Die Wertpapierkunden von Bank Austria wurden zu Jahresbeginn 2023 mit einer Abbuchung von 8,69 Euro für „Stimmkartenbesorgung“ überrascht. Das bedeutet, dass die Eigentümer von Aktien österreichischer Gesellschaften künftig – neben den inzwischen nach einer generellen Anhebung am 1. Juli 2022 geschmalzenen Kontoführungsgebühren – zweifach zur Kasse gebeten werden, wenn sie die legitime Absicht haben, ordentliche Hauptversammlungen ihrer Unternehmen zu besuchen und sich damit als engagierte Mitbesitzer zu erweisen.

Bank Austria ist mit ihrer neuen Stimmkartenbesorgungsgebühr innerhalb der heimischen Bankenwirtschaft angeblich unabgesprochen vorgeprescht. Nicht anders lässt sich die Tatsache erklären, dass die Spitzenvertreter der Branche viele Tage lang über eine professionelle Reaktion darauf nachdenken mussten. Nicht nur Wertpapierkonten-Kunden, sondern auch die Kundenbetreuer der Bank Austria wurden durch die plötzliche Einführung dieser Gebühr ahnungslos getroffen.

Andere österreichische Großbanken, z.B. die Erste Group, wird ihrem Mitbewerber die neue Stimmkartenbesorgungsgebühr betreffend nicht folgen. Das versichert zumindest der Pressesprecher der Erste Bank, Christian Hromatka. Er erklärt auf einschlägige Fragen: „Die Preispolitik von anderen Banken kommentieren wir nicht. Für inländische Wertpapiere verrechnen wir nichts. Doch für ausländische Titel verrechnen wir etwas: im Ausland innerhalb von Europa 87,20 Euro.“

Auch die BAWAG bzw. ihre easybank reagieren auf den Gebührenvorstoß der Bank Austria eher zurückhaltend: „Für inländische Hauptversammlungen werden von uns keine eigenen Spesen für easybank-Kunden verrechnet“, betont Manfred Rapolter, Leiter der Corporate Affairs der BAWAG-Gruppe.

Alternative Onlinebroker.

Das Gerangel heimischer Banken und Finanzdienstleister um die Gebühren für die Stimmkartenbesorgung wird gegenwärtig vor allem von ehrgeizigen Onlinebrokern befeuert. Zum Beispiel von der FlatexDEGIRO, die 2006 gegründet worden ist. Sie ist eine im Internet wegen ihrer kostengünstigen Angebote hoch gelobte deutsche börsennotierte Anbieterin von Finanztechnologien mit Sitz in Frankfurt am Main und Muttergesellschaft der FlatexDEGIRO Bank AG. Als Schwäche wird ihr allerdings von Wettbewerbern eine unübersichtliche Darstellung ihrer Angebote und Leistungen angekreidet.

Flatex berechnet für eine Stimmkartenbesorgung für ihre Kunden lediglich 5,90 Euro. Bei einem durchschnittlich großen privaten Wertpapierdepot von 15 bis 20 Aktientiteln erspart sich ein Aktionär dadurch fast 56 Euro im Jahr. Auch andere Onlinebroker - das Internet listet ein rundes Dutzend von ihnen auf - unterbieten die Bank Austria bezüglich der Höhe ihrer Stimmkartenbesorgungsgebühr. Die Wiener Böse meint dazu, „die meisten Onlinebroker haben viele interessante Angebote für private Aktionäre“

Es ist demnach damit zu rechnen, dass die Suche österreichischer Wertpapierdepot-Besitzer nach einem preisgünstigen und vertrauenerweckenden Onlinebroker im Interesse der Optimierung ihrer Kosten zu einer vorrangigen Zukunftsaufgabe wird.

Rätselhaftes Schweigen der Branche.

Überraschend ist freilich, dass sich die heimische Bank- und Finanzbranche zur neu ausgebrochenen Gebührendiskussion wenn überhaupt, dann nur überaus zurückhaltend äußert. Der Eindruck lässt sich nicht verwischen, dass Banken, Finanzdienstleister und Kapitalmarktexperten die Folgen der Gebührenerhöhung von Bank Austria bagatellisieren möchten. Es liegt demnach an den Privataktionären unseres Landes, diese Haltung durch aktives Handeln zu korrigieren.

