Deutsche Aktien gelten für viele Investoren als langweilig. Richtig gut gelaufen sind sie ja auch nicht, zumindest wenn man den seit Jahren seitwärts laufenden DAX-Chart betrachtet. Auskömmliche Renditen gab es eher in Übersee. Hält dieser Trend an oder ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um sich verstärkt unter den einheimischen Aktien umzusehen? Drei für The Motley Fool schreibende Autoren geben Einblick, wie sie aktuell über diese Anlegerfrage denken.

Der deutsche Aktienmarkt ist viel zu klein, als dass man ihn übergewichten sollte

Andre Kulpa: Anleger die sich selbst ein Depot zusammenstellen wollen, sollten meiner Meinung nach immer darauf achten, möglichst Aktien zu kaufen, die kaum in Korrelation zueinander stehen. Ich halte deshalb eine ausreichende Branchen- und Ländermischung für sehr wichtig. Aber gerade diese lässt bei vielen deutschen Anlegern zu wünschen übrig.

Denn gerade der Deutsche wird sehr stark vom sogenannten Home Bias heimgesucht. Und das bedeutet, dass in vielen heimischen Depots der Anteil an deutschen Aktien sehr hoch ist. Wenn man jetzt allerdings bedenkt, dass der Wert aller deutschen Aktien am Weltaktienmarkt nur 2 bis 3 % ausmacht, holt man sich so meiner Meinung nach ein gewisses Klumpenrisiko in sein Depot.

Der deutsche Aktienmarkt ist also gemessen an der weltweiten Marktkapitalisierung aller Unternehmen sehr klein. Laut „Handelsblatt“ wiesen am 24.07.2019 allein die beiden US-Konzerne Amazon (WKN: 906866) und Microsoft (WKN: 870747) mit 2.047 Mrd. US-Dollar eine höhere Marktkapitalisierung auf als alle 763 deutschen börsennotierten Unternehmen zusammen!

Ich würde deutsche Aktien aufgrund dessen eigentlich nie übergewichten. Denn setzt man hier zum Beispiel den Maßstab der Risikoverteilung an, ist man mit zu vielen deutschen Werten im Depot unter Umständen nicht gut beraten. Und vor allem entgehen einem die Chancen, die gerade auf dem internationalen Aktienmarkt eben viel größer sein können als in Deutschland.

Deutsche Aktien bieten jetzt ein gutes Chancen-Risiko-Verhältnis

Ralf Anders: Ja, Andre, das sind natürlich schon Argumente, die man grundsätzlich berücksichtigen sollte bei seiner Diversifizierungsstrategie. Trotzdem denke ich, dass deutsche Aktien gerade jetzt stärker in den Fokus rücken sollten. Was dafür spricht, sind gleich mehrere Gründe. Zunächst ist einfach festzustellen, dass wir uns bei deutschen Marken einfach besser auskennen, weil wir mit ihnen aufgewachsen sind. Das ist ein Informationsvorteil, der nicht zu vernachlässigen ist, vor allem wenn es hektisch wird an den Börsen.

Dann kommt es nämlich darauf an, eine Idee vom „wahren“ Wert zu haben, unabhängig von der Tagesstimmung. Wenn ich hierbei keine gefestigte Meinung habe, dann wird es schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren und die richtigen Handelsentscheidungen zu treffen. Hinzu kommt, dass viele deutsche Aktien eher schlecht gelaufen sind über die letzten Jahre, selbst wenn die Unternehmen wachsen und hohe Gewinne schreiben, wie etwa Daimler (WKN: 710000) oder BASF (WKN: BASF11). In der zweiten Reihe gibt es noch extremere Beispiele, sodass ich trotz der starken Entwicklung seit August vielerorts noch einiges an Nachholbedarf sehe.

