwerte profitierten von überraschend starken Auftragszahlen: Das deutsche Bauhauptgewerbe verbuchte im September ein Plus von 7,7 Prozent – der beste Wert seit März 2022. Heidelberg Materials gewann 1,6 Prozent, Hochtief 1,3 Prozent. Hinzu kommt die Hoffnung auf Wiederaufbau-Geschäfte in der Ukraine, sollte es zu einer Waffenruhe kommen.

Novo Nordisk hingegen erlebte einen Rückschlag: Die Phase-3-Studien zu Semaglutid bei Alzheimer verfehlten den primären Endpunkt. Die Aktie verlor zwischenzeitlich zehn Prozent, konnte die Verluste aber auf 5,8 Prozent eingrenzen. Das "Lotterieticket", wie das Unternehmen das Projekt selbst nannte, brachte keinen Gewinn – und die strukturellen Probleme mit Preisdruck und Konkurrenz durch Eli Lilly bleiben bestehen.

Was diese Woche noch kommt

Am Mittwoch rücken die verzögerten US-Wirtschaftsdaten in den Fokus: PCE-Preisindex, Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze werden zeigen, ob die Fed-Zinssenkungserwartungen gerechtfertigt sind. Donnerstag ist Thanksgiving in den USA – die Börsen bleiben geschlossen, am Freitag wird nur verkürzt gehandelt. In Deutschland steht die Verabschiedung des Bundeshaushalts 2026 an, was europäischen Aktien Rückenwind geben könnte.

Was heute deutlich wird: Die Märkte befinden sich in einer Phase der Neuordnung. Alte Gewissheiten – Nvidias Chip-Monopol, die schnelle Skalierung grüner Technologien, die unaufhaltsame Krypto-Rally – werden hinterfragt. Wer jetzt investiert, muss genauer hinschauen als in den euphorischen Monaten zuvor. Denn die nächsten Gewinner stehen vielleicht nicht dort, wo alle suchen.

Einen aufmerksamen Dienstag wünscht Ihnen

Andreas Sommer