FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Weiter steil nach oben wird es nach dem neuen DAX-Rekord wohl nicht gehen, meinen Analyst*innen. Denn die Einigung über eine neue US-Schuldenübergrenze steht weiter aus. Außerdem könnte es doch noch höhere Leitzinsen geben als zuletzt erhofft.

22. Mai 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Neue Woche, alte Probleme - denn der US-Schuldenstreit ist immer noch ungelöst. Am Wochenende ergab sich nichts Neues. Am heutigen Montag kommen US-Präsident Joe Biden und der Verhandlungsführer der Republikaner erneut zusammen.

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In der Hoffnung auf eine Einigung war der DAX am Freitag mit 16.332 Punkten auf ein neues Allzeithoch geklettert. Zu Handelsschluss stand der Index dann etwas niedriger bei 16.275 Punkten, am Montagmorgen sind es 16.242 Punkte und damit leicht im Minus.

Moritz Kraemer, Chefvolkswirt der LBBW, malt ein schwarzes Bild für den Fall der Fälle: "Schon heute kämpfen US-Banken um das Vertrauen der Einleger. Wenn nun die Zentralregierung zahlungsunfähig würde, dürfte es zu einem Abverkauf amerikanischer Anleihen kommen." Das würde zu weiteren erheblichen Wertberichtigungen auf den Bankbilanzen und neue Bank Runs führen. Die Regierung wäre dann nicht mehr in der Lage, die Einlagen zu garantieren, eine Finanzkrise würde drohen. Die Folge: massive Leitzinssenkungen, Absturz von US-Dollar und Aktien. "Nur die Bitcoin-Jünger hätten gut lachen." Vor allem aber würde das Risiko von Rezession und gesellschaftlicher Radikalisierung anschwellen.

"Baldige Zinssenkungen illusorisch"

Der Schuldenstreit ist aber nicht das einzige Thema. "Etwas Wasser in den Wein gab es vergangene Woche von der Geldpolitik und von Sorgen über die chinesischen Wachstumsaussichten", erklärt Claudia Windt von der Helaba. Die Erwartungen auf erste US-Leitzinssenkungen im zweiten Halbjahr hätten einen herben Rückschlag erlitten. Zudem sprächen tendenziell positive Nachrichten vom US-Arbeitsmarkt für anhaltenden Inflationsdruck. "Baldige Zinssenkungen erscheinen vor diesem Hintergrund illusorisch."

Unklare Richtung

Laut Martin Roth von der Commerzbank stehen die Aktienmärkte aktuell an interessanten charttechnischen Marken: Beim DAX sei dies der Bereich 16.200 bis 16.290, beim S&P 500 4.200 Punkte. "Die noch immer defensive Positionierung vieler institutioneller Anleger spricht zwar weiter für den aktuellen ‚Thermiktrend‘." Allerdings ebbe die zuletzt belebende Berichtssaison ab. Gestützt werden könne die Stimmung durch Quartalszahlen von Zoom, Palo Alto und Nvidia. "Doch indiziert die stark gesunkene Volatilität eine gewisse Sorglosigkeit. Wir sehen das Ereignisrisiko in beide Richtungen."

"Ausbruchsniveau nicht wieder unterschreiten"

Auch Christoph Geyer rechnet nicht unbedingt damit, dass der neue Rekord Marktteilnehmer*innen zu Folgekäufen motivieren wird - wie ansonsten häufig der Fall. "Zumindest kurzfristig sind die Indikatoren in den überkauften Bereich vorgedrungen, was eine bremsende Wirkung haben dürfte", erklärt der technische Analyst. Auf der anderen Seite sei die Stimmung insgesamt positiv genug, um weitere Kursavancen zu generieren. Die Umsätze hätten zudem zuletzt leicht angezogen - ein Indiz für eine gewisse Kaufbereitschaft. Trotzdem solle nach dem Erreichen des neuen Rekordhochs noch nicht zu viel erwartet werden. "Wichtig ist, dass das Ausbruchsniveau nicht wieder unterschritten wird."

Christoph Geyer

Geyer

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftstermine der Woche

Dienstag, 23. Mai

9.30 Uhr. Deutschland: Einkaufsmanagerindex Mai.

10.00 Uhr. Eurozone: Einkaufsmanagerindex Mai. Laut DekaBank ist ein spürbares Anziehen der Konjunkturdynamik auch im laufenden Quartal nicht zu erwarten. Die Entwicklungen in den Wirtschaftsbereichen seien aber unterschiedlich: Während der Teilindex für die Dienstleister eine konjunkturelle Expansion anzeige, deute der schwache Wert für die Industrie auf eine wirtschaftliche Kontraktion hin. Unter dem Strich neutralisierten sich die Effekte nahezu.

Mittwoch, 24. Mai

10.00 Uhr. Deutschland: ifo-Geschäftsklimaindex Mai. Beim ifo-Geschäftsklima dürfte der seit dem vergangenen Herbst anhaltende Aufwärtstrend allmählich zu Ende gehen, meint die Commerzbank. Insbesondere in der Industrie habe sich die Stimmung wohl verschlechtert.

20.00 Uhr. USA: Protokoll der US-Notenbanksitzung vom 2. und 3. Mai.

Freitag, 26. Mai

14.30 Uhr. USA: Deflator des privaten Konsums April. Für das von der US-Notenbank bevorzugte Inflationsmaß wird laut Helaba ein leichter Rückgang erwartet. Ob damit aber die Zinssenkungsspekulationen wieder forciert würden, sei offen, denn das Inflationsniveau sei weiterhin erhöht.

14.30 Uhr. USA: Auftragseingang langlebige Güter. Die Auftragseingänge dürften rückläufig sein, meint die Commerzbank. Sie dürften die schleichende Verschlechterung der Konjunktur illustrieren.

von: Anna-Maria Borse, 22. Mai 2023, © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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