Vielfach ist auch von mangelnder Innovationskraft die Rede, und tatsächlich agiert Deutschland zum Beispiel bei Fintech sowie der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sehr zögerlich. Andererseits sind deutsche Unternehmen bei einigen der zentralen Themen unserer Zeit ganz vorne dabei, egal ob es um die Mobilitätswende, die Energiewende oder Industrie 4.0 geht.

Bei schnellen, fokussierten Tools macht dem Silicon Valley niemand etwas vor, aber wenn es um die großen ganzheitlich gedachten Lösungen geht, setzt Deutschland auf globaler Ebene wichtige Impulse. Dass der Fiskus sein Pulver trocken hält, um bei einem etwaigen verschärften Konjunktureinbruch tatkräftig einschreiten zu können, halte ich abschließend für ein zusätzliches Plus, das mich in diesen unruhigen Zeiten bevorzugt in Deutschland nach einzigartigen Investitionsgelegenheiten umsehen lässt. Ergibt das Sinn für dich, Florian?

Gerne mehr deutsche Aktien, wenn sie meine Kriterien erfüllen

Florian Hainzl: Ja, Ralf, ich kann deiner Argumentation für den Standort schon folgen, vor allem den Vorteil des einheimischen Anlegers bei deutschen Aktien sollte man nicht unterschätzen. Daher hätte ich auch überhaupt kein Problem, einen größeren Fokus auf deutsche Aktien im Depot zu legen. Allerdings finde ich aktuell kaum interessante Anlagemöglichkeiten.

Viele der DAX-Aktien haben 2019 bereits deutliche Gewinnrückgänge verzeichnet und ich sehe trotz positiver Signale im Handelsstreit zwischen China und den USA noch nicht die Talsohle in der Weltwirtschaft erreicht. Daher scheiden für mich viele der DAX-Aktien aus, weil sie stark abhängig von der konjunkturellen Lage in der Welt sind und ich zumindest kurzfristig eher fallende Kurse und damit verbunden noch attraktivere Einstiegszeitpunkte sehe. In der aktuellen Situation halte ich es eher mit Warren Buffett und suche nach Unternehmen, die in allen Marktlagen stabile oder sogar steigende Gewinne erzielen können, weil ihre Produkte immer gefragt sind. Daher kommen in letzter Zeit verstärkt Unternehmen auf meinen Einkaufszettel, die zur Gesundheitsversorgung der Menschen beitragen, Produkte des täglichen Bedarfs produzieren, Luxusgüter herstellen oder durch ihre Technologie das Leben der Menschen prägen und Verhaltensweisen verändern.

Diese Unternehmen finde ich in Deutschland aktuell kaum und die Ausnahmen, die ich finde, sind ähnlich wie ihre ausländischen Pendants in der Regel bereits sehr gut gelaufen. Die Bewertungen von Unternehmen wie Adidas (WKN: A1EWW) oder SAP (WKN: 716460) sind in meinen Augen aktuell nicht mehr wirklich günstig und die Sicherheitsmarge, die ich mir als langfristiger Investor wünsche, nicht mehr gegeben. Daher suche ich aktuell auch stärker im Ausland nach Unternehmen, die meinen Anspruch an konjunkturelle Unabhängigkeit und attraktive Bewertung besser erfüllen, oder lauere auf Sondersituationen wie aktuell bei Wirecard (WKN: 747206), um günstige Einstiegsmöglichkeiten zu nutzen.

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John Mackey, CEO von Amazon-Tochter Whole Foods Market, sitzt im Board of Directors von The Motley Fool. Teresa Kersten arbeitet für LinkedIn und sitzt im Vorstand von The Motley Fool. LinkedIn gehört zu Microsoft. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Amazon und Microsoft. The Motley Fool besitzt die folgenden Optionen: Long Januar 2021 $85 Calls auf Microsoft. Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. Andre Kulpa besitzt Aktien von BASF. Florian Hainzl besitzt Aktien von Wirecard.

Motley Fool Deutschland 2019