Vor einem Jahr hatten wir ein schwierigeres Börsenjahr 2018 vorausgesagt, was dann besonders für die Exportweltmeister Deutschland und China zutraf. Die US-amerikanischen Beeinträchtigungen – unter anderem in der Handelspolitik – drückten diese beiden Aktienmärkte am meisten. Die Zinsprognose war richtig. Die allgemein vorausgesagten Zinssteigerungen traten nicht ein. In Europa gaben die Zinssätze noch einmal nach – und in den USA wurde zwar der Leitzins erhöht, die Zinsen für länger laufende Staatsanleihen gingen dagegen unerwartet stark zurück. Erwartungsgemäß wirkte sich die Bremspolitik der amerikanischen Notenbank nur unterdurchschnittlich stark aus. Die hohen freien Bankreserven, die zuvor im Zuge des Quantitative Easing der US-Notenbank Federal Reserve stark gestiegen waren, verminderten sich zwar – sie waren aber immer noch überdurchschnittlich hoch, um ausreichend Spielraum für weitere Kredite zu geben. Eine Kreditklemme, die für Aktienbaissen und Konjunkturschwächephasen kennzeichnend ist, ergab sich nicht. Eine drastischere Bremspolitik der Federal Reserve war auch nicht notwendig, da die Inflationsrate sich gegen Jahresende und am Jahresanfang 2019 sogar leicht abschwächte. Hintergrund waren die vorübergehend deutlich rückläufigen Ölpreise.

Deutsche und japanische Anleihen schwach

Anleihen sind weiterhin eine renditeschwache und langfristig kursgefährdete Anlage. Die deutschen und japanischen 10-jährigen Zinssätze wurden erneut leicht negativ. Auch in den USA liegt der Realzins nur wenig über Null. An vielen Börsen besteht eine bislang selten gesehene Differenz zwischen derartig niedrigen Zinsen für Staatsanleihen einerseits – und hohen Gewinnrenditen, international durchschnittlich 6 bis 7%, von Aktien andererseits. Besonders groß ist die Differenz in Deutschland mit etwa 8% Gewinnrendite für Unternehmen bei fehlender Verzinsung, also real sogar negativ, für Anleihen.

Aktien im leichten Aufwind

Daher müsste sich die deutsche Aktienbörse relativ gut entwickeln. Zwar sind die Probleme vor allem aus politischer Sicht – Trump torpediert den Welthandel – für Deutschland überdurchschnittlich groß, aber andererseits ist die Bewertung auch ungewöhnlich niedrig. Denn: Deutsche Aktien notieren bewertungsmäßig (Gewinn, Substanz) auf einem 50-Jahres-Tief gegenüber US-Aktien. Viele US-Aktien verdienen zwar aufgrund ihres höheren Wachstums auch eine bessere Bewertung, aber es gibt auch international tätige größere Aktiengesellschaften, die sowohl in Deutschland als auch Europa relativ niedrig bewertet sind – in den USA dagegen bei ähnlichem Betätigungsfeld wesentlich höher.

Günstige Bewertungen in Europa und Deutschland

Durchschnittlich dürfte der deutsche Aktienmarkt jedoch auch auf längere Sicht niedriger bewertet werden als die Wachstumsmärkte USA oder Asien. In Deutschland fehlt es an Wachstumsunternehmen, etwa aus dem Internet-Sektor. Trotzdem erscheint das Chance/Risiko-Verhältnis für deutsche und europäische Aktien aktuell günstig. Auch aus markttechnischer Sicht haben europäische Titel Nachholbedarf. Internationale Fondsmanager sind aktuell zum Beispiel in europäischen Aktien stark untergewichtet. Die flexibel eingestellten internationalen Fondsmanager hatten zuletzt sogar Leerverkäufe in europäischen Aktien zu ihrer bevorzugten Anlagestrategie erklärt. Wenn aber die Masse der Fondsmanager auf fallende Kurse in Europa setzt, war dies in der Vergangenheit noch nie eine richtige Strategie.

USA spielen wieder stärker Weltpolizei

Abgesehen von den USA sind Aktien international preiswert bezogen auf Gewinne und Substanz. Allerdings herrscht auch eine erhebliche politische Unsicherheit. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist noch nicht beendet. Längerfristig werden die Amerikaner – da sind sich Demokraten und Republikaner einig – versuchen, das chinesische Wirtschaftswachstum zu bremsen. Beispielgebend sind die politischen Interventionen der USA, den westlichen Verbündeten eine Installation von Huawei-Telekom-Systemen im 5G-Standard zu untersagen. Auch die Drohungen der US-Amerikaner in Sachen Nord Stream 2-Pipeline sprechen für sich. Die Deutschen sollen, übrigens ein Drittel teureres, amerikanisches Flüssiggas beziehen – und nicht wie in den Jahrzehnten zuvor inklusive des Kalten Krieges Erdgas aus Russland.

