Börsen-Zeitung: Die leere "Green Deal"-Hülle, Kommentar zur

EU-Klimapolitik von Andreas Heitker

Frankfurt (ots) - Ursula von der Leyen hat im Vorfeld des EU-Gipfels am

Donnerstag und mit Blick auf die laufende COP-25-Konferenz in Madrid Signale für

eine ambitionierte Klimapolitik gesendet. Mit ihrem "Green Deal"-Fahrplan macht

die neue EU-Kommissionschefin klar, dass es ihr ernst ist und dass sie keine

Zeit verlieren will. Das ist gut so.

Rund 50 Gesetzesvorlagen, Initiativen und Aktionspläne hat von der Leyen

angekündigt, die nahezu alle Sektoren der Wirtschaft betreffen und zudem

wichtige Bereiche des täglichen Lebens, wie etwa das Wohnen und den Verkehr. Das

ist ehrgeizig. Inhaltlich kann das Paket aktuell allerdings kaum bewertet

werden. Der "Green Deal" ist zurzeit nur eine leere Hülle, die aus Schlagworten

besteht. Solange die Hülle nicht gefüllt ist, muss der Realitätscheck verschoben

werden.

Denn von der Leyen braucht für ihre Vorhaben nicht nur gute Ideen, sondern auch

Geld, die Unterstützung der Mitgliedstaaten und der Wirtschaft. Daran fehlt es

aktuell (noch). Ihre finanziellen Möglichkeiten kennt sie erst, wenn es eine

Einigung über den nächsten mittelfristigen EU-Haushaltsrahmen gibt. Und das

dürfte erst im zweiten Halbjahr 2020 der Fall sein.

Das übergeordnete Ziel der Klimaneutralität tragen auch noch nicht alle

Mitgliedstaaten mit. Widerstand gibt es vor allem in Osteuropa. Zwar soll es

großzügige Übergangsgelder für besonders Betroffene geben. Aber bei der

Finanzierung dieses 100-Mrd.-Euro-Topfes findet man fast nur längst bestehende

EU-Investitionsprogramme, Kredite von der Europäischen Investitionsbank oder

umgewidmete Kohäsionsmittel. Wie viel Geld tatsächlich neu im Topf ist, ist

zurzeit kaum auszumachen.

Und die Wirtschaft? Sie sorgt sich vor einer neuen Regulierungswelle aus

Brüssel. Vieles hängt nun von der Ausgestaltung der neuen EU-Industriestrategie

oder der einzelnen Branchenregulierungen ab. Für 2020 ist zum Beispiel ein

Gesetzesvorschlag geplant, der der Stahlindustrie helfen soll, bis 2030 CO2-frei

zu produzieren. Der Stahlindustrie! Nach Branchenprognosen würde dies die

Produktion um bis zu 100 Prozent verteuern. Gibt es einen Markt für solchen

Stahl?

Auch andere Initiativen der EU-Kommission erscheinen gefährlich: So sollen die

Haushaltsregeln offenbar gelockert werden, um mehr "grüne" Investitionen zu

generieren. Eine neue Schuldenwelle und neue Risiken für die Finanzstabilität

darf die Klimapolitik aber nicht mit sich bringen. Ähnliches gilt für die

Beihilferegeln, die ebenfalls zugunsten der Klimaziele noch einmal überprüft

werden.

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AXC0326 2019-12-11/20:40

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