Von Seiten der Wiener Börse heißt es zum Thema Stimmkartenbesorgungsgebühr offiziell: „Wir nehmen auf die Gebührenstrukturen von Banken oder Onlinebrokern grundsätzlich keinen Einfluss. Die Suche nach einem optimalen Gebührenangebot ist jedenfalls eine Sache des jeweiligen Wertpapierbesitzers.“ Die Wiener Börse gibt allerdings offen zu, dass die aktuellen Gebührenstrukturen der Banken erheblichen Einfluss auf die Zukunft des österreichischen Kapitalmarktes haben werden.

Zum Beispiel, dass die Aktion des heimischen Umweltbundesamtes, der Oesterreichischen Nationalbank und der heimischen Banken vom Frühling 2022 – das zinsenlos brachliegende private Spargeld der Österreicher in Höhe von rund 145 Milliarden Euro für die „grüne Wende“ in Österreichs Industriezukunft, Klimasanierung und Verkehrstransformation flüssig zu machen – in die Hose gehen könnte. Das wäre dann der Fall, wenn die Österreicher ihr Erspartes in Form von Aktienkäufen nicht, wie erhofft, in zukunftsträchtige heimische Unternehmen investieren, weil sie der drohenden Gebührenfalle ausweichen möchten.

Angesichts dieser aktuellen Herausforderungen ist es erstaunlich, dass sich die Vertreter der heimischen Finanzbranche mit Erklärungen und Kommentaren zum Gebührenvorstoß der Bank Austria demonstrativ zurückhalten. Der Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherungen in der Wirtschaftskammer Österreich, Franz Rudorfer, sagt zur neuen Stimmkartenbesorgungsgebühr von Bank Austria: „Wir waren in diese Thematik, da auch wettbewerbsrelevant, grundsätzlich nicht einbezogen. Wir bedauern daher, diesbezüglich keine weitere Auskunft geben zu können“. Desgleichen der Finanzmarketing Verband Österreich (FMVÖ), dessen Anliegen es ist, das Verhältnis zwischen Geldinstituten und deren Kunden zu optimieren. Dessen Präsident Erich Mayer meint: „als FMVÖ haben wir definiert, dass wir nicht als Interessenvertretung der Banken und Versicherungen agieren. Diese Rolle könnten wir auch gar nicht ausfüllen, da es offizielle Interessensvertretungen gibt.“

Auch die österreichischen Finanzdienstleister und -berater entschlagen sich vorderhand jeder Äußerung zur aktuellen Gebührenerhöhungsdiskussion.

Fragen zur Stimmrechtskartenbesorgungsgebühr.

Angesichts des Alleingangs von Bank Austria mit der neuen Gebühr drängen sich die folgenden Fragen auf:

- Warum werden nach Jahren der Gebührenfreiheit für die Besorgung von Stimmkarten gerade jetzt neue Gebühren eingefordert?

- Wie wurde die Höhe dieser Gebühr kalkuliert? Ist sie kostendeckend?

- Die Gebühr wird die Inflationsrate in Österreich weiter erhöhen? Ist das angesichts der Anstrengungen, die Inflationsrate in den Griff zu bekommen, verantwortbar?

- Welche Gremien wurden vor Einführung der Gebühr konsultiert mit welchen Reaktionen?

Die Stellungnahme von Bank Austria darauf ist, höflich formuliert, unzureichend: Pressesprecher Matthias Raftl erklärt: „Die Entgelte für die beschriebene Dienstleistung werden von der UniCredit Bank Austria mit ihren Kunden im Wege des Preisaushanges (siehe Anhang, Seite 2, Punkt ‘Anmeldung zur Hauptversammlung’) bereits seit einigen Jahren vereinbart (aufgrund der Pandemie gab es in den letzten Jahren allerdings kaum physische Hauptversammlungen) und entsprechen den Vorgaben der §§ 181 f. Börsegesetz. Sie stellen eine verhältnismäßige Abgeltung für Kosten dar, die der Bank für die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausstellung von Stimmkarten entstehen. Dieses Entgelt hat daher nichts mit der gegenwärtigen hohen Inflation zu tun.“

Die Antwort des Vorstands der IVA, Florian Beckermann, auf dieselben Fragen steht leider noch aus.

Schlussfolgerungen:

Der aktuelle Gebührenvorstoß von Bank Austria wird weitere Auseinandersetzungen in der österreichischen Finanzbranche auslösen und sehr wahrscheinlich eine Kundenwanderung zur Folge haben. Die erste öffentliche Diskussion zum Thema wird spätestens am 2. Februar 2023 anlässlich der oHV der EVN AG stattfinden.

 

 

Aus dem Börse Express PDF vom 17.01.2023 

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