Alphabet, Palantir & Bitcoin: Wenn die Nervosität greifbar wird
Liebe Leserinnen und Leser,
manchmal verdichtet sich die Stimmung an den Märkten zu einem einzigen Moment – und heute Abend ist es so weit. Wenn Nvidia nach US-Börsenschluss seine Quartalszahlen präsentiert, hängt daran weit mehr als nur das Schicksal einer einzelnen Aktie. Mit 7,5 Prozent Gewicht im S&P 500 und einer Marktkapitalisierung von 4,5 Billionen Dollar ist der Chipgigant zum Lackmustest für den gesamten KI-Boom geworden. Der Fear & Greed Index steht bei nur noch 11 Punkten – mitten im Bereich extremer Angst. Kein Wunder: Die Märkte haben in den vergangenen Tagen 1,2 Billionen Dollar an Wert verloren, und die Frage lautet nicht mehr, ob Nvidia liefert, sondern ob selbst gute Zahlen noch reichen.
Der 320-Milliarden-Dollar-Moment bei Nvidia
Die Optionsmärkte signalisieren eine Kursbewegung von sieben Prozent in beide Richtungen – das entspricht einer potenziellen Marktwertschwankung von 320 Milliarden Dollar, mehr als bei jedem Earnings-Event in der Unternehmensgeschichte. Analysten erwarten einen Umsatzsprung um 57 Prozent auf 54,8 Milliarden Dollar im dritten Quartal. CEO Jensen Huang hat bereits vorgelegt: Über 500 Milliarden Dollar an kumulativen Aufträgen für die Jahre 2025 und 2026, allein für die Blackwell- und Rubin-Infrastruktur.
Doch die Messlatte liegt in schwindelerregender Höhe. Stifel-Analysten sehen Nvidia zwar weiterhin als Rückgrat des KI-Infrastruktur-Wachstums, doch die Bewertung hat extreme Erwartungen eingepreist. Sollte AMD den Wettbewerb intensivieren oder die Gewinnmargen von derzeit knapp 60 Prozent unter Druck geraten, könnte sich die Stimmung dramatisch drehen. Michael Burry, bekannt aus „The Big Short", hat bereits Put-Optionen auf Nvidia platziert – ein Warnsignal, das Anleger nicht ignorieren sollten.
Anzeige: Für Ihr Portfolio bedeutet diese Entwicklung im Chip-Sektor eine kritische Entscheidung: Nvidia ist nur eine Aktie – aber die gesamte Halbleiter-Industrie steht vor einem Megatrend, den die wenigsten Anleger vollständig erfasst haben. Ich habe analysiert, wie der Chip-Krieg zwischen USA und China sowie massive staatliche Förderung (US CHIPS Act: 280 Mrd. $, European Chips Act: 43 Mrd. €) den Sektor transformieren. In meinem kostenlosen Webinar zeige ich Ihnen nicht nur die Risiken bei Nvidia, sondern auch die europäische Alternative – eine bislang übersehene Chip-Aktie mit ähnlichem Potenzial wie Nvidia vor Jahren, die von diesem Megatrend massiv profitieren könnte. Zur Analyse: Die neue Nvidia – Chancen im Chip-Sektor
Bitcoin kämpft um die 90.000-Dollar-Marke
Während die Tech-Welt auf Nvidia starrt, ringt Bitcoin um Stabilität. Nach einem Absturz auf 89.455 Dollar am Vortag hat sich die Kryptowährung auf 90.258 Dollar erholt – ein Plus von 0,28 Prozent, aber weit entfernt von den Rekordhöhen im Oktober. Die Lage bleibt angespannt: Über 1 Milliarde Dollar an Liquidationen haben den Markt in den vergangenen 24 Stunden erschüttert, und die Gesamtkapitalisierung aller Kryptowährungen liegt bei 3,23 Billionen Dollar.
Interessanterweise zeigen Bitcoin-ETFs ein gespaltenes Bild. Während BlackRocks iShares Bitcoin Trust (IBIT) mit 523 Millionen Dollar die höchsten Tagesabflüsse seiner Geschichte verzeichnete – bereits der fünfte Tag in Folge mit Nettoabflüssen –, vertrauen strategische Käufer wie El Salvador weiter auf die Kryptowährung. Das mittelamerikanische Land kaufte inmitten der Marktpanik weitere 1.090 BTC unter 90.000 Dollar und baut seine Reserven auf fast 7.500 BTC aus. Ein klares Statement: Wer langfristig denkt, sieht in der Volatilität eine Chance.
Korrektur bei den Solana-ETFs: Entgegen erster Meldungen flossen in der ersten Handelswoche – nicht am ersten Tag – über 420 Millionen Dollar in die neu aufgelegten Spot-Solana-ETFs von Fidelity, Canary und anderen Anbietern. Fidelitys FSOL startete am 19. November mit 2,07 Millionen Dollar Zuflüssen. Die gestaffelte Markteinführung begann bereits am 11. November mit Bitwise, gefolgt von VanEck am 17. November. Für Solana selbst bedeutet das dennoch einen Meilenstein: Die Legitimation durch regulierte Anlageprodukte könnte Milliarden an institutionellem Kapital freischalten.
