Intensivpatient, Kommentar zur Lufthansa von Heidi Rohde

Frankfurt (ots) - Luftfahrt und Reisebranche sind derart von den Auswirkungen

des Coronavirus getroffen, dass viele Unternehmen fürchten müssen, dass ihnen

die Luft ausgeht, bevor das Virus weit genug eingedämmt ist, um eine

Normalisierung des Geschäftsbetriebs zuzulassen. Hierzulande wird daher für

Lufthansa und auch für Tui schon mal der Zugang zur Intensivstation vorbereitet

und nach passenden Beatmungsmethoden gesucht, die im Ernstfall lebensrettend

sein können. Während die Tui zunächst relativ schnell eine Kreditzusage der KfW

eingeholt hat, wird bei der Lufthansa auch eine Staatsbeteiligung durchgespielt.

Dieses Extremszenario reflektiert die Bedeutung der Lufthansa als größte Airline

Europas für die Branche als auch für die gesamte Logistikkette und die damit

verbundenen Arbeitsplätze, nicht zu reden von einem deutschen Aushängeschild. Es

ist daher kaum vorstellbar, dass der Staat die Airline ihrem Schicksal

überlässt, falls es nicht gelingen sollte, bei einem Liquiditätsengpass auf

"normalem" Wege an ausreichende Mittel der KfW zu kommen. Dies könnte erschwert

sein, wenn die zu beteiligenden Geschäftsbanken das Risiko scheuen.

Derzeit ist das Risikoprofil der Lufthansa von der gewohnten Bonität tatsächlich

weit entfernt. Analysten rechnen im ersten Halbjahr aufgrund der Stilllegung des

Passagierflugbetriebs mit einem operativen Verlust von rund 5 Mrd. Euro. Obwohl

der Konzern bei seinen 60 Prozent variablen Kosten dank Kurzarbeit, Einsparung

von Treibstoff und anderer Kürzungen den Mittelabfluss eindämmen kann, wird ein

Zahlungsausfall in der zweiten Jahreshälfte auch dann erwartet, wenn im Juli

eine schrittweise Wiederaufnahme des Flugbetriebs erfolgt.

Staatsgarantien könnten daher notwendig werden, um eine Pleite der Lufthansa

abzuwenden, eine Beteiligung braucht es dafür aber nicht. Auch wenn die Erholung

des Luftverkehrs sich durch den konjunkturellen Einbruch verzögert und das

Vorkrisenniveau wohl erst in Jahren wieder erreicht wird, müssen die Banken

nicht fürchten, dass die Lufthansa daran nicht teilnehmen kann.

Eine "Beatmung" mit staatlich garantierten Krediten statt Eigenkapital lässt dem

Management überdies mehr unternehmerischen Spielraum, was den

Interessenausgleich aller Stakeholder angeht. So wird es bei einer langen

Durststrecke den Geldgebern nicht zu vermitteln sein, dass die Lufthansa keine

Anpassung der Personalkosten vornimmt. Einschnitte dort wird die Lufthansa

strukturell schon aus Wettbewerbsgründen vornehmen müssen. Sie wären mit dem

Staat als Anteilseigner deutlich schwerer umzusetzen.

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