Der Hubertussee, nahe Mariazell, war wieder einmal Umgebung der mittlerweile vierten Börse Express-Panel-Diskussion, die wir gemeinsam mit Fame Investments veranstalten. Ein Ort, an dem es keine Ablenkung von außen gibt - es herrscht mehr oder minder mobilfunkfreie Zone rund um den Hubertussee...

Was der Intensität der Roundtables aber zuträglich ist. Ziel der Roundtables ist der Gedanken- und Erfahrungsaustausch von Kapitalmarktteilnehmern und -interessierten. Das geht von Anlagechancen, dem Aufzeigen von Risiken, über Regularien, Makroökonomie bis hin zu Themen der Versicherung. Wobei diesmal dem Thema Digitalisierung besonders Augenmerk geschenkt wurden. Danach fand das Treffen seine Fortsetzung im inoffiziellen Teil – sei’s bei einer Party Karambole, einem klassischen Kamin-Gespräch, der Bar...

Mit an Bord neben Gerald Siegmund, CEO von Fame Investments: Georg Feldmann (FH Wien), Helmuth Klöckl (kloeckl.cc), Alexander Steiner (LPG), Stefan Kern (Bitkern), Thorsten Schrieber (DJE Kapital), Dieter Wimmer (Comgest), Peter Kirschner (Anima Mentis) und Franz Pfann (phönix Wiener Neustadt). Dazu Max Fraisl (Österreichs einziges Daniel Craig-Double - siehe hier) und der u.a. als Falco-Fotograf bekannt gewordene Curt Themessl.

Digitalisierung im Fokus. Mitten drin‘ im Thema ist seit mittlerweile drei Jahren auch der größte bankenunabhängige Vermögensverwalter Deutschlands, die DJE Kapital. Mit einer digitalisierten Vermögensverwaltung auch für kleinere Einstiegsbeträge als die sonst üblichen 500.000 Euro. Vorstand Thorsten Schrieber schildert die Anfänge – und den ursächlichen Grund für diesen Schritt: MiFID II. Damit wurde das Geschäft der individuellen Vermögensverwaltung immer komplexer, der für den Kunden zu bewältigende Papierkram nimmt Stapeln ein … daher wurde der Onboarding-Prozess in Abstimmung mit der deutschen Aufsichtsbehörde BaFin digitalisiert.

Unterscheidungsmerkmale zu konkurrierenden Robo-Advisors in der digitalisierten Vermögensverwaltung sieht Schrieber mehrere: die Konkurrenz legt nur in ETFs und/oder Fonds an, DJE bietet auch die Einzelanlage in Aktien und Anleihen. Und, was überhaupt eine Rarität im deutschen/österreichischen Bankenmarkt ist: DJE kann auch Bruchstücke von Aktien verbuchen, was nicht oft, aber etwa im Fall von Berkshire Hathaway schlagend werden kann.

Schrieber sieht das Digitalisierungsangebot auch als Erfolg, „wir verdoppeln uns bisher jedes Jahr“, auch wenn er erwartet, dass sich das Projekt frühestens in vier Jahren für das Unternehmen rechnen wird.

Stellt sich die Frage, ob das digitalisierte Angebot das persönliche in (naher) Zukunft komplett verdrängen wird?

Schrieber ist davon überzeugt, dass die Digitalisierung nicht dafür sorgen wird. Denn selbst bei jenen, die über das digitalisierte Angebot eingestiegen sind, ist sich Schrieber sicher, dass diese nach einiger Zeit mit ihrem Berater zumindest einen Kaffee trinken möchten.

Was für Dieter Wimmer, Leiter Sales Austria bei Comgest, so etwas wie eine Voraussetzung für erfolgreiche Vermögensverwaltung ist. Wenn der Berater mehr als nur den Kontostand weiß… Die digitale Welt wird es nicht schaffen, die gesamte Breite der Vermögensverwaltung – lebenssituationsabhängig - abzudecken, nur Bruchstücke davon, ist Wimmer überzeugt. Und das kann für ihn dann mehr Risken bergen als man denkt – eine Missallokation ist nur eines der Probleme, wenn ein Portfolio aufgrund bruchstückhafter Informationen über andere Veranlagungen erstellt wird.

