Mit dem Krampus traf heuer eine teuflische Erkenntnis ein: Die Inflationsrate hat nach Jahrzehnten müden Dahinschleichens derzeit einen beunruhigenden Höchststand erreicht: Ende November in Österreich 4,3 Prozent, in Deutschland sogar 5,2 Prozent – der höchste Wert seit 1992!

Wie wird es weitergehen? Optimisten reden die Inflation kühn herunter. Pessimisten fürchten, sie werde 2022 weiter steigen, weil die besonderen Preistreiber, Energietarife, Rohstoffe und Frachtraten, kaum nachgeben werden, und die wenigen rückläufigen Preise, etwa für Laptops, Mobiltelefone, Damenmode, Sportgeräte oder Waschmaschinen, werden die grassierende Inflation kaum bremsen. Die verzweifelte Hoffnung, die Preise würden mit der Pandemie sinken, ist völlig unbegründet. Die offizielle Verharmlosung der Inflation wird durch den täglichen Einkauf widerlegt; das wissen alle aktiven Hausfrauen. Tatsächlich ist sie dramatischer als es die amtlichen Statistiken zugeben.

Tightening gegen Tapering.

Wenig Hoffnung macht auch das währungspolitische Gerangel zwischen der US-Notenbank FED und der Europäischen Zentral Bank (EZB). Sie sind uneinig, ob die bisherige Flutung der Kapitalmärkte mit neuen Milliardenbeträgen gestoppt oder fortgesetzt werden soll. „Beide Wege sind katastrophal!“, warnt das konservative Schiller-Institut in Wiesbaden. Der scheidende Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, fordert eine baldige Straffung der Geldpolitik (tightening), um den dramatischen Preisanstieg einzudämmen. Er warnt, „wir sollten das Risiko einer zu hohen und andauernden Inflation nicht ignorieren!“ EZB-Präsidentin Christine Lagarde gab bereits zu: „Die Inflation wird länger dauern, als wir ursprünglich angenommen haben.“ Von der FED wird erwartet, dass sie wegen der steigenden Inflationssorgen in den USA ihr Anleihen-Aufkaufprogramm bis Juni 2022 zurücknimmt (tapering). Ob ihr die EZB dabei folgt, ist unbekannt.

Die EZB-Bilanz hat aufgrund des bisherigen Massenaufkaufs staatlicher Anleihen einen Rekordstand von knapp 8,4 Billionen Euro erreicht -- eine Zahl mit 12 Nullen hinter dem Komma! Ein Großteil dieses „Helikoptergeldes“ wurde in die europäische Wirtschaft gepumpt, um sie aus der Krise zu holen. Da dem hohen Geldzufluss kein adäquates Produktangebot gegenübersteht, liegt genau hier die Hauptursache der Preisspirale nach oben, der anhaltenden Nullzinspolitik sowie des Euro-Kursverfalls gegenüber dem US-Dollar.

Gedämpfte Langzeit-Ausblicke.

Die Ertragschancen für sämtliche Anlageklassen an den Kapitalmärkten werden laut Asset Management von J. P. Morgan generell niedriger ausfallen als bisher. „Ein Portfolio mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen wird über die kommenden 10 bis 15 Jahre nur noch einen Ertrag von 4,3 Prozent in US-Dollar und von nur 2,8 Prozent in Euro erwirtschaften können. Das bedeutet, dass Anleger in Zukunft über die traditionellen Anlagemärkte hinaus aktiv werden müssen“, heißt es im langfristigen Kapitalmarktausblick. Es sei demnach wichtig, das eingesetzte Anlagekapital wesentlich härter als bisher arbeiten zu lassen. „Nur wer das volle Chancenspektrum nutzt, neue Ertragsquellen erschließt und aktive Anlageentscheidungen trifft, hat weiterhin die Möglichkeit, robuste und effiziente Portfolios zu generieren, betont Jens Schmitt von J. P. Morgan. Tilman Galler von derselben Bank rechnet mit einem langsamer steigenden Wachstum der Industrie und langfristig steigenden Preisen weltweit: „Die Inflation, die sich im Zuge der Covid-19-Epidemie zeigt, ist hartnäckiger, als sie von den großen Zentralbanken erwartet wird!“, sagt Galler.

