Im Rahmen der Initiative 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen (Orange the World) veröffentlicht der Diversity Think Tank in Zusammenarbeit mit Triple M Marktforschung die repräsentative Studie zur aktuellen Situation sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in Österreich. Für die Studie wurden 1000 berufstätige, ehemals berufstätige oder sich in Ausbildung befindende Personen mit Hauptwohnsitz in Österreich zwischen 16 und 65 Jahren befragt.

Frauen sind deutlich öfter betroffen, Männer beobachten diese häufiger

58 % der befragten Frauen geben an, selbst Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gewesen zu sein. Bei Männern trifft das nur für 4 von 10 Befragten (41 %) zu. Wenig überraschend sind Frauen damit deutlich häufiger von sexueller Belästigung betroffen. Allerdings zeigen die Befragungsergebnisse, dass mehr als die Hälfte der Männer (52 %) sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beobachtet hat, hingegen waren es bei den Frauen 47 %.

Obwohl Männer mehr Handlungen der sexuellen Belästigung zuordnen und damit Verhalten eher als sexuelle Belästigung bewerten, empfinden knapp die Hälfte aller Männer (49 %) einen Rückgang von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz innerhalb der letzten drei Jahre. Dahingegen verspürt die Überzahl der Frauen (54 %) eine Zunahme sexueller Belästigung am Arbeits- oder Ausbildungsplatz.

Gerade vor dem Hintergrund der 16 Tage gegen Gewalt an weiblich gelesenen Personen, ist es wichtig, dass alle, insbesondere Männer, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, wenn sexuelle Gewalt beobachtet wird. Denn obwohl sexuelle Belästigung offenbar häufiger von Männern wahrgenommen wird, wird oft nicht eingegriffen - dies beginnt bereits bei verbalen Übergriffen wie sexistischen Witzen. Männer sind sich zwar der Realität sexueller Belästigung bewusst, jedoch durch Konformitätsdruck innerhalb der männlichen Eigengruppe, stereotyper Rollenerwartungen und verankerter Machtasymmetrien gehemmt etwas zu sagen und Haltung zu beziehen. Männer steht auf gegen sexuelle Belästigung und Gewalt!“, lautet der Appell von Diversity-Beraterin und Trainerin Rebecca Caric, die die Studie des Diversity Think Tank Austria in Auftrag gegeben hat.

Beim Vorkommen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz teilen Männer und Frauen eine ähnliche Meinung: circa jede:r Vierte sieht sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als sehr bis eher verbreitet an (26 %).

Mehr Täter als Täterinnen

Als Täter:innen sexueller Belästigung werden vor allem Männer, insbesondere Kollegen, genannt. 78 % aller 1546 in der Studie genannten selbst erlebten Fälle (Mehrfachnennung möglich) wurden von Männern ausgeführt. Vorgesetzte und Kunden werden von grob einem Viertel der Opfer genannt, wenn es um Hinterherpfeifen, Anstarren oder anzügliche Witze geht. Letzteres ist auch die am häufigsten auftretende Handlung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz - drei von zehn Personen haben dieses Verhalten bereits selbst erlebt. Auch jeder zweite aufgedrängte Kuss sowie Aufforderung zu sexuellem Verkehr kommt von Kollegen. Aufgrund von sexueller Verweigerung beruflich benachteiligt zu werden, drohen mehr als doppelt so viele männliche Vorgesetzte (33 %) als weibliche Vorgesetzte (14 %) an.

Körperliche Übergriffe werden deutlich öfter als sexuelle Belästigung gesehen als verbale oder nonverbale Formen

Gefragt danach, welche Vorkommnisse als sexuelle Belästigung gewertet wird, zeigt sich, dass es vorrangig die körperlichen Formen sind, allen voran Grapschen (91 %), Po-Kneifen (89 %), aufgedrängte Küsse (88 %), aber auch Aufforderung zum sexuellen Verkehr (88 %). Deutlich häufiger als in früheren Vergleichsstudien werden aber auch Formen wie das unaufgeforderte Versenden von Bildern mit sexuellem Inhalt (79 %) oder Anrufe, E-Mails oder Textnachrichten mit sexuellem Inhalt (77 %) genannt. Taxierende Blicke, Anstarren oder Hinterherpfeifen nennen hingegen nur 55 % der Befragten als sexuelle Belästigung, wobei hier die Generationenunterschiede besonders deutlich werden (50 % bei den über 50-jährigen, 65 % bei den unter 30-Jährigen).

Anzügliche Witze werden zwar nur von 44 % der Befragten als sexuelle Belästigung gesehen, jedoch sind sie mit Abstand am häufigsten auftretende Form von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. 30 % aller Befragten geben an, anzügliche Witze selbst erlebt zu haben, wobei Frauen hier mit 36 % deutlich vor den Männern mit 24 % liegen.

Awareness ist vor allem bei jungen Menschen hoch

Mehr als die Hälfte der Befragten unter 30-Jährigen haben sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz bereits erlebt (53 %) und diese bei anderen beobachtet (58 %) – damit liegen sie auf Platz 1 aller Altersgruppen (U30, 30-39, 40-49, Ü50). Auf die Frage, welche der Handlungen für die Befragten unter sexuelle Belästigung fällt, liegen die unter 30-Jährigen in 13 von 14 Fällen beim Erkennen sexueller Belästigung über dem Durchschnitt. Mehr als die Hälfte der unter 30-Jährigen (55 %) sieht eine Zunahme sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in den vergangenen Jahren, damit ist die Wahrnehmung der Zunahme in dieser Altersgruppe mit Abstand am stärksten. Mit zehn Prozentpunkten Abstand folgen darauf die 30 bis 39-Jährigen mit 45 %. Grundsätzlich sinkt die Ansicht über eine steigende Problematik sexueller Belästigung mit höher werdendem Alter der Befragten.

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Die Diversity Think Tank Consulting GmbH ist eine politisch unabhängige, private und hochspezialisierte Unternehmensberatung für Diversity Management und Inklusion. Das Team des Diversity Think Tank macht Diversität in Trainings und Seminaren erlebbar und gestalten den Diversity Campus als innovative Plattform für E-Learning-basiertes Vielfaltslernen. Besonders die Vermeidung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz hat in den letzten Jahren einen wichtigen Platz eingenommen. 2023 wurden in Summe 62 Trainings von den Expert:innen des Diversity Think Tank zu diesem Thema abgehalten. Ziel ist es, die Arbeitswelt für unterschiedlichste Menschen so zu gestalten, dass sie sich bestmöglich entfalten können – so wie sie sind.