Ölpreis unter Druck

Politische Unsicherheiten gibt es daher weiterhin im Ölsektor. Die Iran-Sanktionen haben den Ölpreis zunächst nach oben getrieben, die US-amerikanische Rekordförderung hat ihn dann wieder gesenkt. Drastische Produktionskürzungen in Saudi-Arabien und massive Angebotsausfälle in Venezuela führten im Jahresverlauf zu einem erneuten Preisanstieg. In Venezuela könnte sich sogar ein Stellvertreter-Krieg zwischen den USA auf der einen Seite und Russland und China auf der anderen Seite entwickeln. Die Amerikaner liefern erstmals seit Jahrzehnten wieder Waffen nach Taiwan, was Konflikte mit China auslösen könnte.

Brexit mal nüchtern betrachten

Den Brexit haben wir nie als großes Problem für die Aktienmärkte gesehen. Weder die Briten noch die EU-Politiker werden so kurzsichtig sein, Großbritannien aus dem gemeinsamen Markt zu werfen. Damit dürften die wirtschaftlichen Schwierigkeiten weit geringer ausfallen als allgemein erwartet. Da Großbritannien einer der wichtigsten  Exportmärkte für Deutschland in Europa ist, wäre ein harter Brexit ein erhebliches Risiko.

Trotz Unsicherheiten – freundliches Börsenklima

Insgesamt erwarten wir trotz dieser Unsicherheiten eine selektiv freundliche Börse. In den USA werden im 1. Halbjahr zwar Gewinnrückgänge bei den Aktiengesellschaften erwartet – im 2. Halbjahr jedoch wieder Gewinnsteigerungen nach der sich abzeichnenden freundlicheren Notenbank-Politik. In China deuten erste Frühindikatoren bereits auf eine Konjunkturbesserung hin. Die Bewertungen sind in Asien generell niedrig. Besonders in Hong Kong rechnen wir mit einer freundlichen Börsentendenz. Viele Aktien haben an diesem Markt eine überdurchschnittliche Dividendenrendite. Eine Lockerung der amerikanischen Geldmarktpolitik überträgt sich wegen der Wechselkursbindung, also fester Kurs zwischen US- und Hong Kong Dollar, automatisch auf die Konjunktur in Hong Kong.

Rohstoffe: Steigende Nachfrage bei gleichzeitiger Verknappung

Eine Konjunkturbelebung in den Schwellenländern wirkt sich positiv auf die Rohstoffpreise und damit auf die Rohstoffbörsen und Rohstoffwährungen aus. Für die meisten Rohstoffe ist mit einer Angebotsknappheit zu rechnen, so dass eine anziehende Nachfrage zu höheren Preisen führen könnte. Ähnliches gilt für Gold, wo die Minenproduktion zurückgehen dürfte und die in den letzten Jahren niedrige Nachfrage der Anleger wieder steigen könnte. Aufgrund der zahlreichen politischen Unsicherheiten weltweit beginnen besonders die Chinesen wieder stärker Gold nachzufragen. Im vergangenen Jahr haben auch die Notenbanken international zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Rekordkäufe in Gold vorgenommen. Wir halten deshalb an unseren Goldbeständen in den Fonds und Depots fest.

Ausblick 2019: Politik ist Markttreiber, Euro hat Potenzial

Risiken sehen wir mehr in politischer Hinsicht als den sonst von Börsentrends entscheidend prägenden Notenbanken. Die Amerikaner haben von Dezember 2018 auf Ende Januar 2019 eine 180-Grad-Wende in Richtung Lockerung vollzogen. Um einen Gesichtsverlust zu vermeiden, dürfte die US-Notenbank damit in absehbarer Zeit nicht die Zinsen wieder erhöhen. Dies erscheint im Hinblick auf die schwächeren Konjunkturdaten in den USA auch ratsam. Trump braucht für eine Wiederwahl eine gute Konjunktur im kommenden Jahr. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die amerikanische Notenbank die Zinsen nicht vor dem nächsten Wahltermin im November 2020 erhöhen wird. Für die Weltbörsen wäre dies aus monetärer Sicht ein gutes Umfeld.

Um die schwächelnde Konjunktur in Europa aufzufangen, müsste Europa fiskalpolitisch expansiver werden. Nur mit einer solchen Politik könnte Europa gegenüber den USA konjunkturell aufholen. Dann würde sich auch der Euro gegenüber dem Dollar wieder verbessern verglichen mit derzeitiger Unterbewertung von rund 18% hinsichtlich der Kaufkraft. Die deutliche Schwächeperiode des Euros seit der Finanzkrise könnte dann einer stabileren Phase weichen.