In der Zusammenfassung des Langfrist-Kapitalmarktausblicks warnt J. P. Morgan: „Portfolios, mit denen es in der Vergangenheit gerade noch möglich war, die Ertragsziele zu erreichen, müssen jetzt für die Zukunft besser gerüstet werden. Neben einem Fokus auf Hochzinsanleihen sollte die Aktienallokation internationaler werden. Die Ergänzung der Portfolios durch alternative Anlageklassen ist ebenso eine Pflicht wie ein verlängerter Zeithorizont bei der Anlage und ein sorgfältigeres Liquiditätsmanagement.“ Das bedeutet: Die persönliche Geldanlage wird vom bisherigen Hobby zum harten Hauptjob; ohne Risikobewusstsein wird es keine Nettoerträge mehr geben. Doch jeder Ertrag ist mit mehr Risiko eines Verlustes verbunden.

Dazu kommt, dass die 2020 politisch aufgesetzten kräftigen Finanzhilfen, um die Pandemiekrise zu meistern, allmählich auslaufen, warnt die US-amerikanische BlackSummit-Finanzgruppe, die sich mit dem langfristigen Wertzuwachs von Geldanlagen beschäftigt. Das Wachstum der Weltwirtschaft einschließlich China werde 2022 nachlassen. Auch die schönen Gewinne der großen Konzerne dürften schmelzen. Der Druck der Inflation werde zu höheren Zinsen führen und so die Konsumlaune der Bevölkerung dämpfen. Weitere Lockdowns wegen des Ausbruchs neuer Corona-Mutationen würden den Fachkräftemangel verstärken und dieser den wirtschaftlichen Aufwind drosseln. Die zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts könnten ebenso schwierig werden wie es die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit dem „schwarzen Freitag“ 1929 gewesen sind.

Steigende Risiken für Privatvermögen.

Hierzulande bangt die Bevölkerung um ihr Vermögen, das sind 782 Milliarden Euro; davon stecken 315 Milliarden in praktisch unverzinsten Spareinlagen, weitere 36 Milliarden in Aktien und 79 Milliarden in Investmentfonds. Martin Kwauka vom Finanzjournalistenforum rechnet vor, dass im ersten Halbjahr 2021 zusätzlich 5,6 Milliarden Euro in Spareinlagen, 600 Millionen in Aktien und 4,3 Milliarden in Fonds geflossen sind. Neu ist jedoch: Die österreichischen Anleger denken jetzt um: Heuer sind nämlich 4,2 Milliarden Euro in Spareinlagen geflossen, aber gleichzeitig 4,9 Milliarden in Wertpapiere.“ Schlussfolgerung: Die Österreicher tendieren weg vom Sparbuchsparen und favorisieren ertragreichere Geldanlagen. Kwauka errechnete: „Die Kaufkraft des österreichischen Sparvermögens sinkt heuer um 8,5 Milliarden Euro. Das bedeutet: Jeder Österreicher hat durch die Inflation durchschnittlich 1000 Euro an Kaufkraft verloren -- mehr als die Lohnrunden im laufenden Jahr gebracht haben. Bei konstanter Weiterentwicklung der jetzigen Rahmenbedingungen müssen die Österreicher im nächsten Jahr einen Kaufkraftverlust von etwa 9,5 Milliarden Euro -- 1 Milliarde mehr als 2021! – befürchten. Das heißt: Die unverdiente Fortsetzung dieser Verluststrähne wird still und leise die Kaufkraft der Österreicher weiter aufzehren. Infolge des pandemieverursachten Konsumverzichts werden die Ersparnisse der Österreicher weiter steigen, doch ihre Kaufkraft wird weiter sinken. Auf den Punkt gebracht: Wer nicht alles, was er verdient, ausgibt, sondern durch Sparen für die Zukunft vorsorgt, sollte nicht weiterhin der Depp der Nation sein.

Auswege aus dem Chaos.

Eine der jetzigen Lage vergleichbare Entwicklung hat es in Österreich nach Ende des Zweiten Weltkrieges gegeben: Zwischen den Sozialpartnern wurden in den Jahren 1947 bis 1951 fünf Lohn-Preis-Abkommen vereinbart. Sie sollten die damals gravierenden Währungs- und Inflationsprobleme infolge knapp einander folgender Preis- und Lohnerhöhungen abpuffern und der Bevölkerung einen vertretbaren Lebensstandard gewährleisten. Das hat damals die Lage entspannt. Wäre dasselbe ein Ausweg aus der jetzigen Krise?