Was, wie Wimmer erzählt, derzeit aber eines der größten Probleme in der persönlichen Beratung ist: denn so sehr Menschen (Anleger und Anlegerinnen) auf Facebook und Co gern ihr Innersten offen legen, umso verschlossener zeigen sie sich im Gespräch mit dem Berater. Vielleicht schon erste Effekte des üblichen Robo Advisors-Vorgehens, wo Fragen nach dem Studienende eventueller Kinder nicht zum Standard-Repertoire gehören…

Dass ein Robo-Advisor-Vorgehen für den Kunden seine Tücken haben kann, sieht auch Finanzberater Helmuth Klöckl (http://www.kloeckl.cc/helmuth/) so – und verweist auf gelebte Praxis: die eigene Risikoeinstufung des Kunden ist in der Regel deutlich zu hoch: „Wer das vom Kunden 1:1 übernimmt … das kann richtig ins Auge gehen.“

Das Ganze, bzw. Bruchstücke daraus nahm Alexander Steiner, Mitglied im Team von Lansky, Ganzger + Partner (LPG), zum Anlass, den großen Vorteil der Digitalisierung über Blockchain einzuwerfen – die Möglichkeit der Tokonisation, unendlich viele Bruchstücke eines Ganzen zu repräsentieren. Speziell im Immobilienbereich eröffnen sich hier für (Privat)Anleger gerade völlig neue Möglichkeiten eines Investments – jedes Gebäude könnte tokonisiert werden – womit für jede Geldbörse ein Stück Anteil möglich ist. Und das zu minimalen Verwaltungskosten, da durch die Technologie dahinter alles automatisch funktioniert.

Somit neue Konkurrenz für klassische Immobilen-Fonds im Anrollen.

Überrollen wird die Blockchain so schnell aber nicht alles – darin ist sich Bitkern-CEO Stefan Kern sicher. Diese allein ist für ihn eigentlich keine große Änderung zum Jetzt: „Es sind weiter Zahlen im Computer: jetzt haben wir ein Register im Grundbuch, nachher ein Register, eine Datenbank namens Blockchain. In welchem Bereich es durch diese Technologie hingegen jedenfalls zu großen Veränderungen kommen wird, ist für Kern auch klar – bei jeglichem Verwaltungsaufwand. Denn Blockchain übernimmt automatisiert Arbeiten, wo derzeit Menschen etwas überprüfen und/oder bestätigen müssen.

Wohin sich die Digitalisierung jedoch langfristig entwickelt, darüber möchte Kern nicht einmal spekulieren – denn Schritt für Schritt: aktuell ist Blockchain das Thema, folgen wird die Künstliche Intelligenz … und danach die Kombination beider.

Übrigens: Die Kombination des Wortes Krypto und Währung hält Kern für nicht glücklich, da dies einen falschen Ansatz suggeriert. Denn eigentlich handelt es sich bei Coins um ein digitales Gut, das zu etwas berechtigt. Ein Gut, das auch gegen eine Währung getauscht werden kann …

Mit einem ‚Vorurteil‘ räumt auch Georg Feldmann von der FH Wien, mit dem Spezialgebiet Digitalisierung, auf: die Wortkreation „Neue Medien“ passt nicht zu einem Medium, das es wie das Internet seit 25 Jahren gibt. Entsprechend räumt er auch gleich mit einem anderen Vorurteil auf: dass Video-Gamer zum absolut überwiegenden Teil aus der Gruppe der Unter-20-Jährigen kommen. Weit gefehlt, denn diese von damals sind zu einem Gutteil auch heute noch dabei: 50 sind die neuen 30, sagt er dazu.

Für DJE-Vorstand Thorsten Schrieber keine Überraschung, deckt es sich doch mit den Alters-Statistiken der Kundenabschlüsse über die hauseigene digitale Vermögensverwaltung.

