AFME: Europäische Kapitalmärkte hinken weltweit hinterher
• Die AFME (Vereinigung für Finanzmärkte in Europa) veröffentlicht ihren 7. Bericht zur Kapitalmarktunion. Dieser zeigt, dass die Europäische Union (EU) in fast allen wichtigen Bereichen im weltweiten Vergleich unterdurchschnittlich abschneidet.
• Die EU sieht sich einer jährlichen Finanzierungslücke von 800 Milliarden Euro gegenüber, um ihre selbstgesteckten Ziele in den Schlüsselbereichen Digitalisierung, Infrastruktur und Nachhaltigkeit zu erreichen.
• Europa bestätigt weiterhin seine Führungsrolle im Bereich ESG, verzeichnet jedoch ein langsameres Wachstum und eine mögliche Plateaubildung in diesem Bereich.
Die AFME (Association for Financial Markets in Europe – Vereinigung für Finanzmärkte in Europa) hat heute in Zusammenarbeit mit elf weiteren europäischen und internationalen Organisationen die 7. Ausgabe ihres jährlichen Branchenberichts „Capital Markets Union - Key Performance Indicators“ veröffentlicht. Der CMU-Bericht misst den Fortschritt der europäischen Kapitalmärkte anhand von neun wichtigen Leistungskennzahlen und analysiert die Entwicklung über die letzten sieben Jahre. Für 2024 zeigt die neu vorliegende Analyse der Leistungsindikatoren zur Kapitalmarktunion eine jährliche Finanzierungslücke innerhalb der Europäischen Union (EU) von etwa 800 Milliarden Euro.
Diese Mittel werden für Schlüsselbereiche wie Digitalisierung, Infrastruktur und Nachhaltigkeit benötigt, die die Grundlage für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU bilden. Um die bestehende Finanzierungslücke zu schließen, wird es künftig entscheidend sein, das volle Potenzial der Kapitalmärkte auszuschöpfen.
Der CMU-Bericht 2024 erscheint zu einem entscheidenden Zeitpunkt: Die EU formuliert aktuell ihre Agenda für die nächsten fünf Jahre. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat sich erst kürzlich dazu verpflichtet, eine „Spar- und Investitionsunion“ zu schaffen, um private Mittel in Innovation, Digitales und die grüne Transformation zu lenken. Die Eurogruppe stimmte im inklusiven Format Anfang November zu, somit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stimulieren.
Wie bereits im Draghi-Bericht skizziert ist die „Mobilisierung von Risikokapital – insbesondere für Start-ups und Scale-ups“ dank tiefergehenden, gut funktionierenden und integrierten Kapitalmärkte der Schlüssel für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in Europa, um Ersparnisse und Risikokapital sowohl von innerhalb der EU als auch von außerhalb des Staatenverbundes anzuziehen.
Die AFME begrüßt diese wichtigen politischen Initiativen und betont die Notwendigkeit, diese Anstrengungen zur Förderung der Kapitalmärkte innerhalb der EU dringend zu verstärken, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Die Leistungskennzahlen des diesjährigen CMU-Berichtes zeigen, dass die EU in Bereichen wie Fintech-Ökosystemen und Marktliquidität hinter globalen Mitbewerbern zurückbleibt. Das vermindert einerseits die Wettbewerbsfähigkeit der 27 EU-Länder und andererseits hat die Integration innerhalb des Staatenverbundes ebenfalls abgenommen. Zwar führt die EU weiterhin bei der Emission nachhaltiger Anleihen, allerdings deutet ein allgemeiner Rückgang seit 2021 auf eine mögliche Plateaubildung in diesem Bereich hin.
Insbesondere betont die Analyse, wie wichtig es ist, die Ersparnisse der privaten Haushalte zu mobilisieren. Die EU-Bürger halten derzeit 11 Billionen Euro in niedrig verzinsten Bargeld- und Bankeinlagen. Eine Umschichtung von Teilen dieser Gelder in produktive Anlageformen wird für die Stärkung des Kapitalmarktökosystems in der EU von entscheidender Bedeutung sein. Ohne ehrgeizige Strukturreformen riskiert die EU eine weitere Marktfragmentierung und einen Rückgang der globalen Marktkapitalisierung. Der CMU-Bericht 2024 zeigt, dass die EU zwar die Größe und Resilienz hat, um sich gegenüber den USA und China zu behaupten. Jedoch werden außerordentliche Reformen notwendig sein, um die EU-interne Marktfragmentierung zu überwinden und die noch nicht ausgeschöpften Finanzierungsmittel Europas zu heben.