Experten zweifeln daran. Die Rahmenbedingungen hätten sich seit damals stark verändert: Nach dem zweiten Weltkrieg war Österreich auf sich selbst angewiesen; es gab enormen Aufbauwillen und hohe Zuversicht. Heute seien die Österreicher mut- und hoffnungslos, verwöhnt und gesättigt. Das Land sei nun international verflochten und unterstehe der Politik der EU und der europäischen Notenbankpolitik. Auch sei inzwischen der Einfluss der Sozialpartner geschrumpft und es fehle an wirtschafts-, währungs- und finanzpolitischen Initiatoren, die ausreichend Courage und Überzeugungskraft besitzen, um Wege aus der galoppierenden Lohn-Preis-Spirale durchzusetzen.

Die Österreicher sind daher aufgefordert, den Kampf gegen die drohenden Kaufkraftverluste selbst in die Hand zu nehmen. Das meint auch Eric Samuiloff, Obmann der Wiener Finanzdienstleister. Er rät Personen, die ihr Vermögen vor dem Zugriff der Inflation schützen möchten, zur verstärkten Anlage in Sachwerte; das sind Rohstoffe, Immobilien und Aktien bzw. Aktienfonds.

Analyse der Expertenratschläge.

Physische Rohstoffe sind für Privatleute eine schwierige Anlagekategorie. Wer kann schon daheim oder im Bankschließfach Rohöl, Kupferbarren oder Palladium lagern, so dass er sie im Notfall schnell zu Geld machen kann? Bei physischem Gold ist das einfacher, vor allem wenn man das Edelmetall in Münzen oder Minibarren aufbewahrt. Goldminenaktien sind, hingegen, abgesehen von der risikobehafteten Ausbeute einer entlegenen Mine, als Anlageobjekt im Notfall nicht leicht zu Geld zu machen. Daher sollten Anleger eher physisches Gold als papierenes horten. Finanzberater Samuiloff rät, zwischen 5 und 10 Prozent eines Portfolios in Rohstoffen anzulegen.

Immobilien als Anlage sind, trotz rapid steigender Preise, noch immer eine gute Anlage. Das Halten von Vorsorgewohnungen ist weiter ratsam, auch wenn die Mietrenditen auf durchschnittlich 2 Prozent netto gesunken sind. Indirekter Immobilienbesitz durch Erwerb von Immobilienfonds-Anteilen ist auch ratsam. Vorteil dabei ist, dass man sein Portfolio nach in kleinen Schritten aufbauen kann, statt einmal eine riesige Summe für einen direkten Kauf aufbringen zu müssen. Immobilienfonds zählen zu den am strengsten kontrollierten und bewerteten Anlagekategorien, sie bringen aber ebenfalls kaum mehr als 2 Prozent netto.

Direkter Aktienbesitz ist nach wie vor die attraktivste Sachanlageform, besonders wenn man Dividendentitel als Kerninvestment favorisiert und sich auf innovative Unternehmen mit Preissetzungsmacht bzw. Monopolcharakter z.B. aus dem Pharma- oder IT-Bereich konzentriert. Der jährliche Nettoertrag liegt diesfalls zwischen 6 und 8 Prozent, vorausgesetzt, Aktien machen rund 60 Prozent des Portfolios aus. Neben solchen Kerninvestments raten Experten, ergänzende Satelliteninvestments in Branchen vorzunehmen, in welchen man sich persönlich gut auskennt bzw. in Unternehmen, die sich mit Zukunftstechnologien beschäftigen. Um sich gegen allzu hohe Einzelrisiken abzusichern, ist die Anlage in Dividendenfonds ratsam. Von Investments in Dienstleistungsbranchen ist auf absehbare Zeit abzuraten.

Es stellt sich heraus, dass lediglich Aktienanlagen, direkt oder indirekt, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kaufkraftverluste eines Anlageportfolios übertreffen. Alle anderen Anlageformen können bestenfalls die Kaufkraftverluste wettmachen. „Die Wahrheit jedes Wertpapierdepots zeigt sich im Depotauszug“, sagt der Obmann der Fachgruppe der Wiener Finanzdienstleister, Eric Samuiloff.

Was hält er von Anlagen in die derzeit gehypten Kryptowährungen? „Eine Portfolio-Beimischung von 2 bis 3 Prozent halte ich für vertretbar, aber nur, wenn sich der Anleger auf diesem Sektor gut auskennt, die Geschäftsmodelle versteht und die Schwankungsbreite der Kursentwicklungen akzeptiert.“ 

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