Indien setzt einen neuen Maßstab für digitale Identitätssysteme: Die zuständige Behörde UIDAI hat eine komplett neu entwickelte Aadhaar-App vorgestellt, die 1,4 Milliarden Bürgern erstmals vollständige Kontrolle über ihre biometrischen Daten gibt. Mit Funktionen wie selektiver Datenweitergabe und biometrischer Sperre könnte das System zum Vorbild für Europa werden – gerade in Zeiten, da die EU über digitale Identitätslösungen diskutiert.

Die neue Anwendung für Android und iOS markiert einen fundamentalen Kurswechsel: Weg vom papierbasierten Ausweis, hin zu einem System, bei dem die Nutzer selbst entscheiden, welche Informationen sie preisgeben. Was bedeutet das konkret? Bei einer Identitätsprüfung können Inder künftig nur Name und Foto offenlegen – Adresse oder Geburtsdatum bleiben verborgen. Diese granulare Kontrolle über persönliche Daten dürfte auch deutsche Datenschützer aufhorchen lassen.

Biometrische Daten auf Knopfdruck sperren

Besonders innovativ: die biometrische Sperrfunktion. Per Fingertipp können Nutzer ihre Fingerabdruck- und Gesichtsdaten blockieren. Keine Behörde, kein Dienstleister kann dann auf diese sensiblen Informationen zugreifen – bis der Nutzer die Sperre wieder aufhebt. Ein wirksamer Schutz gegen unbefugte Nutzung der persönlichsten aller Identifikationsmerkmale.

Für mehr Transparenz sorgt ein detailliertes Nutzungsprotokoll. Die App zeigt übersichtlich, wann und wo die Aadhaar-Nummer zur Authentifizierung verwendet wurde. Verdächtige Aktivitäten fallen so sofort auf – ein entscheidender Vorteil im Kampf gegen Identitätsdiebstahl.

Familienverwaltung und Offline-Zugriff

Die Entwickler haben an praktische Alltagsszenarien gedacht: Bis zu fünf Aadhaar-Profile lassen sich auf einem Gerät verwalten, sofern alle mit derselben Mobilnummer verknüpft sind. Eltern können damit problemlos die digitalen Identitäten ihrer Kinder oder älterer Familienangehöriger über ein einziges, gesichertes Interface steuern.

Auch ohne Internetverbindung bleibt die digitale ID verfügbar. Nach der Ersteinrichtung können Nutzer ihre gespeicherten Aadhaar-Details offline abrufen. Für Verifizierungsprozesse setzt die App auf QR-Codes: Ein in der Anwendung generierter Code wird bei Banken, Behörden oder anderen Stellen gescannt – papierlose Identitätsbestätigung in Sekundenschnelle.

Gesichtserkennung statt Papierkram

Die App integriert moderne Smartphone-Technologie nahtlos in den Verifizierungsprozess. Neben QR-Codes unterstützt sie Face ID zur Identitätsbestätigung. Im Hotel oder Geschäft können Nutzer ihre Identität per Gesichtsscan nachweisen – physische Dokumente werden überflüssig.

Der Einrichtungsprozess selbst ist mehrstufig gesichert: Nach Download aus dem Google Play Store oder Apple App Store geben Nutzer ihre zwölfstellige Aadhaar-Nummer ein, bestätigen ihre registrierte Mobilnummer via Einmalpasswort, durchlaufen einen Gesichtsscan zur Eigentumsbestätigung und setzen abschließend eine sichere PIN. Die neue App arbeitet parallel zur bestehenden mAadhaar-Anwendung, die weiterhin für bestimmte Funktionen wie die Bestellung physischer Ausweiskarten benötigt wird.

Vorbild für europäische Lösungen?

Dieser Schritt könnte wegweisend sein. Während die EU-Kommission über die European Digital Identity Wallet diskutiert, zeigt Indien bereits in der Praxis, wie nationale Identitätssysteme Sicherheit und Nutzerautonomie vereinen können. Mit Tools zur Datenkontrolle und biometrischen Sperre adressiert die UIDAI Bedenken, die auch deutsche Verbraucher umtreiben.

Die Risiken von Identitätsbetrug sollen spürbar sinken, während unzählige Prozesse verschlankt werden. In einer Zeit, da digitale Transaktionen zum Standard werden, setzt das System neue Maßstäbe: Smartphone-Sicherheit trifft auf staatliche Infrastruktur – und der Bürger behält die Kontrolle.