BOKU: Warum Österreich eine Abfallwirtschaft für CO2 braucht
24.04.2024 | 08:25
Zur Erreichung von Netto-Null-CO2-Emissionen sind Carbon-Management-Strategien notwendig. Der BOKU-Verfahrens- und Energietechniker Tobias Pröll plädiert für Methoden, die CO2 aus dem Kreislauf holen und den Austritt von schwer vermeidbaren CO2 in die Atmosphäre verhindern, wie etwa jenes, das bei der Zementherstellung oder der Müllverbrennung entsteht.
Bei der Diskussion über die Anwendung von Carbon Capture and Storage (CCS) für CO2 dreht es sich hauptsächlich um die Suche nach Möglichkeiten, klimaschädliches CO2 im geologischen Untergrund (Carbon Capture and Storage, CCS) oder in geeigneten langlebigen Produkten (Carbon Capture and Utilization, CCU) zu speichern. CCS wird in Skandinavien bereits angewendet, in Österreich ist es verboten. Das betreffende Gesetz wird gerade neu evaluiert.
Problemstoff ohne Energieinhalt
„Wir müssen erkennen, dass CO2 kein wertvoller Rohstoff, sondern ein Problemstoff mit negativem Wert ist. Derzeit ‚kostet‘ eine Tonne CO2 im europäischen Emissionshandelssystem etwa minus 90 Euro,“ so Tobias Pröll vom Institut für Verfahrens- und Energietechnik der BOKU University. „In Österreich benötigen wir dringend eine Abfallwirtschaft für CO2, ähnlich wie bei anderen Problemstoffen.“
CO2 wird oft als der Rohstoff der Zukunft dargestellt. „Doch dabei wird der Energieaspekt übersehen. Denn wenn ich aus CO2etwas herstellen möchte, so muss ich die Verbrennungsreaktion, bei der das CO2 meist entsteht, wieder umkehren. Diese Umkehr benötigt dann dieselbe Energie, die zuvor freigesetzt wurde. Dieses Prinzip führt sich jedoch ad absurdum, wenn ich in einer Welt lebe, die sich zu 80 Prozent fossil mit Energie versorgt“, erklärt Pröll.
Ergänzung zur CO2 Vermeidung
Wichtig zu betonen ist, dass die Carbon Capture and Storage Strategie nicht als Rechtfertigung für die Nutzung von fossilen Energieträgern gesehen werden soll, sondern als Ergänzung zum Umstieg auf erneuerbare Energien. CCS sollte nur für Bereiche angewendet werden, wo eine Vermeidung der CO2-Entstehung nicht sinnvoll umsetzbar ist, wie etwa bei der Zementherstellung.
In allen anderen Bereichen muss die Entstehung von CO2 vermieden werden, speziell im Bereich der Energiebereitstellung. „Wir müssen aufhören, fossile Energie zu verwenden. Weltweit werden immer noch 80 Prozent der Energie aus fossilen Quellen bereitgestellt - in Österreich sind es rund 65 Prozent. Dem entgegenwirken kann nur der forcierte Ausbau der erneuerbaren Energiesysteme“, betont der BOKU-Verfahrens- und Energietechniker.
Auch wenn es Österreich gelingt, die CO2-Produktion zu verringern, gibt es immer noch Bedenken hinsichtlich des Imports vieler Produkte aus dem Ausland, etwa aus China, wo viel fossile Energie genutzt wird. „Es ist für das Klima von Bedeutung, das Gesamtbild zu betrachten und nicht ausschließlich innerhalb der Landesgrenzen zu handeln. Die Verlagerung von CO2-intensiven Prozessen aus Europa in andere Länder schadet auch dem Klima“, so Pröll.
Wenn die Politik mit der Umsetzung eines effizienten, emissionsfreien Energiesystems beginnt, werde es zu einem Rückgang des Absatzes fossiler Brennstoffe sowie zu einem Rückgang der Weltmarktpreise für Erdgas und Öl kommen. Für dieses Szenarium müsse unsere Politik robust genug sein. „Ein Beispiel dafür wäre die Besteuerung von Produkten beim Endverbraucher gemäß dem Treibhausgasausstoß, der verursacht wurde, unabhängig davon, wo der Ausstoß entlang der Lieferkette erfolgt. Es wäre möglich, dass die erhobenen Steuern gleichmäßig an die Menschen zurückgezahlt werden. Dann würden sich die Unternehmen um eine klimafreundliche Gestaltung ihrer Lieferkette bemühen, und die Menschen würden sich durch den Kauf von Produkten mit niedrigen Steuern besser fühlen. Eine solche Politik würde uns auf Kurs in Richtung Klimaneutralität bringen“, so Pröll abschließend.