Trotz der anhaltenden Coronakrise blickt der Wiener-Börse-Chef Christoph Boschan optimistisch in das Jahr 2021. Die Börse setze ihren strategischen Kurs fort, ein "Wachstum in allen Dimensionen" sei angepeilt, sagte der Börse-Chef im Gespräch mit der APA. Dank guter Vorbereitung habe es aufgrund des Brexit bisher keine Komplikationen oder Verluste beim Handelsvolumen gegeben. Wie sich das Wettbewerbsgefüge mit Großbritannien weiter entwickle, werde sich aber erst zeigen.

Mit dem Brexit "entsteht vor den Toren der EU ein Offshore-Markt", so Boschan. In der Zukunft sei vor allem die Äquivalenz, also die Gleichwertigkeit in der Regulierung, entscheidend. "Diese Diskussion wird in aller Schärfe zu führen sein", sagte der Börse-Chef. London sei zwar sicherlich ein Gigant unter den Marktplätzen und ein wesentlicher Partner für die EU-Finanzplätze, es sei aber nicht zu unterschätzen, dass umgekehrt die EU für London ebenfalls ein wichtiger Partner ist.

Die Bedeutung des Äquivalenz-Themas habe sich bereits bei dem Streit zwischen der EU und der Schweiz gezeigt. Mitte 2019 hat die EU den Äquivalenzstatus der Schweizer Börsen auslaufen lassen. Das heißt, Banken und Vermögensverwalter aus der EU dürfen an der Schweizer Börse SIX grundsätzlich nicht mehr handeln, da die Börsenregulierung nicht mehr als gleichwertig anerkannt wird. Die Schweizer Regierung hat in Reaktion darauf ihrerseits den Handel mit Schweizer Aktien an den EU-Aktienmärkten verboten. Eine Einigung in dem Streit wurde bisher nicht gefunden.

Ein großes Thema an den Märkten war zuletzt auch der Höhenflug des Bitcoin. Trotz des Hypes bleibt der Wiener-Börse-Chef bei seiner kritischen Haltung gegenüber der Kryptowährung. Der Bitcoin habe nach wie vor zwei ihn kennzeichnende Eigenschaften: Er werde mangels Regulierung als Spekulationsinstrument und für den kriminellen Zahlungsverkehr genutzt. Daraus entstehe auch der Wert des Bitcoin. Lösen könne man das Problem nur mit mehr Regulierung. "Regulieren Sie den Bitcoin wie eine Währung oder ein Finanzinstrument, dann ist er nichts mehr wert," so Boschan.

Am Markt wurde dem Bitcoin zuletzt ein deutlich verbessertes Image nachgesagt, insbesondere nachdem der Bezahldienst Paypal vor einigen Monaten seinen US-Kunden den Handel mit Kryptowährungen ermöglicht hat. Der Kurs kletterte rund um den Jahreswechsel bis auf ein Rekordhoch von fast 42.000 Dollar, ist aber mittlerweile wieder deutlich eingebrochen.

Im Hinblick auf das neue Jahr hat der Börse-Chef überdies seine Forderung nach einer Behaltefrist für Aktien erneuert. Eine Frist von einem Jahr wäre aus seiner Sicht sinnvoll und notwendig. Damit würde die Börse in ihrer Funktion als ein Ort der langfristigen Anlage und nicht der kurzfristigen Spekulationsgeschäfte bestärkt werden. "Wir stehen für Investition und nicht für Spekulation", sagte Boschan.

Die Wiener Börse feiert heuer ihren 250. Geburtstag. Sie wurde 1771 von Maria Theresia gegründet und ist eine der ältesten Nationalbörsen weltweit. Zu Beginn wurden Anleihen und Devisen an der Börse gehandelt, erst ab 1818 notierte die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) als erste Aktie in Wien. Die ältesten durchgehend notierten Aktiengesellschaften sind Porr und Wienerberger, die seit 1869 an der Wiener Börse vertreten sind.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen gratulierte der Börse bereits Mitte Jänner via Videobotschaft zu dem Jubiläum. "Die Wiener Börse hat eine spannende Reise gemacht. Maria Theresia holte fortschrittliche Geister nach Wien, kurbelte die Wirtschaft an und legte dabei den Grundstein für unsere heutige Börse. Diese spielt auch heute eine entscheidende Rolle. Bei der Bewältigung der Pandemie brauchen die Betriebe Mut, Zuversicht und natürlich ausreichend Eigenkapital. Dann kann es auch schneller wieder bergauf gehen."

bel/ivn

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