DLT Pilot Regime – Möglicher „Game Changer“ für Security Tokens
24.10.2022 | 14:25
Häufig beschwören Beiträge zum Thema Security Tokens den Aspekt der Liquidität als einen ganz wesentlichen Vorteil der Tokenisierung von Assets. Auf diese Weise sei es nämlich möglich, per se illiquiden Assets wie zB Liegenschaften Liquidität zuzuführen, und zwar indem die entsprechenden Tokens nach deren Ausgabe gehandelt werden könnten. In der Theorie ist dies zweifellos richtig. Allerdings gestaltete sich die Praxis bis jetzt anders. Vor allem im Bereich der Europäischen Union gibt es bis dato so gut wie keine Handelsplattformen, auf denen entsprechende Security Tokens gehandelt werden (dürfen). Es besteht damit gerade kein entsprechender Sekundärmarkt. Gerade ein solcher wäre für einen ausgeprägten Handel und damit eine Liquidität allerdings unerlässlich.
Die aktuelle Situation ist vor allem auf die bisherige und aktuelle Rechtslage zurückzuführen. Diese ist nämlich dadurch geprägt, dass entsprechende Plattformen einer Reihe von sehr strengen Anforderungen und Einschränkungen unterliegen.
Konkret sehen die aktuellen Gesetzesbestimmungen für den Betrieb von Krypto-Börsen umfassende aufsichtsrechtliche Voraussetzungen vor. Krypto-Börsen, in welchen Käufer und Verkäufer von Wertpapieren (darunter wertpapierähnliche, übertragbare Security Token), die auf der distributed ledger technology („DLT“) basieren, ohne Ermessensausübung durch interne Betriebsverfahren zusammengeführt werden, sind als sogenannter „MTF“, dh als multilaterales Handelssystem, zu qualifizieren. Für den Betrieb eines solchen MTF ist nach österreichischem Recht eine Konzession nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz erforderlich, deren Erhalt beispielsweise ein Anfangskapital von EUR 730.000,00 voraussetzt und zudem komplexe Compliance-Vorschriften einzuhalten sind.
Wesentlich ist auch, dass eine Teilnahme der Anleger an der Krypto-Börse bzw. dem Handelssystem nach aktueller Rechtslage nicht zulässig ist, sofern diese nicht die vorgeschriebenen Eigenschaften aufweisen (wie zB Wertpapierfirmen und Kreditinstitute), sodass hier eine Vermittlungspflicht hinsichtlich der Teilnahme am Markt durch eine gesetzlich befugte Person vorgesehen ist. Weiters ist für die Transaktion die Beiziehung eines Zentralverwahrers erforderlich, der für die Transaktionen bestimmte Abwicklungssysteme (Wertpapierliefer- und Abrechnungssysteme) betreibt und auf dessen Effektengiro das jeweilige Wertpapier im Hinblick auf die Abwicklung der Transaktion eingebucht werden muss.
Diese beispielhalft aufgezählten Voraussetzungen führen bereits am Anfang eines Krypto-Projekts zu Unsicherheiten und stellen die Projektentwickler vor große Herausforderungen, die im Ergebnis die Etablierung von entsprechenden Handelsplätzen bisher verhindert haben.
Dies wird sich nun durch das DLT-Pilot Regime nachhaltig ändern. Das DLT-Pilot Regime ist – insbesondere neben der geplanten Verordnung mit dem Titel „on Markets in Crypto-Assets“ („MiCAR“) – Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets auf EU-Ebene, das darauf abzielt, das Potenzial des digitalen Finanzwesens zu fördern und gleichzeitig mögliche Risiken zu mindern. Durch die neuen Regelungen sollen insbesondere die regulatorischen Hürden überwunden und der Zugang zum Krypto-Markt erleichtert werden. Die DLT-Pilot Regime Verordnung wird am 23. März 2023 in Kraft treten.