Palantir und die KI-Bewertungsfrage
Während Nvidia als KI-Infrastruktur-Champion gilt, steht Palantir für die Anwendungsseite – und genau hier wird es heikel. Die Aktie ist seit ihrem 3-Monatshoch Ende September um fast 20 Prozent gefallen, handelt aber immer noch mit einem KGV von rund 300. Michael Burry hat auch hier Put-Optionen platziert, die knapp zwei Drittel seiner Short-Wetten ausmachen.
Die Bewertung wirkt extrem ambitioniert, selbst wenn Palantir durch seine proprietären Daten und den Zugriff auf geschützte Datensätze – den „Burggraben des 21. Jahrhunderts" – einen echten Wettbewerbsvorteil besitzt. Eine 50-prozentige Korrektur ist bei diesen Kennzahlen jederzeit möglich, selbst wenn das Unternehmen solide Wachstumsraten liefert. Interessanterweise hat Palantir gerade seine Partnerschaft mit PwC in Großbritannien vertieft, unterlegt mit einem mehrjährigen Millioneninvestment. Die Allianz soll anspruchsvolle Daten- und KI-Lösungen für Wirtschaft und Staat entwickeln – ein Zeichen, dass die Substanz stimmt, auch wenn die Bewertung Fragen aufwirft.
Alphabet: Buffetts letzter Coup?
Warren Buffett hat angekündigt, sich zurückzuziehen – „I'm going quiet", schrieb er in seinem letzten Brief an die Aktionäre. Doch ganz leise wird er nicht: Künftig will er sich weiterhin jährlich mit einem Brief an die Aktionäre wenden, nur eben nicht mehr als CEO. Die Geschicke von Berkshire Hathaway übernimmt Greg Abel, und dessen Handschrift trägt bereits der jüngste Coup: Die Apple-Position wurde weiter reduziert, dafür investierte Berkshire 4,3 Milliarden Dollar in Alphabet.
Die Google-Mutter ist damit die zehntgrößte Beteiligung im Portfolio. Die Alphabet-Aktie legte in diesem Jahr bereits über 40 Prozent zu, getrieben von starkem Wachstum im Cloud-Computing-Geschäft und der Nachfrage nach KI-Diensten. Loop Capital stufte die Aktie von Hold auf Buy hoch und hob das Kursziel deutlich von 260 auf 320 Dollar an – ein Aufwärtspotenzial von rund 19 Prozent. Dennoch bleibt der späte Einstieg angesichts einer möglichen KI-Hype-Korrektur bemerkenswert. Berkshire verfügt über mehr als 380 Milliarden Dollar Cash – es bleibt spannend, wie Abel dieses Pulver einsetzen wird.
Rüstung und Luftfahrt: Rheinmetall und Airbus im Fokus
Abseits der Tech-Hysterie zeigen sich stabilere Geschäftsmodelle. Rheinmetall setzt sich ambitionierte Ziele und will bis 2030 die Umsatzmarke von 50 Milliarden Euro knacken. Die DZ Bank sieht die Aktie weiterhin als Favoriten im Verteidigungssektor, auch wenn der Kurs aktuell bei 1.700 Euro mit der Marke kämpft. Ein massiver Auftragsboom könnte dem Konzern zusätzliche Milliarden bescheren – die geopolitischen Spannungen sprechen dafür.
Bei Airbus hingegen trifft Rekordorder auf Realitätscheck. Emirates bestellte zwar weitere 65 Boeing 777X, doch bei Airbus speiste die Fluggesellschaft mit nur acht A350-900 ab – weit entfernt vom erwarteten Großauftrag für die A350-1000. Emirates-Chef Tim Clark kritisiert die Rolls-Royce-Triebwerke als zu wartungsintensiv. Das zeigt: Auch in Boomzeiten entscheiden technische Details über Milliarden-Orders.
Bayer: Ein Hoffnungsschimmer in schwierigen Zeiten
Bayer kann endlich einen Erfolg vermelden: Die EU-Kommission hat das Menopausen-Medikament Lynkuet zur Behandlung von moderaten bis schweren Hitzewallungen zugelassen. Das nicht-hormonelle Medikament soll perspektivisch zum Blockbuster werden – also einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Dollar erreichen. Allerdings dauert es oft Jahre, bis solche Größenordnungen erreicht werden.
Für Bayer ist der Erfolg dringend nötig: Wegen auslaufender Patente brechen die Umsätze mit dem Milliarden-Medikament Xarelto weg. Die Aktie reagierte dennoch mit einem Minus von 0,91 Prozent – die Anleger bleiben skeptisch, ob ein einzelnes Medikament die strukturellen Probleme des Konzerns lösen kann.
Was jetzt zählt
Die kommenden Stunden werden zeigen, ob die KI-Story intakt bleibt oder ob wir den Beginn einer größeren Korrektur erleben. Nvidia muss nicht nur liefern, sondern überraschen – alles andere dürfte enttäuschen. Am Donnerstag folgen dann die verspäteten US-Arbeitsmarktdaten für September, die Einfluss auf die Zinsentscheidung der Fed im Dezember nehmen könnten. Die Märkte preisen derzeit nur noch eine 42-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung ein – vor einem Monat galt sie noch als nahezu sicher.
In Zeiten extremer Angst entstehen oft die besten Chancen – aber nur für jene, die Substanz von Hype unterscheiden können. Bleiben Sie wachsam.
Bis morgen,
Andreas Sommer