Adam Farkas, Chief Executive bei AFME, sagt: “Unser jüngster CMU-Bericht der Leistungskennzahlen für 2024 zeigt, dass die EU-Kapitalmärkte weiterhin vor großen strukturellen Herausforderungen stehen. In den meisten Schlüsselbereichen – etwa dem Zugang zu Finanzmitteln für Unternehmen und KMU, den Fintech-Ökosystemen und der Marktliquidität – liegen wir deutlich hinter anderen Weltregionen zurück. Um sicherzustellen, dass die EU global wettbewerbsfähig bleibt, brauchen wir jetzt mutige Reformen! Es geht darum, Kapital besser zu mobilisieren und die Mittel des Privatsektors freizusetzen. Denn nur ein integrierter und effizienterer Kapitalmarkt kann diejenigen Initiativen finanzieren, die für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft so entscheidend sind!“
Zu den wichtigsten Ergebnissen des Berichts 2024 über die Leistungskennzahlen der europäischen Kapitalmärkte:
Die EU-Kapitalmärkte fallen zurück: Trotz einiger konjunktureller Zuwächse liegt die EU bei den meisten Schlüsselindikatoren wie Kapitalzugang, globaler Verflechtung und Marktliquidität hinter den USA, dem Vereinigten Königreich und China zurück. Die Kapitalmärkte der EU bleiben nach wie vor fragmentiert. Das untergräbt die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Europas auf globaler Ebene.
ESG-Führerschaft, doch langsameres Wachstum: Die EU zeigt sich nach wie vor führend im Bereich der nachhaltigen Finanzierungsinstrumente. 2024 stehen ESG-Anleihen für 13 % der gesamten Anleihe-Emissionen in der EU. Damit liegt Europa vor den USA und dem Vereinigten Königreich. Dennoch konnte die Ausgabe von ESG-Schuldtiteln in der EU nicht mit dem Wachstum bei Nicht-ESG-Emissionen Schritt halten. Zudem sank 2024 der Gesamtanteil von ESG-Produkten bezogen auf alle Schuldtitel auf 13 % – von 15 % im Jahr 2021. Das weist auf eine mögliche Plateaubildung hin.
Verschlechterung der EU-internen Integration: Der Bericht hebt einen besorgniserregenden Rückgang der Finanzintegration innerhalb der EU hervor. Auch die Europäischen Zentralbank hat diese Tendenz festgestellt. Diese Fragmentierung bedroht die finanzielle Stabilität der EU insgesamt und ihre Fähigkeit, weltweit auf den Kapitalmärkten wettbewerbsfähig zu bleiben.
EU-Verbriefungsmarkt bleibt unterentwickelt: Der EU-Verbriefungsmarkt bleibt weiterhin hinter den Märkten der USA, des Vereinigten Königreiches und Australiens zurück. Nur 1,9 % der ausstehenden EU-Kredite werden derzeit in verbriefte Vehikel oder Kreditverkäufe umgewandelt, verglichen mit 7 % in den USA, 2,8 % in Australien und 2,2 % im Vereinigten Königreich. In der ersten Hälfte des Jahres 2024 haben Emittenten aus lediglich neun der 27 EU-Mitgliedstaaten Verbriefungen als Finanzierungsquelle genutzt.
Wachsende Marktunterschiede: Nordeuropäische Länder wie Luxemburg und die Niederlande verfügen über tiefergehende Kapitalmärkte und einen besseren Zugang zu Finanzmitteln, während osteuropäische Länder hinterherhinken. Diese Ungleichheit stellt eine große Herausforderung für das Ziel der EU dar, einen integrierten Kapitalmarkt zu schaffen.
Stagnierendes EU-Fintech-Ökosystem: Die privaten Fintech-Investitionen in der EU sind nach wie vor niedriger als in den USA und im Vereinigten Königreich. Das schränkt die Fortschritte Europas im Bereich des digitalen Finanzwesens ein. Allerdings hat die EU eine führende Position bei der Ausgabe von Token-Anleihen eingenommen, die 20 % des weltweiten Marktes in diesem aufstrebenden Bereich ausmachen.