Alibaba, Micron & Gerresheimer: Wenn KI-Milliarden auf Bilanz-Prüfungen treffen

Liebe Leserinnen und Leser,

während Alibaba mit einer spektakulären KI-Offensive die Börse elektrisiert und Micron von der unstillbaren Gier nach Speicherchips profitiert, erlebt Gerresheimer gerade seinen schwarzen Mittwoch. Die Märkte zeigen heute wieder einmal, wie schnell sich Euphorie in Ernüchterung verwandeln kann – und warum die vermeintlich langweiligen Details in Geschäftsberichten plötzlich Milliarden vernichten können.

Die neue KI-Supermacht aus China

Alibaba hat heute Morgen die Katze aus dem Sack gelassen – und was für eine Katze das ist! Der chinesische Tech-Gigant stockt sein ohnehin schon üppiges KI-Budget von 53 Milliarden Dollar nochmals kräftig auf. CEO Eddie Wu ließ durchblicken, dass die bisherigen Pläne bei weitem nicht ausreichen werden. "Die Entwicklungsgeschwindigkeit hat unsere Erwartungen weit übertroffen", verkündete er auf der hauseigenen Apsara-Konferenz.

Die Börse feiert diese Kampfansage an die US-Konkurrenz: In Hongkong schoss die Aktie um fast 10 Prozent auf ein Vierjahreshoch. Dabei geht es um weit mehr als nur Geld. Mit dem neuen Sprachmodell Qwen3-Max, das über eine Billion Parameter verfügt, demonstriert Alibaba technologische Augenhöhe mit OpenAI und Co. Besonders brisant: Das Modell glänzt ausgerechnet bei der Code-Generierung – einem Bereich, der als Königsdisziplin der KI gilt.

Die geplanten Datenzentren von Brasilien bis Dubai zeigen zudem, dass Alibaba global denkt. Während Europa noch über KI-Regulierung debattiert, schaffen die Chinesen Fakten. Für deutsche Anleger bedeutet das: Der Wettbewerb im KI-Rennen wird härter, die Gewinner aber umso profitabler.

Microns Goldgrube namens Speicherhunger

Wenn es einen Gewinner des KI-Booms gibt, dann heißt er Micron Technology. Die Quartalszahlen, die das Unternehmen gestern nach US-Börsenschluss präsentierte, lesen sich wie ein Märchen aus dem Silicon Valley. Der Gewinn je Aktie explodierte von 79 Cent auf 2,83 Dollar. Die Prognose für das laufende Quartal? Mit 12,5 Milliarden Dollar Umsatz deutlich über den Erwartungen.

Das Geheimnis liegt im High Bandwidth Memory (HBM), jenen Spezialspeichern, ohne die moderne KI-Chips nicht funktionieren. Fast 2 Milliarden Dollar Umsatz macht Micron allein in diesem Segment – Tendenz steil steigend. Die Bruttomargen sollen auf über 51 Prozent klettern. Zum Vergleich: Vor einem Jahr dümpelten sie noch bei knapp über 40 Prozent herum.

Deutsche Bank, Goldman Sachs, Stifel – die Analysten überbieten sich mit neuen Kurszielen. 200 Dollar und mehr werden genannt. Der Aktienkurs hat sich in diesem Jahr bereits verdoppelt, doch die Party scheint gerade erst anzufangen. Cloud-Anbieter und Datacenter reißen sich um jeden verfügbaren Chip.

Der Absturz eines deutschen Hoffnungsträgers

Während Tech-Aktien neue Höhen erklimmen, erlebt Gerresheimer einen Albtraum. Die BaFin hat eine Prüfung des Konzernabschlusses eingeleitet – es geht um möglicherweise zu früh verbuchte Umsätze. "Bill-and-Hold"-Vereinbarungen nennt sich das Konstrukt, bei dem Kunden zwar bestellen, die Ware aber erst später abholen.

Die Reaktion der Börse war brutal: Zeitweise brach der Kurs um über ein Drittel ein. Selbst nach einer leichten Erholung steht ein Minus von rund 20 Prozent zu Buche. Seit Jahresbeginn hat die Aktie damit über die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Dabei geht es "nur" um einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag – Peanuts im Vergleich zum Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro.

Doch der Vertrauensverlust wiegt schwerer als die Summe selbst. Gerresheimer beharrt darauf, korrekt bilanziert zu haben. Die BaFin sieht das anders. Für Anleger ist das ein Déjà-vu der unangenehmsten Sorte – erinnert es doch fatal an frühere Bilanzprüfungen bei Wirecard oder Grenke.

Wenn Giganten die Plätze tauschen

Die heutigen Kursbewegungen zeigen exemplarisch den Wandel der Weltwirtschaft. Mercedes-Benz, einst Deutschlands Vorzeige-Konzern, tauscht still und leise seinen Technologievorstand aus – die Aktie reagiert kaum. BASF schließt eine weitere Produktion in Ludwigshafen – business as usual. Währenddessen explodieren die Bewertungen von KI- und Chip-Aktien in schwindelerregende Höhen.

Ist das eine Blase? Möglich. Aber die Nachfrage nach Rechenleistung und Speicher ist real. Jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, investiert in KI. Alibabas Milliarden-Offensive ist da nur der Anfang. Die Gewinner stehen fest: Nvidia für die Chips, Micron für den Speicher, die Cloud-Anbieter für die Infrastruktur.

Für deutsche Anleger bleibt die bittere Erkenntnis: Unsere Industrieperlen von gestern sind die Sorgenkinder von heute. Während Rheinmetall von geopolitischen Spannungen profitiert, kämpfen Chemie und Automobil ums Überleben. Die Zukunft wird woanders geschrieben – in Rechenzentren von Hangzhou bis Hongkong, in Chipfabriken von Taiwan bis Texas.

Morgen richtet sich der Blick auf den ifo-Geschäftsklimaindex und die US-GDP-Daten. Doch die eigentliche Frage bleibt: Wann springt Deutschland endlich auf den KI-Zug auf? Die Zeit läuft.

Mit den besten Grüßen aus der digitalen Zeitenwende,

Andreas Sommer


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