OTS: Börsen-Zeitung / Intensivpatient, Kommentar zur Lufthansa von Heidi Rohde
06.04.2020 | 20:17
Intensivpatient, Kommentar zur Lufthansa von Heidi Rohde
Frankfurt (ots) - Luftfahrt und Reisebranche sind derart von den Auswirkungen
des Coronavirus getroffen, dass viele Unternehmen fürchten müssen, dass ihnen
die Luft ausgeht, bevor das Virus weit genug eingedämmt ist, um eine
Normalisierung des Geschäftsbetriebs zuzulassen. Hierzulande wird daher für
Lufthansa und auch für Tui schon mal der Zugang zur Intensivstation vorbereitet
und nach passenden Beatmungsmethoden gesucht, die im Ernstfall lebensrettend
sein können. Während die Tui zunächst relativ schnell eine Kreditzusage der KfW
eingeholt hat, wird bei der Lufthansa auch eine Staatsbeteiligung durchgespielt.
Dieses Extremszenario reflektiert die Bedeutung der Lufthansa als größte Airline
Europas für die Branche als auch für die gesamte Logistikkette und die damit
verbundenen Arbeitsplätze, nicht zu reden von einem deutschen Aushängeschild. Es
ist daher kaum vorstellbar, dass der Staat die Airline ihrem Schicksal
überlässt, falls es nicht gelingen sollte, bei einem Liquiditätsengpass auf
"normalem" Wege an ausreichende Mittel der KfW zu kommen. Dies könnte erschwert
sein, wenn die zu beteiligenden Geschäftsbanken das Risiko scheuen.
Derzeit ist das Risikoprofil der Lufthansa von der gewohnten Bonität tatsächlich
weit entfernt. Analysten rechnen im ersten Halbjahr aufgrund der Stilllegung des
Passagierflugbetriebs mit einem operativen Verlust von rund 5 Mrd. Euro. Obwohl
der Konzern bei seinen 60 Prozent variablen Kosten dank Kurzarbeit, Einsparung
von Treibstoff und anderer Kürzungen den Mittelabfluss eindämmen kann, wird ein
Zahlungsausfall in der zweiten Jahreshälfte auch dann erwartet, wenn im Juli
eine schrittweise Wiederaufnahme des Flugbetriebs erfolgt.
Staatsgarantien könnten daher notwendig werden, um eine Pleite der Lufthansa
abzuwenden, eine Beteiligung braucht es dafür aber nicht. Auch wenn die Erholung
des Luftverkehrs sich durch den konjunkturellen Einbruch verzögert und das
Vorkrisenniveau wohl erst in Jahren wieder erreicht wird, müssen die Banken
nicht fürchten, dass die Lufthansa daran nicht teilnehmen kann.
Eine "Beatmung" mit staatlich garantierten Krediten statt Eigenkapital lässt dem
Management überdies mehr unternehmerischen Spielraum, was den
Interessenausgleich aller Stakeholder angeht. So wird es bei einer langen
Durststrecke den Geldgebern nicht zu vermitteln sein, dass die Lufthansa keine
Anpassung der Personalkosten vornimmt. Einschnitte dort wird die Lufthansa
strukturell schon aus Wettbewerbsgründen vornehmen müssen. Sie wären mit dem
Staat als Anteilseigner deutlich schwerer umzusetzen.
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