Heißt dann schlussendlich aber doch, dass die Digitalisierung alles überrollen wird?

Da kann Feldmann beruhigen und verweist auf die Generation Z, die heute 14/15-jährigen: Diese entdeckt gerade wieder den stationären Handel für sich, das Herumstreifen in Einkaufszentren: „Die Digitalisierung wird nicht alles vernichten. Weder alle Geschäfte noch das gesamte Banking. Sie wird einfach stärker ein Teil von Vielem sein.“

Apropos Teil von Vielem: BEX-Lifestyle-Redakteurin Michelle Yan berichtete von ihrer letzten China-Reise, wo mittlerweile selbst in der ‚tiefsten Provinz‘ das Zahlen per Handy zum geübten und angenommenen Alltag gehört. Und gleich dem Tipp für alle Reisenden: erst gar nicht versuchen mit Barem statt digitalem Geld ein Taxi zu besteigen…

Womit Tür und Tor fürs ‚Philosophieren‘ geöffnet war.

So fragt sich nicht nur Dieter Wimmer, ob er denn will, dass all seine Daten bzw. Einkäufe irgendwo abgespeichert sind: „Wir lassen uns immer mehr kontrollieren.“

Worauf (der gelernte Mediziner) Peter Kirschner nur vordergründig mit dem Totschlag-Argument kommt: jedem einzelnen geretteten Leben, das etwa eine Apple Watch mit entsprechender Funktion dem herbeigeeiltem Arzt ermöglicht, da er so vielleicht schneller zu einer richtigen Diagnose kommt: Apple Watch erkennt z.B. Herz-Rhythmusstörungen. Kirschner möchte aber auch nicht in einer Welt leben, wo aufgezeichnete digitale Daten über oder für ihn entscheiden. Und ist auch (als Arzt) kein Freund von ersten Anzeichen in so eine Entwicklung: Versicherungen die eine Prämienreduzierung in Aussicht stellen, wenn täglich z.B. 1000 Schritte gegangen werden. Hier zieht er Vergleiche mit Wimmers Vermögensberater: als Einzelschritt mag es ein Guter sein, aber passt es in den gesamten Kontext? (Anm. Was Kirschner mit einem gesamtheitlichen Ansatz meint, zeigte er der anwesenden Runde in einem eigenen Vortrag. Und hat das im Projekt Anima Mentis umgesetzt, in Wiens erstem Fitnesscenter für die Seele – siehe hier. Fazit zu Kirschner: Die Maschine wird den Mensch (Arzt) nicht ersetzen, aber irrsinnig unterstützen. Und: Die Entscheidungskraft muss immer beim Menschen bleiben: „Das ist meine Überzeugung – und auch, dass es so bleibt.“

Was wiederum Georg Feldmann nicht überraschen würde: „Das Urbedürfnis des Menschen ist, gehört zu werden. Das wird die Maschine niemals ersetzen können.“

Was – das gedeihliche Nebeneinander von Mensch und Digitalisierung – auch Franz Pfann, CEO von phönix Wiener Neustadt, nicht wundern würde. Denn das Wichtigste beim Dienstleister ist für den früheren Vertriebsleiter bei Großbanken, dass der/diejenige Menschen liebt: „Wenn man Menschen liebt, kann man auch die Beratungsqualität bringen. Wer Menschen nicht liebt, wird sich im Vertrieb und /oder Verkauf schwer tun.“ Und Pfanns Erfahrung bisher ist auch, dass die Mehrheit der Anleger für ihr persönliches Vermögen auch eine persönliche Beratung haben möchte: „Und das hat nichts mit dem Alter zu tun“.

Zum Schluss noch der „medizinische Ausblick“ auf den Fortgang der Digitalisierung: Der Mensch ist extrem anpassungsfähig. Als Mediziner lernt man aber in der Praxis, dass er nur durch Schmerzen lernt. Und wir Menschen geben gern die Verantwortung ab. 

 

Die Nachlese zum Roundtable 3 u.a. mit Wienerberger CEO Heimo Scheuch gibt's hier.