Das DLT-Pilot Regime soll nun bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Befreiung von den bisher geltenden, strikten Regelungen vorsehen. Es soll daher eine Art „Regulatory Sandbox“ für den Handel und die Abwicklung von auf DLT basierenden Finanzinstrumenten geschaffen werden.
Das DLT-Pilot Regime richtet sich vorwiegend an Wertpapierfirmen, Marktbetreiber und Zentralverwahrer. Gegenstand der Verordnung ist die Regelung von Anforderungen in Bezug auf sogenannte DLT-Marktinfrastrukturen. Dabei handelt es sich um (i) multilaterale DLT-Handelssysteme („DLT-MTF“), (ii) DLT-Abwicklungssysteme („DLT-SS“) und (iii) DLT-Handels- und Abwicklungssysteme („DLT-TSS“). Diese entsprechen den aufsichtsrechtlichen bereits bekannten Infrastrukturen, sind jedoch speziell auf DLT-basierende Wertpapiere zugeschnitten.
Grundsätzlich gelten für die genannten DLT-Marktinfrastrukturen die gleichen gesetzlichen Bestimmungen, wie sie bereits jetzt auf die klassischen MTFs und Abwicklungssysteme der Zentralverwahrer zur Anwendung gelangen. Um eine Etablierung solcher Systeme zu fördern, sieht das DLT-Pilot Regime nun allerdings – jeweils in Abhängigkeit der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen – auf bestimmte Dauer befristete Befreiungen von bestimmten der diesbezüglichen Anforderungen und Einschränkungen vor .
Durch das DLT-Pilot Regime soll nun unter anderem ermöglicht werden, dass im Gegensatz zu den aktuellen gesetzlichen Vorgaben für klassische MTF Handelsplattformen, für den Betrieb eines DLT-MTF für eine befristete Dauer nicht die bereits oben angeführte Vermittlungspflicht gilt. Damit wird den interessierten Anlegern der Zugang nun direkt zu der Krypto-Börse bzw zu dem jeweiligen Handelsplatz ermöglicht.
Das DLT-Pilot Regime sieht für den Betrieb eines DLT-SS, der eine Konzession voraussetzt und ausschließlich von Zentralverwahrern erfolgen darf, auf Antrag ebenso eine Erleichterung vor. Beispielsweise kann allenfalls die Verpflichtung entfallen, DLT-Wertpapiere auf dem Effektengiro des Zentralverwahrers einzubuchen.
Neu ist hingegen die Möglichkeit des Betriebs eines DLT-TSS, somit einem DLT-Handels- und Abwicklungssystems. Ein DLT-TSS soll laut dem DLT-Pilot Regime entweder ein DLT-MTF sein, bei dem die Dienstleistungen eines DLT-MTF mit jenen des DLT-SS kombiniert werden, oder ein DLT-SS sein, bei dem wiederum die Dienstleistungen eines DLT-SS mit jenen eines DLT-MTF erbracht werden. Wertpapierfirmen und Marktbetreiber könnten auf diese Weise teilweise Dienstleistungen eines Zentralverwahrers erbringen und umgekehrt. Der Betrieb des DLT-TSS bedarf einer besonderen Genehmigung, wobei der Betreiber bestimmte Anforderungen für beide Marktinfrastrukturen erfüllen muss. Dies soll Abwicklung von DLT-Transaktionen erheblich erleichtern.
Abschließend ist festzuhalten, dass die aktuellen Bestimmungen zwar weiterhin aufrecht bestehen bleiben, jedoch wird den Entwicklern zumindest in bestimmter Hinsicht die Möglichkeit angeboten, Befreiungen zur rascheren und vereinfachten Projektumsetzung in Anspruch zu nehmen. Die Verordnung gilt für 3 Jahre, wobei diese nach Bewertung der Kosten und Nutzen verlängert werden kann. Die Einführung dieser Verordnung verspricht jedenfalls, zu einem „Game Changer“ für die Bedeutung von Security Tokens und deren Emissionen zu werden.