Normalerweise fallen in einer Rezession die Lagerbestände. Da viele Unternehmen den Ausfall von Warenlieferungen befürchten müssen, werden sie vermutlich die Lager nicht abbauen, sondern im Gegenteil diese aufstocken, um für einen möglichen Virusausbruch bei einem Zulieferer gerüstet zu sein.

Der Grad an monetären Stimulus und das Ausmaß an fiskalischer Unterstützung für die Konjunktur übertrifft alles bisher Dagewesene bei weitem. Dies ist auch der Unterschied zu früheren Krisen. Momentan wird sehr schnell von den Regierungen und Notenbanken gehandelt! Diese Ankündigungen helfen natürlich nicht kurzfristig. Wenn keine Flugzeuge fliegen, kann niemand in den Urlaub reisen, wenn die Restaurants geschlossen sind, kann keiner Essen gehen etc.

Auch wird es im weiteren Verlauf in den direkt betroffenen Branchen zu Insolvenzen kommen. Aber in dem Moment, in dem das Virusthema seinen Höhepunkt überschritten hat, wird die Welt in einem Meer an Liquidität und Konjunkturstimulierung schwimmen, die dann ihren Zweck entfalten dürfte. Eine positive Veränderung der Fallzahlen in Europa und den USA wäre das Signal, dass auch die westlichen Demokratien den Virus in den Griff bekommen. Erst dann kann man versuchen, die wirtschaftlichen Auswirkungen seriös abzuschätzen. 

Folgen für den Kapitalmarkt

Die Kombination aus Virusausbruch in Europa und den USA, Ölpreiskrieg, Panik und (durch Regulierung verursachte) schwache Marktliquidität hat zu einem toxischen Mix an den Kapitalmarkten geführt. Wie kommunizierende Röhren verstärkten die Probleme in einer Anlageklasse die Schwankungen in der anderen. Der Aktienmarkt musste wie im Jahr 2008 im Rahmen der Immobilienkrise in den USA als Liquiditätsbeschaffer für Investoren herhalten, die Verluste und Margin Calls in anderen Assetklassen hedgen bzw. bedienen mussten. Im Verlauf kam es zu weiteren Verkäufen, die durch computergesteuerte Algorithmen und Risikomanagement aufgrund finanzieller Schieflagen (durch zum Beispiel kreditgehebelte Anlagen) ausgelöst wurden.

In diesem Strudel ging es nicht mehr um eine fundamentale Beurteilung von Preis und Wert, sondern nur noch um Liquidität. Das hatte auch tageweise das Kuriosum, dass die Krisenwährung Nummer eins, das Gold, im Preis fiel, weil es noch einigermaßen gut verkauft werden konnte.

Hier verkehrt sich ein Vorteil des Kapitalmarktes zum Nachteil, die Möglichkeit des schnellen Handelns und die günstigen Abwicklungskosten. Würde ein Investor eine Gewerbeimmobilie innerhalb von ein paar Stunden verkaufen, nur weil für vier Wochen alle Läden geschlossen werden? Sicherlich nicht, da es technisch nicht möglich wäre und die Nebenkosten für einen „Schnellschuss“ viel zu hoch sind.

Am Anleihenmarkt kommt es aktuell zu einem ungewöhnlichen Phänomen. Seit Ausbruch der Corona-Krise horten immer mehr Unternehmen Liquidität und stellen sich für schlechtere Zeiten auf. Dazu nehmen sie die bei ihren Hausbanken eingeräumte Kreditlinien in Anspruch und bunkern diese Liquidität. Die Banken wiederum müssen diese sprunghafte Ausweitung des Kreditgeschäfts bilanzieren und lösen dazu Rücklagen (meist Wertschriften aus dem sogenannten Portfolio A) auf. Da sehr viele Banken vor diesem Problem stehen werden im Augenblick sehr viele Investmentgrade-Anleihen und andere Rentenpapiere in einem Markt verkauft, in dem es zu wenige Käufer gibt. Diese Gesamtgemengelage spiegelt sich in teilweise extrem tiefen Anleihepreisen wider.

Trotz des enormen Cash-Bedarfs, den es aktuell an den internationalen Finanzmärkten gibt, darf man nicht vergessen, dass sich in der Corona-Krise beim weltweiten Zinstrend keinerlei Richtungswechsel ergeben hat. Im Gegenteil, durch die entsprechenden Maßnahmen der Regierungen und Notenbanken zeigen die Zinskuren noch steiler nach unten und wir werden noch sehr lange kein normales „Zinsniveau“ sehen.

Aktuelle Kursschwankungen haben nicht zwangsläufig etwas mit Risiko zu tun, sondern sind vielmehr Ausdruck einer Unsicherheit. Alle Krisen der letzten Jahrzehnte wie die Russlandkrise, die Finanzkrise oder der atomare Unfall von Fukushima sind heute „nur“ noch Punkte auf der „Kapitalmarktlandkarte“. Rein aus Kapitalmarktsicht, und wir wollen an dieser Stelle auf keinen Fall die menschliche Tragödie der gegenwärtigen Situation verharmlosen, bieten die aktuellen Kursniveaus sowohl im Aktien- als auch im Anleihensegment äußerst interessante Chancen. Da leider auch wir die weitere, kurzfristige Entwicklung des Virus (Entwicklung der Fallzahlen) und der noch nötigen Maßnahmen nicht einschätzen können, muss man grundsätzlich mit weiteren Volatilitäten und unter Umständen kurzfristig noch tieferen Niveaus rechnen.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.